Flickr Abmahnung RA Schroeder für VSGE (Dennis Skley): Was tun?

Flickr Abmahnung RA Schroeder für VSGE (Dennis Skley): Was tun?

Auch bei uns melden sich Webseiten- und Blogbetreiber, die eine urheberrechtliche Abmahnung von Rechtsanwalt Lutz Schroeder aus Kiel im Namen des Verbandes zum Schutz geistigen Eigentums (VSGE) erhalten haben. Anlass ist die Nutzung von Bildern, die auf Flickr unter CC-Lizenzen zur kostenlosen Nutzung angeboten werden. Bei den uns vorliegenden Abmahnungen handelt es sich durchweg um Bilder des Berliner Fotografen Dennis Skley. Was können Sie tun?

Was sind Creative Commons-Lizenzen (CC-Lizenzen)?

Creative Commons (CC) ist eine Non-Profit-Organisation, die Standardlizenzverträge entwickelt und Urhebern zur Freigabe ihrer urheberrechtlich geschützten Inhalte (insbesondere Fotos und Bilder) bereitstellt. Derzeit bietet CC sechs verschiedene Standard-Lizenzverträge an, die bei der Verbreitung kreativer Inhalte genutzt werden können. Dabei wird CC selbst nicht Vertragspartner. Vielmehr werden die CC-Lizenzverträge von den Urhebern übernommen und in eigener Verantwortung verwendet, um gegenüber potentiellen Nutzern klarzustellen, für welche Zwecke (kommerziell, rein redaktionell) und unter welchen Bedingungen (Namensnennung, Bearbeitungsverbot, Hinweis auf Lizenz) sie die unter CC zur Verfügung gestellten Werke nutzen dürfen und wozu nicht.

Wer steckt hinter dem Verband zum Schutz geistigen Eigentums (VSGE)

Ausweislich der Abmahnungen betreibt der "Verband zum Schutz geistigen Eigentums" (VSGE) die Webseiten www.bilderdiebstahl.de. Über diese Webseite können Fotografen online den "Klau" ihrer Bilder melden. In diesem Fall schließt der Fotograf mit dem VSGE einen Vertrag, ausweislich dessen der VSGE ermächtigt wird, im eigenen Namen und auf eigene Kosten gegen die Urheberrechtsverletzung vorzugehen. Zudem tritt der Fotograf seine Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz an den VSGE ab.

Als Gegenleistung erhält der Fotograf einen pauschalen Abgeltungsbetrag von 40 EUR. Der an den Fotografen gezahlte "Abgeltungsbetrag" von 40 EUR steht daher in einem krassen Missverhältnis zu dem Schadensersatz, den der VSGE von den Abgemahnten in den Abmahnungen fordert.

Flickr Abmahnungen durch VSGE (Dennis Skley) wegen Verstoß gegen 2.0 CC-Lizenz

In den uns vorliegenden Abmahnungen des VSGE durch Rechtsanwalt Schroeder wird den Abgemahnten vorgeworfen, dass sie gegen Vorgaben der Version 2.0 der CC-Lizenzen (CC BY-ND 2.0) verstoßen haben, weil

  • die Bilder bearbeitet wurden, obwohl die CC-Lizenz ein Bearbeitungsverbot (ND) vorsieht
  • der Name des Fotografen und/oder der Titel des Bildes nicht genannt wurde, obwohl die CC-Lizenz eine Pflicht zur Namens- und Titelnennung (BY) vorsieht
  • kein Hinweis nebst Verlinkung auf die CC-Lizenz erfolgte, obwohl die CC-Lizenz einen solchen Hinweis vorsieht

Was fordert der VSGE in den Flickr Abmahnungen (Dennis Skley)

Neben der Unterlassung und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fordert Rechtsanwalt Lutz Schroeder im Namen des VSGE in den Flickr Abmahnungen stets Zahlung von Schadensersatz sowie Erstattung von Abmahnkosten. Den Schadensersatz berechnet der VSGE unter Rückgriff auf die MFM Tabellen. Diese sehen je nach Nutzungsart und Nutzungsdauer bestimmte Vergütungen vor. Der VSGE verlangt jedoch keine Auskunft, sondern geht in jeder Abmahnung von einer Fotonutzung „bis zu 1 Jahr“ aus. In den uns vorliegenden Abmahnungen berechnet der VSGE den Schadensersatz wie folgt:

  • Fotonutzung auf einer Unterseite; bis zu 1 Jahr:                   310,00 EUR
  • Unterlassene Urheberbenennung; Aufschlag 100%:             310,00 EUR
  • Verwendung zu Werbezwecken; Aufschlag 50%:                  155,00 EUR
  • Schadensersatz gesamt netto:                                               775,00 EUR
  • Umsatzsteuer 7 %:                                                                   54,25 EUR
  • Schadensersatz gesamt brutto:                                              829,25 EUR

Die Abmahnkosten werden nach einem Gegenstandswert von 6.826,25 EUR (Unterlassung: 6.000 EUR + Schadensersatz: 829,25 EUR) berechnet und auf 546,50 EUR beziffert.

