Streetfotografie: Rechtliche Risiken und Folgen

Risiko bei Streetfotographie
Risiko bei Straßenfotografie

Viele Fotografen fragen sich, ob man Streetfotografie heute noch ohne Risiko betreiben kann? Die Frage muss leider mit "Nein" beantwortet werden. Aus rechtlicher Sicht ist Straßenfotografie ein sehr heikles Thema, stehen im Mittelpunkt der Streetfotografie immer auch Personen, die ungefragt als Teil des Straßenbildes fotografiert werden. Daher stehen der Kunstfreiheit des Fotografen die Rechte am eigenen Bild der abgebildeten Person gegenüber.

Dieses Spannungsverhältnis hat der Gesetzgeber gesehen und in § 23 Abs. 1 KUG (Kunsturhebergesetz) geregelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Einwilligung der abgebildeten Person Bilder verwertet werden dürfen. Erlaubt ist eine Verwertung ohne Erlaubnis z.B., wenn die Person nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint oder es sich um Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen handelt. Ob die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Ausnahmen vorliegen, ist stets anhand der konkreten Fotoaufnahme unter Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen des Fotografen und der abgebildeten Person beurteilt werden.

In den Fokus der breiteren Öffentlichkeit geriet das Thema "Straßenfotografie" durch das Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.06.2014 (Az.: 27 O 56/14). Dieses Urteil wurde in den Medien vielfach unter dem Titel das "Ende der Straßenfotografie" erörtert. In dem Verfahren geht es um die Zulässigkeit von Fotos im öffentlichen Raum. Im Raum stand insbesondere die Frage, ob man Personen auf der Straße ohne der Erlaubnis fotografieren und das Bild anschließend veröffentlichen darf.

Was war geschehen ?

Der Fotograf Espen Eichhöfer, Mitglied der renommierten Agentur "Ostkreuz", fotografierte für eine Ausstellung über den Berliner Stadtteil Charlottenburg Passanten vor dem Bahnhof Zoo. In der Nähe eines Pfandhauses am Bahnhof Zoo kam eine Frau im Leopardenmantel mit Einkaufstüten in eiligem Schritt auf ihn zu, die er fotografierte, da er eine typische Berliner Straßenszene darstellen wollte. Das Bild wurde - ohne die Frau um Zustimmung zu fragen - im Rahmen der Fotoausstellung "OSTKREUZ. Westwärts" von der Galerie C/O Berlin ausgestellt. Dies jedoch  nicht in den Räumlichkeiten der C/O Berlin, sondern in Form von Stelltafeln im öffentlichen Raum vor dem Ausstellungshaus.

Die Frau sah durch diese Art der Ausstellung ihres Bildes ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und verlangte von dem Fotografen und der Galerie Unterlassung, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie Erstattung von Abmahnkosten. Galerie und Fotografen gaben eine Unterlassungserklärung ab, verweigerten jedoch jegliche Zahlungen.

Daraufhin verklagte die Dame die Galerie C/O Berlin und den Fotografen Espen Eichhöfer vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung von mindestens 5.500 EUR Schmerzensgeld, Lizenzgebühr und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 2.400 EUR.

Zur Begründung führte sie an, das Bild zeige sie mit einem "mürrischen Gesichtsausdruck", stelle sie in unvorteilhaften Kleidungsfalten negativ dar und die Art der Veröffentlichung des Bildes auf Stelltafeln im öffentlichen Straßenraum vor der Galerie degradiere sie zu einem bloßen Ausstellungsstück.

Urteil Landgericht Berlin zur Streetfotografie

Das Landgericht Berlin verurteilte Fotograf und Galerie zur Tragung von Abmahnkosten. Da Abmahnkosten von der abgemahnten Person nur zu zahlen sind, wenn der mit der Abmahnkosten geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht, hatte das Landgericht als Vorfrage zu beurteilen, ob die Veröffentlichung des Fotos durch Espen Eichhöfer bzw. die c/o Galerie das Recht der Klägerin am eigenen Bild verletzte. Diese bejahte das Landgericht. Einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld lehnte das Landgericht Berlin jedoch ab (LG Berlin, Urteil vom 03.06.2014, Az.: 27 O 56/14).

Unterlassungsanspruch ja

Dem Unterlassungsanspruch gab das Landgericht Berlin statt, da die öffentliche Darstellung einer der Öffentlichkeit völlig unbekannten Person bei der Verrichtung privater Lebensvorgänge wie Einkaufen einen erheblichen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht bzw. Recht am eigenen Bild darstelle.

Schmerzensgeld nein

Da die Abbildung die Dame lediglich in einer gewöhnlichen Alltagssituation zeige und für eine bewusste unvorteilhafte Darstellung oder eine Verfälschung ihres Bildnisses nichts ersichtlich sei, sei die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte jedoch nicht von einer solchen Schwere, dass die Zahlung eines Schmerzensgeldes gerechtfertigt wäre.

Das Landgericht Berlin betonte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die besondere Stellung der Kunst- und Pressefreiheit. Wenn man das Urteil genau liest, kann man auch fast den Eindruck gewinnen, das Landgericht Berlin war fast geneigt, die Klage insgesamt abzuweisen.

Kammergericht bestätigt Urteil Landgericht Berlin zur Straßenfotografie

Beide Seiten legten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin Berufung beim Kammergericht ein: Die Klägerin verfolgte ihren Anspruch auf Schmerzensgeld weiter. Fotograf und Galerie wandten sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten.

Die Klägerin nahm nach einem eindeutigen Hinweis des Kammergerichts, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben würde, ihre Berufung zurück.

Auch die Berufung der Galerie und des Fotografen gegen ihre Verurteilung zur Erstattung von Abmahnkosten blieb erfolglos. Das Kammergericht wies die Berufung ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 11.06.2015 (Az. 10 U 119/14) zurück, da diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Zur Begründung verwies das Kammergericht - wie das Landgericht - darauf, dass das Bild der Klägerin nicht im Rahmen einer klassischen Fotoausstellung gezeigt wurde, sondern "auf einer großformatigen Stelltafel am Rande einer der verkehrsreichsten Straßen von Berlin". Die Abgebildete sei dadurch "als Blickfang einer breiten Masse ausgesetzt" gewesen und nicht nur der Betrachtung "kunstinteressierter Besucher".

Espen Eichhöfer kündigte daraufhin in seinem Blog den Gang zum Bundesverfassungsgericht an.

Fazit

Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, hat dies weitreichende Folgen für Fotografen. Allein wegen der mit einer Abmahnung und Unterlassungsklage verbundenen Anwalts- und Gerichtskosten würden sich Streetfotografen kaum noch trauen, Straßenfotos in der Öffentlichkeit zu machen, auf denen Personen abgebildet sind. Leere Straßen dürfte es nur nachts geben.