10.000 EUR Entschädigung wegen Beleidigungen auf Social Media

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wie auch im „echten“ Leben, sind Beleidigungen auch im Internet verboten. Dennoch scheinen Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet immer weiter zuzunehmen. Die Hemmschwelle, im Internet jemanden zu beleidigen, ist bekanntlich sehr gering. In der Anonymität des Internets müssen Täter ihren Opfern nicht in die Augen sehen, und eine Rückmeldung für das eigene Verhalten bleibt zumindest zunächst aus. Aber immer mehr Betroffene wehren sich, so dass Beleidigungen im Internet nicht immer folgenlos bleiben. Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsrechtsverletzung steht Betroffenen nicht nur ein Unterlassungsanspruch zu, sondern auch ein Anspruch auf Entschädigung. So verurteilte das LG Düsseldorf eine Influencerin wegen Beleidigungen eines Mitarbeiters eines Bekleidungsgeschäfts im Internet zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10.000 EUR. Das „It-Girl“ hatte den Mitarbeiter mit Hasstiraden und einer Flut vielfältigster Schimpfwörter auf Snapchat und Instagram überzogen. Dafür musste die „Dame“ tief in die Tasche greifen.

Sachverhalt: „Hasstiraden“ und „Flut vielfältigster Schimpfworte“ auf Snapchat

Der Kläger war in der Filialleitung eines Bekleidungsgeschäfts tätig.

Die Beklagte (Influencerin, „It-Girl“, Moderatorin, Model, Modedesignerin und Sängerin“) unterhält verschiedene gewerbliche Social-Media-Accounts, u.a. auf Snapchat und Instagram mit über 628.000 Followern.

Die Beklagte besuchte mit einer Bekannten das Geschäft, in dem der Kläger tätig war. Dort entbrannte zwischen ihr und dem Kläger ein verbaler Konflikt, an dessen Ende der Kläger die Beklagte aufforderte, das Geschäft zu verlassen, die Beklagte wurde von einer Sicherheitsperson aus dem Geschäft begleitet.

Noch am selben Tag veröffentlichte die Beklagte auf Snapchat ein Video. Darin tätigte sie u.a. die folgenden Aussagen mit Bezug auf den Kläger:

„[…] von einem super unfreundlichen Mitarbeiter, der blond ist, so ein blonder Typ Mitte dreißig würde ich jetzt mal sagen, so ein kleiner, ungevögelter Wichser.“,
„Wenn irgendjemand – weil ich liebe Rache – wenn irgendjemand weiß, wer der blonde, ungefähr so Haare wie ich, so kurz, ich glaube gay, also ich würde sagen […] ein gay Typ der war so Mitte dreißig, etwas so kräftiger, kleiner, wenn irgendjemand den kennt, aus A, den vielleicht auch mit Namen kennt, seinen Instagram-Account kennt, […] sehr gerne seinen Instagram-Account an mich weiterleiten, den würde ich gern fertig machen.“,
„Arschloch“,
„ich wünsche mir, ich hätte diesem Typen ins Gesicht geschlagen“,
„wie ein Hurensohn benommen“,
„du bist für mich das größte Arschloch was auf der Welt überhaupt existiert“,
„solche Menschen wie dich würde ich am liebsten von der Brücke runterschubsen“,
„wenn du irgendwann mal Hilfe brauchst – ich trete in dein Arschloch rein“,
„du bist so ein richtiges Schwein“,
„was für ein kleiner Wichser“,
„sone richtige kleine Bitch“,
„sone richtige kleine behinderte […]“,
„ich wünsche dir das erdenklich Schlimmste auf der Welt“,
„den würde ich gern mal fertig machen“,
„gay“,
„den würde ich gerne mal aufs Übelste raten, diesen kleinen…rapen auch“.