Angriffspunkte gegen Flickr-Abmahnungen durch VSGE

1. Gibt es den VSGE überhaupt?

Ob der VSGE überhaupt ein "rechtsfähiger" und damit abmahnberechtigter Verband ist, darf bezweifelt werden. Weder in den Abmahnungen noch auf den Webseiten unter www.bilderdiebstahl.de werden ein wie auch immer gearteter Verbandszweck oder Verbandsstatuen noch die Rechtspersönlichkeit des „Verbandes“ offengelegt. Eine Eintragung im Vereinsregister haben wir nicht gefunden.

Update 22.03.2016: Mit dem zumindest fragwürdigem Geschäftsmodell des VSGE und den dahinter stehenden Personen sowie den persönlichen Beziehungen von Rechtsanwalt Lutz Schröder zu den Beteiligten haben sich auch schon andere befasst, z. B. Netzpolitik.org.

2. Ist der VSGE für den Unterlassungsanspruch aktivlegitimiert?

Selbst wenn es den VSGE rechtlich tatsächlich gibt, stellt sich die Frage, ob er berechtigt ist, Unterlassung und Abmahnkosten zu fordern. Da dem VSGE vom Fotografen keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden, der VSGE daher kein Lizenznehmer (also Rechteinhaber) ist, könnte er den Unterlassungsanspruch nur im Wege der sog. gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Rechteinhaber den VSGE entsprechend ermächtigt und der VSGE ein eigenes berechtigtes Interesse an der Anspruchsdurchsetzung besitzt. An dem Vorliegen eines solchen berechtigten Interesses des VSGE bestehen erhebliche Zweifel. 

Den Abmahnungen des VSGE ist nicht zu entnehmen, welche Interessen der VSGE satzungsmäßig vertritt. Auf den unter www.diebstahl.de abrufbaren Webseiten werden weder die Verbandstätigkeit des VSGE beschrieben noch Statuten oder andere Verbandsgrundlagen zum Abruf vorgehalten. Den Webseiten ist jedoch zu entnehmen, dass das Interesse des VSGE rein monetärer Art ist. Ein rechtliches Interesse an der Unterbindung von Urheberrechtsverstößen ist nicht erkennbar; lebt der VSGE gerade vom Bilderdiebstahl.

Vor diesem Hintergrund darf daran gezweifelt werden, dass die in den mit den Fotografen abgeschlossenen Verträgen vorgesehene Einräumung der Befugnis zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen zulässig ist.

So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die isolierte Abtretung von urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen nicht zulässig ist, weil dies zu einer der gesetzlichen Regelung des § 97 Abs. 1 UrhG zuwiderlaufenden Vermehrung der Verfolgungsberechtigten führen würde. Zwar ist eine Abtretung urheberrechtlicher Unterlassungsansprüche zusammen mit anderen urheberrechtlichen Rechte oder geschützten Positionen möglich. Die Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung von urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen zugunsten des Urhebers wird jedoch nur dann für zulässig erachtet, wenn der Ermächtigte an der Rechtsverfolgung ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse hat. Fehlt ein rechtliches Interesse an der Unterbindung der Urheberrechtsverletzung, ist die Ermächtigung unzulässig. 

Update 04.09.2018: Das Landgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 16.08.2018 (Az.: 2-03 O 32/17) entschieden, dass der VSGE hinsichtllich des Unterlassungsanspruchs nicht aktivlegitimiert ist. Zur Begründung führte das Gericht wie folgt aus:

"Der Beklagte selbst trägt vor, dass Zweck seiner Gründung war, den betroffenen Mitgliedern das Risiko der Geltendmachung ihrer Rechte zu nehmen. Dies allein begründet jedoch kein hinreichendes berechtigtes Interesse des Beklagten, sondern liegt allein im Interesse seiner Mitglieder, die ohne Weiteres auch im eigenen Namen ihre Rechte geltend machen könnten. Dabei könnte der Beklagte, statt sich zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigen zu lassen und dadurch - für den jeweils betroffenen Anspruchsgegner nachteilhaft - als weiterer Gläubiger zur Verfügung zu stehen, seine Mitglieder dadurch unterstützen, dass diese höhere Beträge zahlen und der Beklagte dafür ihre Kosten der Rechtsverfolgung bei Geltendmachung im eigenen Namen übernimmt."

