Rechtsmissbrauch: IDO muss OLG Stuttgart Interna offenlegen

Bild

Der für Massenabmahnungen kleiner Onlinehändler berühmt berüchtigte IDO Verband muss in einem Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart umfangreich Auskunft zur internen Vereins- und Vergütungsstruktur sowie zu seinen Abmahntätigkeiten erteilen. Es bleibt abzuwarten, ob IDO die (alle) Fragen des OLG Stuttgart beantwortet. Wahrscheinlicher ist wohl, dass IDO die Berufung zurücknimmt bzw. diese "lieber" verliert, als Auskunft zu erteilen.

LG Heilbronn weist Klage von IDO wegen Rechtsmissbrauch ab

Hintergrund des Verfahrens vor dem OLG Stuttgart ist ein Urteil des LG Heilbronn. Dieses hatte mit Urteil vom 20.12.2019 eine Klage von IDO gegen einen abgemahten Onlinehändler wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen. Den Rechtsmissbrauch begründete das LG Heilbronn u.a. damit, dass IDO eigene Mitglieder weder kontrolliere noch abmahne, diese also verschone. IDO hatte zwar im Verfahren behauptet, IDO-Mitglieder genauso zu kontrollieren wie Nicht-Mitglieder. Diese Behauptung konnte die von IDO als Zeugin benannte IDO-Mitarbeitern jedoch nicht bestätigen. Vielmehr konnte IDO bis zum Schluss des Verfahrens nicht einmal ein gerichtliches Verfahren anführen, in dem IDO gegen ein IDO-Mitglied vorgegangen ist. Zudem monierte das LG Heilbronn auch die Verquickung familiärer und wirtschaftlicher Interessen bei IDO.

IDO legt Berufung beim OLG Stuttgart ein

IDO wollte den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht auf sich sitzen lassen und legte Berufung gegen das Urteil des LG Heilbronn ein. Dabei scheint sich IDO jedoch verzockt zu haben. Was auch immer sich IDO vom OLG Stuttgart erhofft hatte, es trat das Gegenteil ein.

Ebenso wie bereits andere Oberlandesgerichte (z.B. OLG Celle, OLG Rostock), sieht nämlich auch das OLG Stuttgart aufgrund der internen IDO-Struktur und der IDO Abmahntätigkeit Indizien für Rechtsmissbrauch und verlangt von IDO nun umfangreich Auskunft über die Mitgliederstruktur von IDO, interne Vergütungen bei IDO und Umfang der Abmahntätigkeiten gegenüber Nichtmitgliedern.

OLG Stuttgart fordert IDO zur Offenlegung von Interna auf

Mit Hinweisbeschluss vom 26.11.2020 forderte das OLG Stuttgart den IDO-Verband auf, zahlreiche Fragen zu verschiedenen Themenkomplexen zu beantworten. Konkret forderte das OLG Stuttgart IDO auf, zu nachfolgenden Themenkomplexen Stellung zu nehmen:

1. Abmahntätigkeit von IDO gegenüber Mitgliedern/Nichtmitgliedern

Um den Vorwurf der Verschonung von eigenen Mitgliedern zu entkräften, muss IDO zum Umfang seiner Abmahntätigkeiten, gegliedert nach IDO-Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern vortragen, und zwar

  • Anzahl der von IDO in den Jahren 2018 – 2020 insgesamt abgemahnten Unternehmen
  • Anzahl der außergerichtlich abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen
  • Anzahl der von IDO in den Jahren 2018 – 2020 auf Unterlassung verklagten abgemahnten Unternehmen
  • Offenlegung, welche der von IDO abgemahnten bzw. verklagten Unternehmen zum Zeitpunkt der Abmahnung bzw. Klageerhebung IDO-Mitglieder waren

2. Offenlegung der Mitgliederstruktur von IDO

Zudem muss IDO seine Mitgliederstruktur offenlegen, insbesondere eine aktuelle Liste der aktiven IDO-Mitglieder vorlegen und für den Zeitraum 2018 – 2020 folgende Fragen beantworten:

  • Wer war aktives IDO-Mitglied
  • Wann ist das jeweilige aktive IDO-Mitglied dem IDO-Verband beigetreten
  • Wann hat es den Status als aktives Mitglied erlangt
  • Wann hat es den Status als aktives Mitglied ggf. verloren

3. Offenlegung der Einnahmen von IDO

Weiterhin muss IDO für die Jahre 2018 – 2020 eine Aufstellung über seine Einnahmen einreichen, und zwar gegliedert nach Art und Umfang:

  • Beiträge von aktiven IDO-Mitgliedern
  • Beiträge von passiven IDO-Mitgliedern
  • von Abgemahnten an IDO gezahlte Vertragsstrafen
  • von Abgemahnten an IDO erstattete Abmahnkosten (IDO-Pauschale)
  • sonstigen Einnahmequellen

