SKY verliert Klage gegen Gastwirt in München

SKY verliert Klage gegen Restaurantbetreiber vor dem LG München

Der Pay-TV Sender SKY ist dafür bekannt, Hotels, Restaurants, Sportsbars und Wettbüros durch Kontrolleure regelmäßig zu prüfen, ob in diesen Fußballspiele der Bundesliga oder Champions-League öffentlich wiedergegeben werden. Aufgrund der steten Erhöung der gewerblichen SKY-Lizenzen hat sich mancher Gastwirt mittlerweile zur Einstellung seines SKY-Angebots entschlossen. Doch Wettbüros und Sportbars sind darauf angewiesen, ihren Gästen/Kunden Fußball anzubieten. Diese wird es freuen, dass SKY erneut vor Gericht verloren hat. Nach Niederlagen vor dem Landgericht Berlin und dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. verlor SKY diesmal vor dem Landgericht München.

Nachstehend das Urteil im Volltext:

Urteil

Landgericht München I

Geschäftsnummer: 21 O 17671/15 verkündet am 10.06.2016

In dem Rechtsstreit

der SKY Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG,
vertreten d.d. Komplementärin Sky Deutschland Verwaltungs GmbH,...

gegen

Restaurant (...)

erlässt das Landgericht München I ...auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2016 folgendes Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin ist ein Fernsehveranstalter und bietet ihren Kunden als Pay-TV-Sender unter anderem Sport- und insbesondere Fußballsendungen („Sky Sport" und „Sky Bundesliga') an. Dabei unterscheidet sie zwischen Privat- und gewerblichen Kunden. Der Abschluss eines gewerblichen Abonnementvertrages mit einer Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten gibt gewerblichen Kunden das Recht, das Programmangebot der Klägerin öffentlich wahrnehmbar zu machen. Dafür verlangt die Klägerin ein Entgelt, dessen Höhe je nach Größe der gewerblichen Fläche gestaffelt ist.

Das Live-Basissignal der Bundesliga-Sendungen wird von der Sportcast GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) produziert. Die DFL vermarktet die Rechte hieran im Auftrag des Ligaverbandes (Die Liga Fußballverband e.V.).

Der Klägerin sind von den Reportern, die das Spielgeschehen von der Tribüne oder aus dem Studio heraus kommentieren und den Redakteure, die das Spielgeschehen an- und abmoderieren, Interviews führen und das Spiel selbst analysieren, die ausschließlichen Nutzungsrechte umfänglich eingeräumt worden.

Der Beklagte war am 31.03.2012 Betreiber der Betriebsstätte „Restaurant ....." in ....

Einen Abonnementvertrag für Gewerbe hat der Beklagte mit der Klägerin nicht abgeschlossen. Der Sohn des Beklagten hat einen Privatkundenvertrag mit der Klägerin abgeschlossen, der den Pay-TV-Kanal „Sky Bundesliga" inkludiert (... ).

Am 31.03.2012 betrat ein Mitarbeiter einer von der Klägerin beauftragten Agentur (...) um 16:24 Uhr als Kontrolleur den geöffneten Betriebsraum des Beklagten. In dem Betriebsraum war zu diesem Zeitpunkt ein Fernsehgerät eingeschaltet, auf welchem über den Privatvertrag des Sohns des Beklagten die von der Klägerin ausgestrahlte Sendung "1. Bundesliga Halbzeit" gezeigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich neben dem Beklagten drei weitere Personen dort auf. Der Kontrolleur erkundete sich nach dem Weg zur nächsten Tankstelle, nutzte die Toilette vor Ort und verließ die Betriebsstätte der Klägerin nach insgesamt ca. zwei Minuten gegen 16:26 Uhr wieder.

Mit Anwaltsschreiben vom 17.04.2012 wurde der Beklagte von der Klägerin abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert (...). Die geforderte Unterlassungserklärung gab er am 25.04.2012 ab (...), Schadensersatz bezahlte der Beklagte nicht.

Die Klägerin behauptet, der Ligaverband habe ihr mit Vertrag vom 17.04.2012 die ausschließlichen Nutzungsrechte am Live-Basissignal eingeräumt (vgl. eidesstattliche Versicherung von Frau ...)

Sie ist der Auffassung, sie sei selbst Filmherstellerin der von ihr ausgestrahlten Bundesliga-Sendungen. Zudem seien die Reporter und Redakteure, die das Spielgeschehen kommentierten bzw. das Spielgeschehen an- und abmoderierten, Interviews führten und das Spiel analysierten Miturheber der ausgestrahlten Fußballsendung und hätten ihre Nutzungsrechte der Klägerin eingeräumt.

Darüber hinaus trägt die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.05.2016 vor, zum Zeitpunkt der Kontrolle seien in der Betriebsstätte außer dem Kontrolleur selbst insgesamt fünf Personen anwesend gewesen, darunter jedenfalls drei Gäste. Auf dem als Anlage ... als Beweis angebotenen Kontrollvideo seien der Beklagte sowie eine Dame in Tracht beim Serviettenfalten zu sehen, dazu ein Jugendlicher sowie zwei weitere Personen.