3. Schadensersatz ist nicht umsatzsteuerpflichtig

Weiterhin vergisst Herr Rechtsanwalt Schroeder bei der Berechnung des Schadensersatzes, dass Schadensersatz nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Sein Hinweis in der Abmahnung, dass die Lizenzgebühr gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG der ermäßigten Umsatzsteuer von 7% unterliegt, geht daher ins Leere, fordert der VSGE keine Lizenz, sondern Schadensersatz. Dieser wird zwar nach der Lizenzanalogie berechnet, es handelt sich aber dennoch um Schadensersatz.

4. VSGE fordert zu hohen Schadensersatz - MFM-Tabelle nicht anwendbar 

Zudem berechnet der VSGE den Schadensersatz unter Rückgriff auf die MFM-Sätze, obgleich die Fotos auf flickr.com kostenlos angeboten wurden. Die Fotografen selbst erhalten vom VSGE je Bild nur 40 EUR.

Bereits mehrere Gerichte haben entschieden, dass bei der rechtswidrigen Nutzung von kostenlos angebotenen CC-Fotos der Schadensersatz nicht nach der MFM-Tabelle zu berechnen ist (z. B. Kammergericht in seinem Beschluss vom 26.10.2015). Vielmehr ist der Schadensersatz weit geringer. Der vom Kammergericht behandelte Fall betraf ein auf pixelio.de kostenlos angebotenes Foto, dass ohne Urheberbenennung genutzt wurde. Das Kammergericht erachtete einen Schadensersatz von 100 EUR für ausreichend. Die Ansicht des klagenden Fotografen, der Schadensersatz sei nach den MFM-Sätzen zu berechnen, wies das Kammergericht mit folgender Begründung zurück:

"Der im Wege der Lizenzanalogie aufgemachte Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs.2 Satz 3 UrhG n.F.) wegen unterlassener Urheberbenennung (§ 13 UrhG) ist hier nicht an den MFM-Sätzen zu orientieren, da nicht daran vorbeigegangen werden kann, dass die unentgeltliche Lizenzierung des betroffenen Fotos über pixelio.de unter bloßer Urheberbenennungspflicht stark darauf hinweist, dass der Kläger im Verletzungszeitraum unter anderem dieses Foto nicht - schon gar nicht in nennenswertem Umfang - zu den MFM-Sätzen tatsächlich lizensieren konnte und lizensiert hat, sondern auf das dortige Geschäftsmodell mit unentgeltlicher Lizensierung unter Urheberbenennung ausweichen musste, etwa um sich zunächst einen gewissen Ruf zu erwerben."

Das Landgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 16.08.2018, Az.: 2-03 O 32/17) hat ebenfalls entschieden, dass der VSGE nicht berechtigt ist, den Schadenseratz bei CC-Lizenz-Fotos gem. den MFM-Tabellen zu berechnen, da diese bei CC-Lizenzen nicht anwendbar sind. Da der VSGE auch keine Indizien für eine andere Art der Berechnung angführt hatte, lehnte das Gericht jeglichen Schadensersatz ab. Zur Begründung führte das Gericht wie folgt aus:

"Der Beklagte kann sich für die Schätzung des Lizenzschadens vorliegend - entgegen seiner Auffassung - nicht auf die MFM-Tabelle berufen. Einerseits hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte schon nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass F als Berufsfotograf tätig ist. Hierauf kam es im Ergebnis jedoch nicht an, da einer Anwendung der MFM-Tabelle bereits entgegensteht, dass der Beklagte seine Fotografien auch kostenlos unter den Bedingungen der Creative Commons-Lizenzen anbietet (...). Im Rahmen der Bestimmung des nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu zahlenden Schadensersatzes kommt es nämlich auf dasjenige an was ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und eine vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (...). Nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie muss daher auch Berücksichtigung finden, dass der potentielle Erwerber eines Nutzungsrechts an der streitgegenständlichen Fotografie stets die Möglichkeit hat, dieses Werk auch kostenlos zu lizenzieren. Für den kostenpflichtigen Lizenzerwerb kann daher nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie lediglich dasjenige gefordert werden, was vernünftige Parteien für eine Befreiung von den Vorgaben der Creative Commons-Lizenzen vereinbart hätten, nicht jedoch das, was für ein anderes Bild, das nicht auch kostenlos genutzt werden kann, anzusetzen gewesen wäre."