4. Offenlegung von Zahlungen von IDO an Vorstand & Co.

Zudem muss IDO für die Jahre 2018 – 2020 eine Aufstellung über seine Ausgaben einreichen, und zwar unter Zuordnung der Tätigkeitsbereiche und Nennung des Zahlungsgrundes. Konkret muss IDO offenlegen:

  • Welche Zahlungen an Mitglieder des IDO-Vorstandes erfolgten
  • Welche Zahlungen an aktive IDO-Mitglieder erfolgten
  • Welche Zahlungen an Unternehmen eefolgten, an denen IDO-Vorstandsmitglieder oder aktive IDO-Mitglieder beteiligt sind

5. Offenlegung der Vorstandsstruktur

Mit Blick auf den IDO-Vorstand und etwaigen familiären Verflechtungen der Vorstandsmitglieder verlangt das OLG Stuttgart für den Zeitraum 2018 – 2020 folgende Fragen zu beantworten:

  • Wer gehörte dem IDO Vorstand an
  • Für welche Zeit waren diese Personen IDO-Vorstandsmitglieder (ggf. auch bereits vor 2018)
  • Welche Tätigkeiten führten die jeweiligen Vorstandsmitglieder bei IDO aus
  • Welche Tätigkeiten erbrachten die jeweiligen Vorstandsmitglieder über die Vorstandstätigkeit hinaus für IDO
  • Welche familienrechtlichen bzw. verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen oder bestanden zwischen diesen Vorstandsmitgliedern

5. Offenlegung der internen Vergütungsstruktur

Schließlich muss IDO die internen Dienst- und Arbeitsverhältnisse und die Vergütung der jeweiligen IDO-Mitarbeiter offenlegen, konkret sind für den Zeitraum 2018 – 2020 folgende Fragen von IDO zu beantworten:

  • Wer stand in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu IDO
  • Welcher Arbeitsumfang und welche Aufgabenbereiche oblagen diesen Mitarbeitern
  • Welche Vergütung bzw. welchen Lohn erhielten diese Mitarbeiter

Bereits das LG Heilbronn hatte beanstandet, dass IDO es unbedingt vermeiden wollte, Einblicke in die interne Struktur von IDO zu geben. Die bisherige Taktik des substanzarmen Vortrags von IDO funktioniert jedenfalls (glücklicherweise) nicht beim OLG Stuttgart. Das OLG Stuttgart wies bereits auf die Konsequenzen hin, sollte IDO die Fragen nicht beantworten:

Der Senat hat den Beklagten bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sein Vortrag zu seinen inneren Verhältnissen und zu seinen Aktivitäten bislang weithin substanzarm ist. Der Beklagte muss gewärtig sein, dass sich dies bei der Würdigung, die der Senat zur Frage eines strukturellen Rechtsmissbrauchs im Freibeweisverfahren vorzunehmen haben wird, gegen ihn wenden kann.

Praxishinweis:

Die Luft für IDO wird immer "dünner". Erfreulich, dass ein weiteres OLG seine Aufgabe ernst nimmt und sich den systematischen Massenabmahnungen von IDO eingehend widmet und wohl durchaus gewillt zu sein scheint, diesen einen Riegel vorzuschieben. Auch das OLG Stuttgart scheint erkannt zu haben, dass es IDO nicht um die „Einhaltung des fairen Wettbewerbs“, sondern es IDO vielmehr um die Erzielung von Gebühren und hohen Vertragsstrafen geht.

Bekanntlich "lebt" IDO von Vertragsstrafen und überprüft nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, ob gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen wird. Stellt IDO nach Abgabe einer Unterlassungserklärung Verstöße fest, verlangt IDO stets eine Vertragsstrafe. Diese beziffert IDO - je nach Verstoß bzw. Anzahl der Verstöße - zwischen 3.000 EUR und 5.000 EUR und klagt diese auch ein.

Daher sollte gegenüber IDO – wenn überhaupt – nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden, wenn alle abgemahnten Punkte beseitigt wurden und zu 100% sichergestellt werden kann, dass die abgemahnten Fehler in Zukunft nicht mehr drohen. Gerade bei Preisangaben und Kennzeichnungsvorgaben ist dies nach unserer Erfahrung fast unmöglich. Wir raten unseren Mandanten mittlerweile, keine Unterlassungserklärung gegenüber IDO abzugeben.

Sollten auch Sie eine Abmahnung von IDO erhalten haben, stehe ich auch Ihnen gerne beratend zur Seite. Senden Sie uns gerne die Abmahnung zu. Wir melden uns dann und unterbreiten Ihnen ein faires Kostenangebot.