Später veröffentlichte die Beklagte ein weiteres Video auf Snapchat, in dem sie den Kläger als „Wichser“, „Arschloch“ und „Bitch“ bezeichnete. In einem weiteren Video-Post sagte sie „ich hab so Rachelust“, „ich will, dass er seinen Job verliert“ und forderte ihre Follower zu Folgendem auf:

"Wenn ihr schlechte Laune habt, geht einfach zu M1 ins A, sucht den blonden Kerl und macht ihn fertig.“

Zudem veröffentlichte sie Screenshots von Zuschriften ihrer Follower, in denen diese den Kläger als „Arschloch“, „Huso“, „Wichser“ und „der kleine Hurensohn“ bezeichneten. An einem weiteren Tag veröffentlichte sie auf ihrem Snapchat-Account erneut eine Beschreibung des Klägers:

"Beschreibung des Typen nochmal: circa Mitte 30 – dunkelblonde Haare im typischen kurz Haar Männer schnitt. Mittel groß und bisschen Bauch – bzw nicht ganz schlank sondern gemütlicher Körper“.
Zudem veröffentlichte sie ein Video auf Instagram, in dem sie ihre Follower auf die bei Snapchat veröffentlichten Videos hinwies und den Kläger als "Arschloch" bezeichnete. Schließlich wurde auf der Webseite „X“ über diesen Konflikt berichtet, wo auch eine Umfrage erfolgte, an der fast 3.800 Personen teilnahmen.

Dieses Vorgehen hatte erhebliche psychische Auswirkungen auf den Kläger. So war er für eine gewisse Zeit arbeitsunfähig. Zudem kündigte er in der Folge seine Anstellung und strebte eine Arbeit mit weniger Kundenkontakt an.

Der Kläger wollte diese Beleidigungen jedoch nicht einfach hinnehmen und forderte die Beklagte auf, die Beleidigungen zu unterlassen, eine Unterlassungserklärung abzugeben und Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 EUR zu zahlen. Die Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch Zahlungen ab.

LG Düsseldorf: Entschädigung bei Hasstiraden und üblen Beleidigungen

Daher verklagte der Kläger die Beklagte vor dem Landgericht Düsseldorf auf Zahlung einer Entschädigung von 12.000 EUR und Erstattung von Abmahnkosen.

Formalbeleidigungen durch Flut von Schimpfwörtern

Das LG Düsseldorf stellte zunächst fest, dass der Kläger durch die streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde:

"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt im Rahmen der Sozialsphäre die soziale Anerkennung des Einzelnen, insbesondere auch gegen Äußerungen, die sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auswirken können (…). Bei den streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten handelt es sich angesichts der verwendeten Schimpfwörter um Formalbeleidigungen, deren einziger Zweck in der Versagung des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers liegt. Ob das Wort „gay“ entsprechend dem Vorbringen der Beklagten nicht als Diskriminierung wegen der etwaigen sexuellen Orientierung, sondern lediglich als wertfreies deskriptives Merkmal zur Identifizierung des Klägers gemeint war, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Ehre des Klägers durch die regelrechte Flut an Schimpfworten tangiert.“

Kläger auch ohne Namensnennung identifzierbar

Dass die Beklagte den Kläger nicht namentlich nannte, steht – so das Gericht - der Betroffenheit des Klägers nicht entgegen:

"Der Beeinträchtigung der sozialen Anerkennung des Klägers steht auch nicht entgegen, dass er in den streitgegenständlichen Äußerungen nicht namentlich genannt wird. Die Verletzung der Ehre einer Person durch eine Äußerung setzt voraus, dass die gemeinte Person für den Adressaten oder einen Teil des Adressatenkreises aufgrund der Umstände hinreichend identifizierbar ist (…). Der Kläger war vorliegend anhand der Beschreibung der Beklagten jedenfalls für einen Teil der Follower identifizierbar. Die Beklagte beschrieb den Kläger in dem Video vom (…) äußerlich. Diese Beschreibung war detailliert und umfasste das Alter, die Haarfarbe, den Haarschnitt, die Statur und die behauptete sexuelle Orientierung des Klägers. Die Beklagte wiederholte die Beschreibung erneut in dem Video vom (…) in der Absicht, seine Identifizierung zu ermöglichen. Darüber hinaus benannte sie das Geschäft, in dem der Kläger gearbeitet hat. In dem Video-Post vom (…) wies sie auch darauf hin, dass es ich um das Geschäft am „M1“ (M1) handelt. Damit stand auch die damalige Arbeitsstätte des Klägers unverwechselbar fest. Diese Kombination von Umständen ermöglicht eine hinreichende Eingrenzung und Identifizierung des Klägers.“