Auch weitere Gerichte (z.B. AG Würzburg, Urteil vom 18.12.2018, 18 C 611-18) haben mittlerweile der Abzocke von Hobby-Fotografen, die ihre Fotos zur kostenlosen Nutzung auf Plattform wie flickr & Co. hochladen, um sodann bei Verstoß gegen die CC-Lizenzbedingungen absurd hohen Schadensersatz zu fordern, einen Riegel vorgeschoben. Wenn überhaupt, wird diesen Fotrografen ein Schadensersatz von 100,00 EUR zugestanden, oft wird er auch ganz abgelehnt. Das AG Würzburg hat nicht nur den vom Fotografen geforderten Schadensersatz zurückgewiesen, sondern den Fotografen zur Erstattung der dem Abgemahnten entstandenen Anwaltskosten verurteilt:

"Das Gericht ist davon überzeugt, dass hinsichtlich des Vorgehens des Beklagten eine systematische Masche steckt, wonach er versucht Geld zu verdienen, in dem er Personen sucht, die seine Bilder unberechtigt verwenden, um an diese überhöhte Forderungen in Form von Schadensersatzansprüchen zu stellen. Das vorliegend verschickte Schreiben an den Kläger enthält Drohungen, dass es für ihn noch deutlich teurer werden könnte, wenn die Sache vor Gericht komme. Insoweit erscheint es erforderlich und zweckmäßig, dass sich die Betroffenen, wie im vorliegenden Fall der Kläger, an einen Rechtsanwalt wenden, der für ihn ein Abwehrschreiben aufsetzt und eine Unterlassungserklärung abgibt, worauf es nach eigenen Angaben des Beklagten diesem nicht ankommt. Dies ist unabhängig davon zu sehen, dass gleichzeitig eine Klageschrift auf negative Feststellungsklage eingereicht wird.“

Zudem sei die Frage erlaubt, ob sich Fotografen und deren Abmahnkanzleien, die in Kenntnis vorstehender Urteile weiterhin hohe Schadensersatzbeträge in Foto Abmahnungen fordern, sich nicht des Betruges schuldig machen. Solche Überlegungen stellen mittlerweile auch Gerichte an (siehe Bericht des Kollegen Kompa).

 5. Kein Anspruch des VSGE auf Erstattung von Abmahnkosten

Ein Anspruch auf Abmahnkosten steht dem VSGE nur zu, wenn ihm (aus abgetretenem Recht) ein Anspruch auf Unterlassung zusteht, d.h. der VSGE über die erforderliche Aktivlegitimation verfügt. Nach Ansicht des Landgericht Frankfurt a.M. ist der VSGE nicht aktivlegitimiert. Daher - so das Gericht - steht dem VSGE auch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu.

Ungeachtet dessen darf bezweifelt werden, dass der VSGE sich gegenüber Herrn Rechtsanwalt Schroeder tatsächlich zur Zahlung der in den Abmahnungen geltend gemachten Abmahnkosten verpflichtet hat.

Fazit

Haben auch Sie eine VSGE Abmahnung von Rechtsanwalt Lutz Schroeder aus Kiel wegen Urheberrechtsverletzungen an Fotos unter CC-Lizenz erhalten, sollten Sie den darin geltend gemachten Forderungen nicht vorschnell nachkommen, insbesondere weder die Unterlassungserklärung unterzeichnen noch Abmahnkosten und Schadensersatz zahlen.

Vielmehr sollten Sie einen im Urheberrecht spezialisierten Anwalt mit der Prüfung der Berechtigung der VSGE Abmahnung, insbesondere den darin geltend gemachten Zahlungsforderungen beauftragen.

Aufgrund meiner konsequenten Spezialisierung im Urheberrecht sind mir die einschlägigen Urteile und möglichen Angriffspunkte gegen urheberrechtliche Abmahnungen bestens vertraut. Ich habe bereits zahlreiche von Abmahnungen des VSGE Betroffene vertreten. Trotz Klageandrohungen seitens des VSGE liegen uns bis heute keine Klagen des VSGE vor.