DSGVO: Schadensersatz bei E-Mail-Werbung (Spam)?

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Bild von Sabine Kroschel auf Pixabay

Unverlangte Werbe-E-Mails (Spam) sind - ohne Frage - nicht nur nervig, sondern auch rechtlich unzulässig. Dem Betroffenen steht daher ein Unterlassungsanspruch zu. Aber einige von Spam Betroffene bleiben nicht bei der Unterlassungsforderung stehen, sondern verlangen auch Schadensersatz. Hin und wieder hat man den Eindruck, dass einige hieraus ein regelrechtes Geschäftsmodel entwickelt haben. Ob Spam einen Schadensersatzanspruch begründet, ist in der Rechtsprechung umstritten. Zahlreiche Gerichte verneinen dies; andere Gerichte bejahen einen Schadensersatzanspruch. Die zuerkannten Beträge vaiieren zwischen 25 EUR und 500 EUR. Da verwundert es nicht, dass diese Frage beim EuGH landete. Am 06.10.2022 hat sich der EuGH-Generalanwalt in einem EuGH-Vorlageverfahren dahingehend positioniert, dass bloßer Ärger und Frust über Spam keinen Schadensersatzanspruch begründet.

Werbung per E-Mail ohne Einwilligung = Verstoß gegen DSGVO

 Es sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, dass die Versendung von Werbung per E-Mail und auf sonstigem elektronischem Wege nur mit Einwilligung des Empfängers zulässig ist. Erfolgt die Zusendung von Werbung ohne Erlaubnis, liegt sowohl ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur mit Einwilligung oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zulässig. Gegen die unzulässige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten kann der Betroffene sich wehren.

Einigkeit bei Unterlassungsanspruch

Einig ist man sich, dass dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch zusteht. Dieser wird nach der Rechtsprechung nur durch Abgabe einer auf die Person des Betroffenen bezogene und überdies strafbewehrte Unterlassungserklärung erfüllt.

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sollte jedoch (auch bei klarem Verstoß) wohl überlegt sein. Ist nicht sichergestellt, dass es nicht zu weiteren Verstößen kommt, drohen Vertragsstrafen. Diese bewegen sich im vierstelligen Bereich. Daher kann es im Einzelfall wirtschaftlich sinnvoller sein, keine Unterlassungserklärung abzugeben. Dann droht zwar ein Unterlassungsklageverfahren, aber die damit verbundenen Kosten sind weitaus geringer als auch nur eine Vertragsstrafe.

Uneinigkeit bei Schadensersatzanspruch

Umstritten ist allerdings, ob Betroffenen wegen der Zusendung von Werbe-E-Mails Schadensersatz zusteht. Insoweit berufen sich die Betroffenen stets auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO besteht ein Anspruch auf Schadensersatz (jedoch) nur, wenn ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Bloßer Ärger oder Frust über die Zusendung von Werbe-E-Mails scheint danach keinen Schadensersatz auszulösen. 

Gerichte: ja und nein

Allerdings tendieren Teile in der Rechtsprechung dazu, dass grundsätzlich jeder DSGVO-Verstoß einen immateriellen Schaden begründet. Nach dieser Auffassung ist die Schwere des immateriellen Schadens für die Begründung des Anspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO irrelevant und wirkt sich lediglich auf die Schadenshöhe aus.

Andere Gerichte in Deutschland haben Schadensersatz wegen der Zusendung von Werbe-E-Mails verneint, da eine bloße Belästigung nicht genüge (z.B. AG Hamburg-Bergedorf, Urt. v. 7.12.2020, 410d C 197/20; AG Goslar Urt. v. 27.7.2019, 28 C 7/19; AG Diez, Urt. v. 7.11.2018, 8 C 130/18).

EuGH-Generalanwalt positioniert sich: Bloßer Ärger begründet keinen Schadensersatz

Der letzten Ansicht scheint auch der EuGH-Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 06.10.2022 (C‑300/21 UI gegen Österreichische Post AG) zu folgen, heißt es am Ende unter "Ergebnis" wie folgt:

"117. Nach alledem schlage ich vor, dem Obersten Gerichtshof (Österreich) wie folgt zu antworten:

 Art. 82 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist wie folgt auszulegen:

 Für die Anerkennung eines Anspruchs auf Ersatz des Schadens, den eine Person infolge eines Verstoßes gegen die genannte Verordnung erlitten hat, reicht die bloße Verletzung der Norm als solche nicht aus, wenn mit ihr keine entsprechenden materiellen oder immateriellen Schäden einhergehen.

Der in der Verordnung 2016/679 geregelte Ersatz immaterieller Schäden erstreckt sich nicht auf bloßen Ärger, zu dem die Verletzung ihrer Vorschriften bei der betroffenen Person geführt haben mag. Es ist Sache der nationalen Gerichte, herauszuarbeiten, wann das subjektive Unmutsgefühl aufgrund seiner Merkmale im Einzelfall als immaterieller Schaden angesehen werden kann."

In der Begründung (Vorlagefrage 3) führt er wie folgt aus:

"Zur Untermauerung meines Standpunkts weise ich darauf hin, dass die DSGVO nicht allein zur Wahrung des Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten dient und dass ihr System von Garantien verschiedenartige Mechanismen enthält.

110. In diesem Kontext ist die dem Gerichtshof unterbreitete Unterscheidung zwischen entschädigungsfähigen immateriellen Schäden und anderen, durch die Missachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns entstandenen Nachteilen, die aufgrund ihrer geringen Bedeutung nicht zwangsläufig zu einem Ausgleichsanspruch führen, relevant.

111. Eine solche Aufspaltung wird in nationalen Rechtsordnungen als unvermeidliche Folge des Lebens in einer Gesellschaft angesehen. Dem Gerichtshof ist dieser Unterschied, den er anerkennt, wenn er Störungen und Belästigungen in Bereichen, in denen sie seines Erachtens ausgeglichen werden müssen, als eine gegenüber Schäden eigenständige Kategorie bezeichnet, nicht fremd. Nichts hindert daran, dies auf die DSGVO zu übertragen.

112. Im Übrigen scheint mir der in Art. 82 Abs. 1 der DSGVO vorgesehene Anspruch auf Schadensersatz nicht das geeignete Instrument zu sein, um gegen Verstöße bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vorzugehen, wenn sie bei der betroffenen Person lediglich zu Zorn oder Ärger führen.

113. Im Allgemeinen wird jeder Verstoß gegen eine Norm über den Schutz personenbezogener Daten zu einer negativen Reaktion der betroffenen Person führen. Ein Schadensersatz, der sich aus einem bloßen Unmutsgefühl wegen der Nichtbeachtung des Rechts durch einen anderen ergibt, kommt dem von mir bereits abgelehnten Schadensersatz ohne Schaden recht nahe.

114. In praktischer Hinsicht wäre die Einbeziehung bloßen Ärgers in die ersatzfähigen immateriellen Schäden ineffizient, bedenkt man die charakteristischen Nachteile und Schwierigkeiten, die mit einer gerichtlichen Geltendmachung für den Kläger und mit der Verteidigung für den Beklagten verbunden sind.

115. Verneint man einen Schadensersatz für die schwachen und vorübergehenden Gefühle oder Emotionen im Zusammenhang mit Verstößen gegen Vorschriften über die Datenverarbeitung, wird die betroffene Person dadurch nicht völlig rechtlos gestellt. Wie ich im Rahmen der ersten Frage ausgeführt habe, bietet ihr das System der DSGVO andere Rechtsbehelfe."

In der Regel folgt der EuGH dem Generalanwalt. Das Geschäftsmodell "Schadensersatz wegen Werbe-E-Mails" scheint damit in akuter Gefahr zu sein. Die von Schadensersatzforderungen betroffenen Unternehmen werden ggf. bald aufatmen können. Allerdings sollten sie beachten, dass die Betroffenen auch Beschwerden bei der zuständigen Datenschutzbehörde einreichen können. Diese kann Bußgelder verhängen. Die Zusendung von Werbe-E-Mails sollte daher nur an Empfänger erfolgen, die hierin eingewilligt haben. Die aus wirtschaftlicher Sicht richtige Entscheidung muss jedes Unternehmen jedoch für sich treffen. Sie sollten jedoch um die Risiken vorher wissen.

Haben auch Sie eine Abmahnung wegen unerlaubter E-Mail-Werbung erhalten? Dann gilt es unter Beachtung der jeweiligen technischen Möglichkeiten genau zu überlegen, ob und wie darauf reagiert werden sollte.

Ich berate Mandanten bundesweit, wie man auf eine Abmahnung wegen Spam reagieren sollte. Dabei sind neben rechtlichen Gesichtspunkten stets auch die wirtschaftlichen Folgen zu beachten. Mandanten ist nicht geholfen, eine rechtlich saubere Lösung zu erhalten, wenn diese aus wirtschaftlicher Sicht ein Fiasko darstellt.

Liegt Ihnen bereits eine Klage oder Eilverfügung wegen unerlaubter Werbung vor, berate ich Sie, ob und wie Sie die Kosten so gering wie möglich halten und den Anfall weiterer Kosten vermeiden können. So gilt es z.B. nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung eine sog. Abschlusserklärung abzugeben, um weitere gegnerische Anwaltskosten zu vermeiden.

Falls Sie eine Beratung zur E-Mail-Werbung, zum Newsletter-Versand oder zu anderen Formen des Direktmarketings wünschen, stehe ich Ihnen auch insoweit gerne zur Verfügung.