LG Hildesheim: IDO handelt rechtsmissbräuchlich

Nachdem bereits zahlreiche Gerichte (OLG Rostock, LG Darmstadt, LG Bonn, LG Heilbronn, LG Bielefeld) IDO Rechtsmissbrauch bescheinigten, erlitt IDO nun auch vor dem LG Hildesheim eine Niederlage. Auch das LG Hildesheim bestätigte IDO rechtsmissbräuchliches Handeln, da IDO nur passive Mitglieder habe, die von der internen Willensbildung von IDO ausgeschlossen sind.

IDO verklagt Münzhändler wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung und OS-Link

Anlass des Klageverfahrens war eine „typische“ IDO Abmahnung. 2017 mahnte IDO einen Münzhändler ab, da in einem Angebot in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular, der Link zur OS-Plattform und der Hinweis, ob der Vertragstext gespeichert wird, fehlte. Diese drei Abmahngründe sind der Klassiker bei IDO.

Da der abgemahnte Münzhändler keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, beantragte IDO den Erlass einer einstweilgen Verfügung, die erlassen wurde. Da der Beklagte keine Abschlusserklärung abgab, erhob IDO Unterlassungsklage. Das LG Bielefeld wies die Klage von IDO ab, da IDO rechtsmissbräuchlich handele.

LG Hildesheim: IDO abmahnberechtigt?

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind Verbände nur berechtigt, Wettbewerbsverstöße abzumahnen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher und selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Das LG Bielefeld ging zwar davon aus, dass IDO grundsätzlich nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung dazu in der Lage ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrzunehmen.

Ob IDO auch eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die ebenfalls mit Münzen, Schmuck und Silberwaren handeln, ließ das LG Bielefeld offen, denn aufgrund des Rechtsmissbrauchs kam es hierauf nicht an. In anderen Klageverfahren legte IDO bisher nur teilanonymisierte Mitgliederlisten vor und beschränkt sich auf pauschale Angaben zu seinen Mitgliedern. Ein solcher dünner Sachvortrag genügte z.B. dem LG Bielefeld nicht.

LG Hildesheim: IDO handelt jedenfalls rechtsmissbräuchlich

Den Rechtsmissbrauch begründete das LG Bielefeld damit, dass IDO „die zu fördernden Unternehmen" nur als passive Mitglieder aufnimmt und diese damit ohne ersichtlichen sachlichen Grund gezielt von der internen Willensbildung des IDO Vereins ausschließt.

„Dass die zu fördernden Unternehmen ausschließlich als passive Mitglieder aufgenommen werden, ergibt sich dabei aus den – von dem Beklagten vorgelegten und auf der Homepage abrufbaren– Nutzungsbedingungen des Klägers. […] Nach den – nicht näher substantiierten – Angaben des Klägers verfügt er über 30 bis 50 aktive Mitglieder, denen passive Mitglieder in einer Größenordnung von 2395 bis zu 2600 Mitgliedern – zu denen auch die 29 streitgegenständlichen Mitglieder der Branche Münzen, Schmuck und Silberwaren gehören – gegenüberstehen. Damit entscheidet ein Prozentsatz von maximal etwa 2% der Mitglieder über sämtliche Belange des Vereins, sowohl in tatsächlicher und rechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht, so auch über die Vergütung der Vorsitzenden und der Angestellten Mitarbeiterinnen.“

Passive Mitgliederstruktur bei IDO fördert nur Interessen Einzelner

IDO hatte vorgetragen, dass diese Vereinsstruktur von IDO bewusst gewählt worden sei, da die Vereinsziele sonst nicht zu erreichen seien, da bei einer hohen Anzahl von aktiven IDO Mitgliedern „kostspielige Versammlungen und endlose Debatten mit juristischen Laien“ zu besorgen seien. Diese „Rechtfertigung“ ließ das LG Hildesheim nicht durchgehen, sondern stütze genau hierauf den Rechtsmissbrauch:

„Soweit der Kläger vorträgt, dass diese Struktur gerade gewollt sei, weil die Vereinsziele des Klägers bei ca. 2600 Mitgliedern nicht mit kostenpflichtigen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien zu erreichen seien, zeigt dies deutlich, dass die Durchsetzung der Interessen einzelner im Vordergrund steht, nicht aber die Meinungsbildung aus der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan eines Vereins heraus. Soweit der Kläger weiter vorträgt, dass die passiven Mitglieder bei der Willensbildung nicht komplett außen vor seien und alle passiven Mitglieder anderweitige Möglichkeiten hätten das Vereinsgeschehen zu beeinflussen, reicht dies als aktive Teilhabe an der Gestaltung der Willensbildung des Klägers nicht aus.“

Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen steht im Vordergrund bei IDO

Ebenso wie bereits anderen Gerichte, geht auch das LG Hildesheim davon aus, dass IDO und die hinter IDO stehenden Personen vorrangig das Ziel verfolgen, durch Abmahnungen Gebühren und bei Verstößen gegen strafbewehrte Unterlassungserklärungen erhebliche Vertragsstrafen zu vereinnahmen. Die Förderung der Mitgliederinteressen stehe daher bei IDO keinesfalls im Vordergrund. In diesem Zusammenhang verwies das LG Hildesheim auf das Urteil des OLG Celle.

"Ein sachlicher Grund, warum die Online-Unternehmen, deren Interessen der Kläger nach seiner Satzung gerade und ausschließlich fördern will, von der Willensbildung des Klägers ausgeschlossen werden, ist danach nicht ersichtlich. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger vor allem zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und dass die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden."

LG Hildesheim, Urteil vom 24.11.2020, AZ.: 11 O 5/19

Praxishinweis

Ein weiteres vernichtendes Urteil für IDO. Die Luft für IDO wird immer dünner. Mittlerweile gehen zahlreiche Gerichte davon aus, dass es IDO nicht um die „Einhaltung des fairen Wettbewerbs“ geht, sondern nur um die Erzielung von Gebühren und erheblichen Vertragsstrafen.

Bekanntlich "leben" die hinter IDO stehenden Personen von Vertragsstrafen. Dies ist mittlerweile auch Gerichten bekannt. Das OLG Stuttgart hat IDO zur Offenlegung von Interna in Bezug auf die interne Vergütungsstruktur von IDO aufgefordert.

IDO überprüft Verstöße gegen strafbewehrte Unterlassungserklärung. Stellt IDO einen Verstoß fest, verlangt IDO Vertragsstrafen zwischen 3.000 EUR und 5.000 EUR je Verstoß und klagt diese auch ein. Daher sollte - wenn überhaupt - nur dann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden, wenn alle darin angeführten Fehler beseitigt wurden und zu 100% sichergestellt ist, dass diese Fehler zukünftig ausgeschlossen sind. Insbesondere bei Verkäufen auf Amazon sollte die Abgabe einer Unterlassungserklärung wohl überlegt sein. Auch bei Verstößen gegen Preisangaben oder Kennzeichnungsvorgaben sollte überlegt werden, ob man nicht eher das Risiko eines Klageverfahrens als die Verwirkung einer hohen Vertragsstrafe eingehen sollte. Wie die zahlreichen Urteile belegen, sind die Gerichte gegenüber IDO mittlerweile mehr als kritisch eingestellt.

Sollten auch Sie eine Abmahnung von IDO erhalten haben, berate und vertrete ich auch Sie sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich.