3.000 EUR Entschädigung wegen Beleidigung im Internet

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Beleidigungen sind im Internet mittlerweile fast an der Tagesordnung bzw. „üblich“. Die Hemmschwelle, im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken jemanden zu beleidigen, ist bekanntlich sehr gering. Jeder postet, was ihm "gerade in den Sinn" kommt. In der Anonymität des Internets müssen Täter ihren Opfern nicht in die Augen sehen, und eine Rückmeldung für das eigene Verhalten bleibt (zumindest zunächst) aus. Aber Beleidigungen im Internet sind nicht nur schnell erkannt, sondern können auch erhebliche finanzielle Folgen für den Täter nach sich ziehen. So sprach das Landgericht Hamburg einem Rechtsanwalt 3.000 EUR Entschädigung zu, der in einem Facebook Posting u.a. als "Schwein", „Arschloch“ und „überflüssiger Mensch“ bezeichnete wurde. Zwar seien im Meinungskampf auch überspitzte Formulierungen zulässig. Die Grenze bildet aber auch im Internet die Beleidigung.

Sachverhalt: Bezeichnung mit „Schwein“ und „Arschloch“ auf Facebook

Der Kläger ist Jäger und Rechtsanwalt und war in einem Strafverfahren als Verteidiger mandatiert, das die Tötung eines Wolfes zum Gegenstand hatte. Im Zusammenhang mit diesem Strafverfahren veröffentlichte der Kläger, der auch als Autor in jagdlichen Magazinen tätig ist, am 30.01.2019 einen Gastbeitrag auf FOCUS Online. Dieser Beitrag war bereits zuvor in der Deutschen Jagdzeitung, Heft 1/2019 veröffentlicht worden. In dem Beitrag äußerte sich der Kläger u.a. wie folgt:

„Als ich jünger war, schickten mir ab und an Freunde irgendwelche verwackelten Videos zu, welche mich „erregten“. Am liebsten waren mir die skandinavischen Clips – da ging es deutlich härter zur Sache. Und im Gegensatz zum ohnehin raren deutschen Filmangebot gab’s da am Ende meistens ein krachendes Finale. Mittlerweile bin ich ziemlich abgestumpft, und angesichts der Fülle des auch hierzulande verfügbaren Materials, bringt kaum noch etwas mein Blut in Wallung. Worum es geht? Wolfsvideos – was sonst?“
„„Meinetwegen soll der Grauhund zur Hölle fahren!“ Darf ich das sagen? Ja, darf ich! Mein Beruf nimmt mir nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung, und es ist vollkommen egal, ob mir PETA oder völlig verwirrte Wolfsschmuser die Pest an den Hals wünschen.“
„Nein – immer wenn ich irgendwo lese, dass einer der Grauen auf der Autobahn zu Brei gefahren wurde, huscht ein Lächeln über mein Gesicht.“
„Insofern gilt das „Erbtantenprinzip“ – tief graben und ewig schweigen.“

Dieser Beitrag wurde auch in der öffentlichen Facebook-Gruppe „Schützt die Wölfe“ geteilt, in der der Beklagte Mitglied ist. Im Rahmen der folgenden Diskussion äußerte sich auch der Beklagte mehrfach auf Facebook zu obigem Beitrag des Klägers, wobei dies zum Teil innerhalb der Gruppe „Schützt die Wölfe“, zum Teil auf seinem eigenen Profil geschah.

Der Beklagte äußerte sich in diesem Zusammenhang u.a. wie folgt über den Kläger (und seinen Mandanten):

„Der selbstgerechte vor Eitelkeit und Überheblichkeit strotzende Rechtsanwalt des Wolfskillers von Brandenburg Herr Dr. G. aus HH hat seinen ersten sehr schweren Fehler gemacht. […]“
„Ich habe oben einen gesonderten Thread eröffnet. Bitte teilt den auch, damit jeder weiß, was für ein Schwein das ist! Danke!“
„[…] solche überflüssigen Menschen wie B. und sein RA Dr. G. .“
„[…] Ich möchte gerne die 2 Ar…lö…er selbst und laibhaftig sehen – ach 3 sind es ja mindesten, Wolfskiller, Jagdleiter und Anwalt.“
„Teilt das bitte weiträumig, damit die wissen, dass wir jeden finden!“

Dieser Beitrag wurde über 3.000 Mal geteilt und knapp 900 Mal kommentiert. Die Beiträge des Beklagten wurden irgendwann gelöscht; allerdings nicht durch den Beklagten.

Der Kläger sah sich durch die Beiträge des Beklagten in seiner Ehre verletzt. Diese hätten sich auch nachteilig auf seine Lebensgefährtin ausgewirkt. Zudem habe der Beklagte durch seine Beiträge eine Vielzahl weiterer Kommentare ausgelöst, die zu einer regelrechten „Jagd“ auf den Kläger und seinen Mandanten geführt hätten. Hierdurch sei der Kläger auch beruflich beeinträchtigt worden. Schließlich habe sich der Beklagte nicht von seinen Äußerungen distanziert oder für diese entschuldigt, so dass die Beleidigungen entsprechend tief säßen.

Der Kläger verlangte daher von dem Beklagten wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung von mindestens 1.500 EUR.

AG Hamburg: 500 EUR Entschädigung ausreichend

Das AG Hamburg (wohl Wolfsreund) sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 500 EUR zu. Ein höherer Betrag sei nicht angemessen, da der Beklagte nachvollziehbar dargelegt habe, dass er sich von dem Gastbeitrag des Klägers auf FOCUS Online bzw. in der Deutschen Jagdzeitung „provoziert“ gefühlt und aus diesem Grund entsprechend emotional reagiert habe.

Der Kläger war mit dieser symbolischen Entschädigung nicht einverstanden und legte Berufung. Mit Erfolg: Das LG Hamburg sprach ihm eine Entschädigung von 3.000 EUR zu.

Zwar würden nicht alle Äußerungen des Beklagte eine Geldentschädigung rechtfertigen, denn im Meinungskampf seien auch pointierte und überspitze Meinungen hinzunehmen. Da der Kläger sich öffentlich äußerte, muss er auch mehr hinnehmen als eine Person, die nicht freiwillig in das Licht der Öffentlichkeit trat.

Bezeichnung als „Schwein“ begründet Geldentschädigung

Die Bezeichnung des Klägers als „Schwein“ überschreite jedoch die Schwelle zur schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung:

"Dies dient der Herabwürdigung des Klägers, da seine Person einem Tier gleichgesetzt wird. Dieses Tier („Schwein“) wird auch üblicherweise gebraucht, um deutlich zu machen, dass jemand verabscheuungswürdig ist. Der Beklagte greift mit dieser Äußerung auch die Person des Klägers und nicht nur etwa dessen Handlungen an, um diese beispielsweise als „Schweinerei“ darzustellen. Mit der Bezeichnung als „Schwein“ ist auch – eventuell neben seinen Mandanten – für den Rezipienten der Kläger gemeint. Denn nachfolgend schreibt ironisch ein Nutzer, wie entwürdigend der Beklagte über Schweine rede, worauf dieser antwortet, Schweine habe er nicht gemeint, aber solch überflüssigen Menschen wie u.a. den Kläger.“

Bezeichnung als „überflüssiger Mensch“ begründet Geldentschädigung

Auch die Bezeichnung als „überflüssiger Mensch“ begründe eine Geldentschädigung:

„Dem Kläger wird damit letztlich die Berechtigung, zu leben, abgesprochen.“

Bezeichnung als „Arschloch“ begründet Geldentschädigung

Auch die Bezeichnung des Klägers als „Arschloch“ begründe eine Geldentschädigung:

"Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Bezeichnung des Klägers (…) als Arschloch zu einer Geldentschädigung führt, auch wenn das Wort nicht ausgeschrieben wurde. Dies hätte indes lediglich eine noch höhere Geldentschädigung zufolge. Fernliegend ist der Einwand des Beklagten, er habe das Wort explizit nicht ausgeschrieben, da er keine Straftat habe begehen wollen, dass der Kläger sich kein anderes Wort als „Arschloch“ vorstellen könne, sei nicht zwingend. Es bedarf keinerlei Kreativität und Phantasie, die fehlenden Buchstaben zu dem Wort „Arschloch“ zu ergänzen.“

Verweigerung Unterlassungserklärung bei Entschädigungshöhe zu berücksichtigen

Zu Lasten des Beklagten sei auch zu beachten, dass der Kläger seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich erstreiten musste und er die Kanzleiadresse des Klägers in einer vom Beklagten angeheizten Situation publik machte. Dies sei eine für den Kläger besonders unangenehme Situation gewesen, da er nicht sicher ausschließen konnte, dass möglicherweise gewaltbereite Dritte ihn oder seine Kollegen bzw. seine Mitarbeiter in der Kanzlei aufsuchen werden.

Erheblicher Verbreitungsumfang bei Höhe zu berücksichtigen

Schließlich sei auch der nicht unerhebliche Verbreitungsumfang bei der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Die Beiträge wurden über 3.000 Mal geteilt.

Die Entschädigung hätte sogar noch über 3.000 EUR ausfallen können. An einer noch höheren Verurteilung sah sich das Gericht jedoch aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten gehindert.

LG Hamburg, Urteil vom 17.04.2020 - 324 S 3/19

Praxishinweis

Das Urteil des Landgericht Hamburg belegt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und Beleidigungen nicht ohne Folgen bleiben. Beleidigungen und andere rechtswidrige Äußerungen können verfolgt und nötigenfalls erfolgreich vor Gericht durchgesetzt werden. Hier steht Betroffenen eine breite Palette von Ansprüchen zur Verfügung. Regelmäßig werden Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten geltend gemacht. In schwerwiegenden Fällen steht den Betroffenen jedoch auch ein Anspruch auf Entschädigung in Geld zu.

Sind auch Sie von Beleidigungen, Hasskommentaren oder sonstigen ehrverletzenden Äußerungen betroffen? Wurde Ihr Bildnis ohne Ihre Erlaubnis genutzt?
Ich vertrete auch Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche als Betroffene/Betroffene.
Rechtsanwältin Denise Himburg – Ihre Anwältin für Medienrecht mit mehr als 20 Jahren Praxiserfahrung im Medien- und Presserecht