Sie meint, der Beklagte habe die Sendung „1. Bundesliga Halbzeit" öffentlich wiedergegeben.

Die Klägerin beantragt:

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.74800 € sowie weitere 911,80 € Abmahnkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche konkrete Größe in Quadratmeter der Gastraum in der Betriebsstätte in hat und an welchen konkreten Tagen der Beklagte die von der Klägerin produzierten Fußball-Sendungen ohne deren Zustimmung öffentlich wahrnehmbar gemacht hat sowie die Auskunft über die Betriebsstättengröße in Quadratmeter unter Vorlage von geeigneten Belegen nachzuweisen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass der Beklagte von der Klägerin produzierte Fußball-Sendungen ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich-wahrnehmbar gemacht hat, und der nach abschließender Berechnung des auf der Grundlage der von dem Beklagten nach Maßgabe des Antrages zu Ziffer 2. erteilten Auskünfte zu berechnenden Lizenzschadens über den Betrag hinausgeht, den die Klägerin mit dem Klageantrag zu Ziffer 1. bereits als Mindestschaden geltend gemacht hat.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der Urheberrechte am Live-Basissignal mit Nichtwissen.

Er trägt zudem vor, neben dem Kontrolleur seien zum Kontrollzeitpunkt in der Betriebsstätte nur der Beklagte selbst, seine Ehefrau, ihr gemeinsamer Sohn sowie ein befreundeter Jugendlicher anwesend gewesen. Er behauptet, die TV-Übertragung sei während Dekorationsarbeiten in der Betriebsstatte nebenher rein zur privaten Unterhaltung gelaufen Falls ein Gast den Gastraum betreten hätte - womit zu diesem Zeitpunkt nicht zu rechnen gewesen sei -‚ wäre das Fernsehgerät sofort abgeschaltet worden. Der Beklagte meint, das von der Klägerin als Beweis angebotene Kontrollvideo (...) unterliege einem Beweisverwertungsverbot, da es gegen seine Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Recht am eigenen Bild, verstoße.

Mit Verfügung vom 08.02.2016 wurde der Klägerin der Hinweis nach § 139 ZPO erteilt, dass die Aktivlegitimation nicht hinreichend nachgewiesen wurde. Außerdem wurde der Klägerin mit Verfügung vom 01.03.2016 ein weiterer Hinweis nach § 139 ZPO erteilt, dass eine eidesstattliche Versicherung im vorliegenden Klageverfahren kein taugliches Beweismittel ist, und dass nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage keine "öffentliche" Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG vorgelegen haben dürfte. (...)


Entscheidungsgründe

(...)

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG wegen einer Urheberrechtsverletzung.
Ob die Klägerin aktivlegitimiert ist kann vorliegend dahinstehen, da die Wiedergabe der streitgegenständlichen Sendung jedenfalls nicht öffentlich war.

a. Die Wiedergabe eines Werkes ist nach § 15 Abs. 3 S. 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 gehört zur Öffentlichkeit jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk wahrnehmbar gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Die Beweislast für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe, also auch für die fehlende persönliche Verbundenheit, trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Klägerin als Anspruchstellerin (...).

b. Nach Ansicht des BGH kann eine "Mehrzahl von Personen" grundsätzlich bereits ab zwei Personen vorliegen (...).

Der EuGH verlangt bei der Frage, ob ein Sachverhalt eine öffentliche Wiedergabe im -Sinne von Art. 3 Abs. 1 RL 2001129/EG darstellt, eine individuelle Beurteilung, bei der die dreinach¬folgend aufgeführten, unselbstständigen und miteinander verflochtenen Kriterien einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen seien (...).

Erste Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe sei, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werde, um Dritten Zugang zum geschützten Werk zu ver¬schaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten (...).

Zweitens setze der Begriff der "Öffentlichkeit" eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und eine ziemlich große Zahl von Personen bzw. „recht viele Personen" voraus (...). Von Bedeutung sei dabei, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zum selben Werk hätten (...).

Drittens sei es nicht unerheblich, ob mit der betreffenden Nutzungshandlung Erwerbszwecke verfolgt werden (...).

c. Nach diesen Kriterien lag in der Ausstrahlung der Bundesliga-Sendung durch den Beklagten am 31 03 2012 keine öffentliche Wiedergabe vor. Weder sollte eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten zielgerichtet erreicht werden (aa) noch handelte es sich dabei um recht viele Personen bzw. um eine Mehrzahl an Personen (bb).

aa. Es erfolgte bereits keine Wiedergabe, die an eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten gerichtet war.

Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Betriebsstätte um eine öffentliche Gaststätte, die auch geöffnet war und keine Anzeichen einer "geschlossenen Gesellschaft" aufwies. Der Beklagte hat jedoch vorgetragen, dass die Ausstrahlung der streitgegenständlichen Sendung nur der privaten Unterhaltung der Familie und des befreundeten Jugendlichen gedient hätte und er den Fernseher ausgeschaltet hätte, sobald ein Gast die Betriebsstätte besucht hatte. Nach dem Vortrag des Beklagten war daher die Ausstrahlung der Bundesligasendung nicht an eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten gerichtet. Die Beweislast, dass die Ausstrahlung an eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten gerichtet war, trägt die Klägerin (...), die hierzu jedoch kein Beweisangebot gemacht hat und insoweit beweisfällig geblieben ist. Soweit die Klägerin sich auf den Standpunkt stellt, die Behauptung des Beklagten er hätte den Fernseher ausgeschaltet sobald ein Gast den Gastraum betreten hätte sei durch sein eigenes Verhalten widerlegt, da der Beklagte den Fernseher nicht sofort abschaltet habe, als der Kontrolleur den Raum betreten hat, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Der Kontrolleur hat sich nach eigenem Vortrag der Klägerin lediglich für zwei Minuten in den streitgegenständlichen Räumlichkeit aufgehalten, um - insoweit unstreitig - nach einer Tankstelle zu fragen und die Toilette aufzusuchen. Entsprechend hat der Kontrolleur unstreitig keine Bestellung aufgegeben oder ein Getränk oder ähnliche konsumiert. Der Kontrolleur betrat den Gastraum damit nicht als Gast. In dieser Situation kann ein Abschalten vom Beklagten nicht erwartet werden.

bb. Darüber hinaus liegt auch keine Wiedergabe an „recht viele Personen" bzw. eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit" vor. Soweit der Kläger zunächst vorgetragen hat, es haben sich drei Gäste im Gastraum befunden, hat der Beklagte vorgetragen, dass es sich hierbei um seine Ehefrau, seinen Sohn und einen befreundeten Jugendlichen gehandelt habe, somit um Personen die sämtlich durch persönliche Beziehung mit dem Beklagten verbunden sind und daher nicht zur Öffentlichkeit zählen. Soweit die Klägerin den Vortrag des Beklagten bestritten hat, ist dies unbehelflich. Die Klägerin ist für die fehlende persönliche Verbundenheit beweisbelastet (vgl. oben). Ein entsprechendes Beweisangebot hat sie jedoch nicht unterbreitet und ist daher beweisfällig geblieben.

Dies zugrunde gelegt, bleibt als Öffentlichkeit nur der Kontrolleur übrig, der alleine jedoch weder nach Ansicht des BGH "eine Mehrzahl an Mitgliedern der Öffentlichkeit" i S v § 15 Abs. 3 UrhG noch nach den Anforderungen des EuGHs "recht viele Personen" darstellt.

cc. Sofern die Klägerin zuletzt behauptet, es seien neben dem Kontrolleur insgesamt fünf Personen im Gastraum anwesend gewesen, ist sie ebenfalls beweisfällig geblieben. Das von der Klägerin zum Beweis angebotene Kontrollvideo (...) unterliegt einem Beweisverwertungsverbot, weil es rechtswidrig in Persönlichkeitsrechte des Beklagten eingreift.

Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (...). Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (...). Bereits die Herstellung von Videoaufzeichnungen ohne Einwilligung des Abgebildeten stellt deshalb einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar (...).

Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Beklagten ist rechtswidrig. Bei der Beantwortung der Frage nach der Rechtswidrigkeit einer heimlich angefertigten Videoaufzeichnung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls notwendig. Es ist unter Berücksichtigung aller rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen (...).

Dem Persönlichkeitsrecht des Beklagten steht das berechtigte Interesse der Klägerin an der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber. Ein Überwiegen der Interessen der Klägerin, das den Eingriff rechtfertigen wurde, ist hier abzulehnen. Der BGH hat in einem Urteil bezüglich eines Wettbewerbsverstoßes ausgeführt, dass eine heimliche Fotoaufzeichnung unter anderem dann gerechtfertigt sein könne, wenn eine Rechtsverletzung nur durch diese Aufnahmen hinreichend bestimmt dargelegt und be¬wiesen werden könnte (...). Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber deutlich von der damaligen Konstellation, weil hier die heimliche Videoaufnahme gerade nicht erforderlich war, um die angebliche Rechtsverletzung zu dokumentieren. Zur Dokumentation genügten die Beobachtungen des Kontrolleurs ‚ insbesondere angesichts der Tatsache, dass er die Kamera verdeckt bei sich trug und somit die Videoaufzeichnung keine über seine Wahrnehmung hinausgehenden Erkenntnisse liefern könnte.

Weitere Beweisangebote hat die Klägerin nicht gemacht, sie ist somit beweisfällig geblieben. Soweit die Klägerin bereits mit der Klageschrift den Zeugen zum Beweis der Tatsache angeboten hat, dass sich neben dem Zeugen drei weitere Gaste in dem Gastraum befunden hätten, wurde dieser Zeuge für den erstmalig mit Schriftsatz vom 18.05.2016 vorgebrachten Vortrag, es seien insgesamt 5 Personen anwesend gewesen nicht angeboten.

(...)