Massive Beleidigungen schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung

Das Gericht bejahte auch die für eine Entschädigungszahlung erforderliche besondere Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung:

"Die streitgegenständlichen Äußerungen stellen eine vorsätzliche, schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. (…). Die in erheblichem Maße herabsetzenden Äußerungen enthalten auch gewalttätige und bedrohliche Elemente. Sie wurden mit Prangerwirkung im Internet getätigt und waren für mehr als 628.000 Follower der Beklagten wahrnehmbar. Die Äußerungen wurden ferner von anderen Medien aufgegriffen, sodass eine Vervielfachung des Adressatenkreises und eine Perpetuierung der Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Der Kläger wurde zwar nicht namentlich genannt. Dennoch war er durch die genaue Beschreibung seines Erscheinungsbildes und der Angabe seiner Arbeitsstätte jedenfalls für einen Teil der Follower identifizierbar. Die Äußerungen der Beklagten bewegten den Kläger auch dazu, einen anderen Beruf mit weniger Kundenkontakt anzustreben, sodass sie auch ein weiteres Grundrecht des Klägers, in Gestalt der Berufsfreiheit tangieren. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung steht in keinem Verhältnis zu ihrem Anlass in Gestalt einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Kläger während eines Einkaufs. Selbst unter Zugrundelegung des Beklagtenvorbringens als wahr handelte der Kläger allenfalls unhöflich gegenüber der Beklagten, ohne sie jedoch in vergleichbarer Weise öffentlich herabzuwürdigen. Überdies wurde das Verhalten des Klägers nur von den anwesenden Kunden in dem Geschäft wahrgenommen, wohingegen die Äußerungen der Beklagten von einem sechsstelligen Adressatenkreis im ganzen Bundesgebiet wahrgenommen werden konnten.“

Keine andere Kompensation - Entschädigung notwendig

Zudem sei eine Geldentschädigung auch notwendig, da die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden. Insoweit verwies das Gericht auch auf die Vervielfältigung der Beleidigungen auf anderen Webseiten:

„Die von der Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung kann die weitere Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Äußerungen im Internet nicht zuverlässig verhindern (…). Auch wenn die Beklagte die Video-Posts löscht, ist nicht auszuschließen, dass die Äußerungen dennoch abrufbar sind. Die Rechtsverletzung hat sich bereits durch einen Artikel auf der Webseite „Q“ perpetuiert. Eine Löschung bzw. Unterlassung weiterer Äußerungen bewirkt keine Löschung dieser Beiträge Dritter. Aufgrund dieser Vervielfältigung der ehrverletzenden Inhalte stellt die strafbewehrte Unterlassungserklärung keinen befriedigenden Ausgleich dar. Ein Widerruf kommt bei Werturteilen nicht in Betracht. Ferner würde die Aufmerksamkeit der Follower dadurch erneut auf die Rufschädigung und Ehrverletzung des Klägers gelenkt (…). Aufgrund der Tatsache, dass das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit längst herabgemindert worden ist, ist eine Entschuldigung zum jetzigen Zeitpunkt nicht geeignet, die bereits ergangene Beeinträchtigung in vollem Umfang auszugleichen.“

Geldentschädigung von 10.000 EUR angemessen und erforderlich

Bei der Bezifferung der Höhe der Entschädigung stellte das Gericht auf das schwere Verschulden der Beklagten, auf die unkontrollierbare Verbreitung im Internet, ihre große Reichweite und darauf ab, dass die Beklagte durch öffentliche Austragung ihres Konflikts mit dem Kläger eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen habe, die sie als Influencerin für ihren gewerblichen Zwecke nutzen könne:

„Die Höhe der Geldentschädigung ist von der Intensität und den Umständen der Persönlichkeitsrechtsverletzung abhängig. Es ist zu schätzen, welcher Betrag erforderlich ist um dem Betroffenen Genugtuung für das erlittene Unrecht zu verschaffen (Genugtuungsfunktion) und um den Verletzer von weiteren Verstößen abzuhalten (Präventivfunktion) (…). Einer Darlegung physischer oder psychischer Schmerzen seitens des Klägers bedarf es nicht. (…)
Um der Genugtuungsfunktion zu entsprechen, bedarf es einer Gewinnabschöpfung bei der Beklagten. Durch die Äußerungen hat die Beklagte eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auch wenn sie die Äußerungen im Rahmen ihres Wirkens als Privatperson und nicht primär zu Werbezwecken getätigt hat, hat sie auch in beruflicher Hinsicht von den Äußerungen profitiert. Die erhöhte mediale Aufmerksamkeit bewirkt zwangsläufig eine Steigerung ihres Werts als Werbemedium.

Im Rahmen der Genugtuungsfunktion ist ebenfalls das schwere Verschulden der Beklagten zu berücksichtigen. Sie handelte vorsätzlich. Ausweislich der fortgesetzten und hartnäckigen Beleidigungen kam es ihr gerade auf eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers an.

Zudem ist bei der Höhe des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass die Äußerungen angesichts ihres stark beleidigenden Charakters, aufgrund der raschen Verbreitung in den Medien und aufgrund der durch die Prominenz der Beklagten bedingten Breitenwirkung eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Zwar wurden die Videos auf Snapchat nach 24 Stunden automatisch gelöscht. Dennoch hielt die Rechtsverletzung länger an, da die Beklagte mehrere Videos nacheinander veröffentlicht hat, wobei jedes Video 24 Stunden abrufbar war. Außerdem hat sie bei Instagram auf die Videos hingewiesen und damit die Wahrnehmbarkeit der Äußerungen in dem Zeitraum vor der Löschung erhöht. Dabei ist die faktische Reichweite der Beklagten unerheblich, da es bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung im Fall von Rechtsverletzungen auf einer Internetplattform nicht auf die Anzahl der konkreten Seitenaufrufe ankommt (…). Vielmehr bemisst sich die Höhe an der Anzahl der Nutzer des Portals zum Verletzungszeitpunkt (…), sodass für die Bemessung vorliegend auf die Follower-Anzahl der Beklagten von über 628.000 abzustellen ist."

„Mindernd“ sei jedoch die Schnelllebigkeit zu berücksichtigen. Daher sprach das Gericht nicht die beantragten 12.000 EUR, sondern "nur" 10.000 EUR zu:

"Es ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass es sich bei den sozialen Medien um ein schnelllebiges Phänomen handelt. In Zeiten einer regelrechten Überflutung mit neuen Informationen ist davon auszugehen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers rasch nachlassen wird. Dies gilt umso mehr, da der Kläger nicht namentlich genannt wurde.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis zu vergleichbaren Sachverhalten hält das Gericht eine Entschädigung in Höhe von 10.000 EUR für angemessen.“

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2019, O 168/18

Praxishinweis

Das Urteil des Landgericht Düsseldorf belegt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und Beleidigungen nicht ohne Folgen bleiben. Beleidigungen und andere rechtswidrige Äußerungen können und sollten verfolgt und nötigenfalls erfolgreich vor Gericht durchgesetzt werden. Hier steht Betroffenen eine breite Palette von Ansprüchen zur Verfügung. Regelmäßig werden z. B. Ansprüche auf Unterlassung und Kostenersatz geltend gemacht. In schwerwiegenden Fällen steht den Betroffenen auch ein Anspruch auf Entschädigung in Geld zu.

Sind auch Sie von Beleidigungen, Hasskommentaren oder sonstigen ehrverletzenden Äußerungen betroffen? Wurde Ihr Bildnis ohne Ihre Erlaubnis genutzt?
Ich vertrete auch Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche als Betroffene/Betroffene.
Rechtsanwältin Denise Himburg – Ihre Anwältin für Medienrecht mit mehr als 20 Jahren Praxiserfahrung im Medien- und Presserecht