Weitergeleitete Nacktbilder und Intimvideos: Was Jugendliche, Opfer & Eltern wissen sollten

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Der vermeintlich harmlose Klick zum Weiterleiten eines intimen Fotos oder Videos – oft verharmlosend als „Sexting“ bezeichnet – kann massive zivil-, straf- und schulrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Hinter der digitalen Leichtigkeit verbergen sich schwerwiegende Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und der Intimsphäre. Dieser Beitrag richtet sich an Eltern, die befürchten, ihr Kind könnte Täter oder Opfer geworden sein, sowie an Jugendliche, um die ernsten juristischen und vor allem finanziellen Risiken aufzuzeigen. 

Was ist "Sexting"?

Der Begriff „Sexting” setzt sich aus den Wörtern „Sex” und „Texting” (Nachrichten senden) zusammen. Er beschreibt das Versenden oder Empfangen von freizügigen, sexuell anzüglichen oder nackten Bildern bzw. Videos (sogenannte Nudes) über Messenger-Dienste (WhatsApp, Snapchat etc.) oder soziale Netzwerke.

Juristisch ist dies jedoch kein harmloser Trend: Die Weitergabe dieser Aufnahmen erfüllt den Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB und stellt eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Es drohen Abmahnungen sowie Ansprüche auf Erstattung der Abmahnkosten (Anwaltskosten des Opfers) und Zahlung einer Geldentschädigung (Schmerzensgeld) an das Opfer für die erlittene Bloßstellung.

1. Die zivilrechtliche Haftung: Ansprüche des Opfers 

Die unbefugte Weitergabe intimer Aufnahmen (Fotos, Videos) löst mehrere zivilrechtliche Ansprüche des Opfers gegen den Täter und dessen gesetzliche Veretreter aus

Anspruch

Beseitigung 

Unterlassung

Schadensersatz 

Geldentschädigung (Schmerzensgeld)

Gesetzliche Grundage

§ 1004 BGB analog i.V.m. Allgemeinen Persönlichkeitsrecht / § 22 KUG

§ 1004 BGB i.V.m. Allgemeinen Persönlichkeitsrecht / § 22 KUG

§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Allgemeinen Persönlichkeitsrecht / § 22 KUG

§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Allgemeinen Persönlichkeitsrecht  

Voraussetzung und Ziel

Ziel: Täter muss alle Veröffentlichtungen und gespeicherten Kopien umgehend löschen.

Voraussetzung: Bestehende Wiederholungsgefahr (wird vermutet).
Ziel: Rechtliche Beseitigung der Gefahr, dass die Inhalte erneut verbreitet wird.

Voraussetzung: Tatsächlicher Schaden und Deliktsfähigkeit des Täters.
Ziel: Ersatz aller materiellen Schäden (z.B. Anwaltskosten für die Abmahnung).

Voraussetzung: Schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts (Intimsphäre).
Ziel: Ausgleich für immaterielle Schäden und erlittene Bloßstellung.

Die zentrale Gefahr: Die strafbewehrte Unterlassungserklärung 

Rechtlich reicht es nicht aus, die beanstandeten Inhalte zu löschen. Die vermutete Wiederholungsgefahr wird nur beseitigt, wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

Was bedeudet das?

  1. Einziges Mittel: Die Abgabe dieser Erklärung ist das einzige rechtswirksame Mittel, um den Unterlassungsanspruch dauerhaft auszuräumen und eine gerichtliche Klage zu verhindern.
  2. Vertrasgsstrafen-Risiko: „Strafbewehrt“ bedeutet, dass sich der Täter (und bei Minderjährigen die Eltern) verpflichtet, im Falle eines erneuten Verstoßes eine Vertragsstrafe an das Opfer zu zahlen. 
  3. Fälligkeit: Die Vertragsstrafe ist kein Schadensersatz, sondern eine Pönale, die nunr und erst fällig wird, wenn gegen die Unterlasssungserklärung verstoßen wird. 
  4. Höhe: Die Höhe der Vertragsstrafe richtet sich nach Art und Schwere des Verstoßes und kann pro Fall mehrere tausend Euro betragen. 

2. Wer haftet für Schäden - Täter, Eltern oder beide?

Die Haftung des minderjährigen Täters (Ab 7 Jahren): Einsichtsfähigkeit maßgeblich

  • Kinder unter 7 Jahren: Nicht deliktsfähig, haften nicht für Schäden (§ 828 Abs. 1 BGB).
  • Jugendliche (7 bis 18 Jahre): Bei älteren Jugendlichen bejahen die Gerichte die Deliktsfähigkeit in Fällen der Weitergabe intimer Bilder, da ihnen die schwerwiegenden Konsequenzen einer solchen Bloßstellung in diesem Alter bewusst sind. Diese haften dann auch für Abmahnkosten und Entschädigung.

Urteile zur Haftung von Minderjährigen bei "Sexting" 

Jeder Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob und wem er intime Bilder oder Videos zeigt. Das gilt selbst dann, wenn man auf den Aufnahmen nicht eindeutig zu erkennen ist. Solche Inhalte gehören zum höchstpersönlichen Lebensbereich und dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung niemals weitergegeben werden, da sie für die Betroffenen erniedrigend und psychisch belastend sein können. 

Die Weitergabe von Fotos oder Videos mit intimen Inhalten gilt als schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person. Solche Verstöße können erhebliche rechtliche und finanzielle Folgen haben – auch für Jugendliche, wie die folgenden Urteile zeigen.

