Dreidimensionale Marken stehen vor besonderen Hürden – das zeigt ein aktuelles Urteil des EuG. Die Anmeldung einer Formmarke für eine Reinigungskapsel scheiterte, weil sie nicht ausreichend von marktüblichen Gestaltungen abweicht. Was das für Produktdesigns und den Markenschutz bedeutet, lesen Sie hier.
Formmarken (3D-Marken) und ihre rechtlichen Grenzen
Die Eintragung von dreidimensionalen Marken, also solchen, die sich aus der Form eines Produkts oder dessen Verpackung zusammensetzen, ist nach Unionsrecht grundsätzlich möglich. Doch das Gericht der Europäischen Union (EuG) betont regelmäßig: Formmarken müssen erheblich von der Branchenüblichkeit abweichen, um unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. b der Unionsmarkenverordnung (EUTMR) zu sein.
Anders als Wort- oder Bildmarken sind Verbraucher nicht daran gewöhnt, die Form eines Produkts allein als Herkunftshinweis zu interpretieren. Deshalb gelten bei Formmarken strengere Maßstäbe. Nur solche Gestaltungen, die signifikant vom Gewohnten abweichen, können als Marke eingetragen werden.
EuG: Übliche Produktform nicht als 3D-Marke eintragungsfähig
Ausgangspunkt: Anmeldung der Form einer Reinigungskapsel als 3D-Marke
Die Antragstellerin (Reckitt Benckiser Finish BV) hatte eine dreidimensionale Unionsmarke angemeldet, die die äußere Form einer Reinigungskapsel darstellt. Die Gestaltung umfasste farbig segmentierte Flächen in Weiß, Blau und Rot sowie ein zentrales, auffällig platziertes rotes Kugel-Element. Die Marke sollte für verschiedene Produkte der Klasse 3 – insbesondere Spülmaschinenreiniger, Geschirrspülmittel, Klarspüler und Trocknungshilfen – eingetragen werden.
Das EUIPO wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass der Gestaltung die erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Auch die anschließende Beschwerde vor der Beschwerdekammer blieb erfolglos. Reckitt Benckiser legte daraufhin Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) ein – doch auch dort unterlag das Unternehmen.
Begründung des EuG: Reinigungskapsel in üblicher Gestaltungsform
Das Gericht bestätigte die Auffassung des EUIPO in allen Punkten. Die beantragte Formmarke sei nicht unterscheidungskräftig, da sie keine deutliche Abweichung von der branchenüblichen Produktgestaltung zeige.
„Only a trade mark which departs significantly from the norm or customs of the sector […] is not devoid of any distinctive character for the purposes of that provision.“
(EuG, Urteil vom 13.02.2025, T‑359/24, Rn. 14)
Die Form entspreche vielmehr der gängigen Gestaltungsweise von Reinigungskapseln, insbesondere durch die Aufteilung in funktionale Segmente und die Verwendung eines zentralen Farbakzents (roter Ball). Solche Gestaltungselemente würden vom Verkehr als bloße Präsentation von Wirkstoffkomponenten und nicht als Herkunftshinweis verstanden.
"The sign applied for would be perceived as a combination of presentational features […] with nothing unusual in its configuration […] or enable the relevant public to memorise it easily and instantly as a distinctive trade mark.”
(Rn. 17)
Die Klägerin hatte argumentiert, das rote Kugel-Element sei besonders auffällig und daher unterscheidungskräftig. Das EuG wies dies zurück:
„[…] the red ball was simply a part of the capsule and not a distinctive element, the colour or shape of which could confer distinctiveness on an otherwise non-distinctive product shape.”
(Rn. 16)
Auch der Hinweis auf andere eingetragene Marken mit ähnlichen Elementen half nicht – denn das Gericht stellte klar, dass jede Entscheidung einzelfallbezogen und nicht auf frühere Eintragungen gestützt wird:
„[…] the legality of the decisions of the Boards of Appeal must be assessed solely on the basis of [the Regulation], as interpreted by the EU judicature, and not on […] previous decision-making practice.”
(Rn. 23)
Praxisrelevanz: Was bedeutet das Urteil für Markenanmelder?
Das Urteil ist ein klassisches Beispiel für die strengen Maßstäbe bei 3D-Marken. Wer eine Produktform als Marke schützen will, muss nachweisen, dass diese Form deutlich vom Üblichen abweicht und vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird – nicht als rein funktionales oder dekoratives Element.
✅ Handlungsempfehlungen für Unternehmen:
1. Markenrechtliche Prüfung vor Designentscheidung:
Prüfen Sie bereits in der Produktentwicklung, ob die Gestaltung sich von marktüblichen Formen abhebt – insbesondere bei Alltagsprodukten.
2. Kein Schutz für funktionale Gestaltungselemente:
Elemente, die typische Wirkstoffaufteilung, Anwendungshinweise oder optische Differenzierung bezwecken (z. B. farbige Segmente), sind in der Regel nicht schutzfähig.
3. Vermeidung reiner Verpackungsschutzansprüche:
Ohne grafische oder verbale Zusätze (z. B. Logo, Name) sind 3D-Marken nur schwer durchsetzbar.
4. Strategie „Verkehrsdurchsetzung“ frühzeitig planen:
Wenn eine Gestaltung im Markt bekannt ist, kann Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben werden (Art. 7 Abs. 3 EUTMR) – dies setzt aber eine intensive Marktpräsenz und belastbare Nachweise voraus.
5. Alternative Schutzrechte prüfen:
Falls der Markenschutz scheitert, kann ggf. über Geschmacksmuster, Designrecht oder lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz argumentiert werden.
Fazit Keine Markeneintragung für gewöhnliche Produktformen
Das Urteil des EuG macht erneut deutlich, dass marktübliche Produktgestaltungen wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eintragbar sind. Nur wer mit einer außergewöhnlichen, vom Markt abweichenden Formensprache überzeugt, kann Schutz als dreidimensionale Unionsmarke beanspruchen. Funktionale oder dekorative Elemente allein reichen nicht aus.
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