AG Charlottenburg: 1.000 Euro wegen Weitergabe intimer Fotos durch 13jährigen über WhatsApp 

In dem Fall hatte ein zum Tatzeitpunkt 13-jähriger Schüler intime Fotos seiner gleichaltrigen Ex-Freundin, die sie ihm während der Beziehung geschickt hatte, ohne ihre Zustimmung über WhatsApp an seinen Freundeskreis weitergeleitet. Das Gericht bejahte die deliktsrechtliche Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen und wertete die Weitergabe als schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Parteien einigten sich vor Gericht auf einen Vergleich, in dem der Schüler seiner Ex-Freundin 1.000 Euro Schmerzensgeld sowie die Anwaltskosten zahlen musste. Im Vergleich wurden ihm 500 Euro des zu zahlenden Schmerzensgeldes erlassen, unter der Bedingung, dass er die restlichen 500 Euro sowie die Anwaltskosten von 837 Euro fristgerecht aus eigenem Verdienst (zum Beispiel aus einem Ferienjob) bezahlt (AG Berlin-Charlottenburg, Urt. v. 15.01.2015 - Az.: 239 C 225/14).

LG Frankfurt a.M.; 1.000 Euro wegen Verbreitung intimer Fotos durch Schülerin über WhatsApp

In dem Fall hatte eine Mitschülerin ohne Einwilligung intime Bilder einer minderjährigen Klassenkameradin an zwei Mitschüler per WhatsApp gesendet. Das Gericht entschied, dass die unerlaubte Weitergabe von intimen Fotos über WhatsApp eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt und grundsätzlich zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führt. Trotz der Schwere des Eingriffs sprach das Gericht der Klägerin lediglich 1.000 Euro zu, da diese die Fotos selbst aufgenommen hatte, der Beklagten kein vorsätzliches Herunterladen von dem Smartphone der Klägerin nachgewiesen werden konnte und die Beklagte sich entschuldigt und eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.05.2014 - Az.: 2-03 O 189/13).

Fazit: Weder die Minderjährigkeit noch der Versuch, Opfer einzuschüchtern, schützen vor den juristischen Folgen. Selbst wenn die Täter unter 14 Jahre alt sind und somit strafrechtlich nicht belangt werden können, sind sie zivilrechtlich voll verantwortlich – das heißt, sie haften persönlich für Schmerzensgeld, Anwaltskosten und drohende Vertragsstrafen.

Die Haftung der Eltern: Aufsichtspflicht und Störerhaftung

  1. Haftung aus Aufsichtspflichtverletzung (§ 832 BGB): Eltern haften nur dann direkt für den Schaden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt haben. Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind die Anforderungen an die Belehrungspflicht der Eltern hoch.
  2. Störerhaftung (Unterzeichnung der Erklärung): Unabhängig von der Aufsichtspflicht haften die Eltern als Störer, da sie als gesetzliche Vertreter des minderjährigen Täters zur Beseitigung der Störung verpflichtet sind. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung muss daher von dem minderjährigen Täter und Eltern gemeinsam unterschrieben werden, da nur so die Wiederholungsgefahr rechtlich wirksam ausgeschlossen werden kann.

3. Schulische Konsequenzen: Ordnungsmaßnahmen drohen

Die Verbreitung intimer Aufnahmen im schulischen Kontext ist eine erhebliche Pflichtverletzung und kann zu drastischen Ordnungsmaßnahmen führen – bis hin zum Ausschluss von der Schule (geregelt im jeweiligen Landesschulgesetz).

Mögliche Ordnungsmaßnahmen sind:

  • Schriftlicher Verweis
  • Ausschluss vom Unterricht (temporär)
  • Versetzung in eine Parallelklasse oder an eine andere Schule
  • Ausschluss von der Schule (Entlassung) bei besonders schwerwiegenden Vergehen

4. Die strafrechtliche Dimension: Ab 14 Jahren drohen ernste Folgen

Die Weitergabe intimer Bilder kann strafrechtlich verfolgt werden: 

Alter

Unter 14 Jahre

14 bis 17 Jahre

 Strafrechtliche Relevanz

Nicht strafmündig (§ 19 StGB)

Strafmündig (Jugendstrafrecht)

 Konkrete Straftatbestände 

Keine Strafe, aber ggf. Jugendamt

§ 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs) § 184 ff. StGB (Verbreitung von Pornografie, ggf. Jugendpornografie)

Bei minderjährigen Tätern steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund (§ 1 JGG). Gerichte ordnen in der Regel Erziehungsmaßregeln (z. B. Sozialstunden) an.

Handlungsempfehlungen zum richtigen Umnag mit einer Abmahnung

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, ist es wichtig, rasch, aber besonnen zu reagieren. Das ungeprüfte Unterschreiben der beigefügten Unterlassungserklärung birgt das größte finanzielle Risiko.

Nicht vorschnell unterschreiben ✋: Vorgefertigte Unterlassungserklärungen sind häufig zu weitgehend formuliert und enthalten überhöhte Vertragsstrafen.
Unverzüglich anwaltlichen Rat einholen ⚖️: Wenden Sie sich schnellstmöglich an eine auf Medien- und Persönlichkeitsrecht spezialisierte Kanzlei.
Sofortiges Handeln 🚫: Löschen Sie sämtliche beanstandeten Inhalte und Kopien der betroffenen Dateien und unterlassen Sie jede weitere Verbreitung.

Haben Sie eine Abmahnung erhalten, oder drohen Ihrem Kind schulische Konsequenzen? Als erfahrene Anwältin im Medien- und Äußerungsrechts helfe ich Ihnen, die Situation rechtlich und emotional zu entschärfen und die Interessen Ihres Kindes wirksam zu schützen. Kontaktiere Sie mich zeitnah für eine Erstberatung.