Produktbilder sind ein zentraler Bestandteil des Online-Handels, da sie die Kaufentscheidung der Kunden maßgeblich beeinflussen. In Deutschland genießen Produktbilder urheberrechtlichen Schutz, entweder als Lichtbildwerke oder als Lichtbilder. Die Verwendung fremder Produktbilder in eigenen Angeboten erfordert daher eine Erlaubnis des Rechteinhabers, um Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 5.12.2024 jedoch klargestellt: Die bloße Abrufbarkeit von Produktbildern über die Google-Bildersuche in Deutschland reicht nicht aus, um eine Verletzung des deutschen Urheberrechts anzunehmen.
Deutsches Urheberrecht im internationalen Kontext
Das deutsche Urheberrecht beruht auf dem Territorialitätsprinzip. Das Territorialitätsprinzip besagt, dass das Urheberrecht eines Staates nur auf seinem Staatsgebiet gilt und sich nicht automatisch auf andere Staaten erstreckt. Das heißt: Das deutsche Urheberrecht gilt nur innerhalb Deutschlands.
Bei der Prüfung, ob die Verwendung von Produktbildern auf Webseiten oder Plattformen im Internet gegen deutsches Urheberrecht verstößt, sind drei Fragen zu unterscheiden:
Wann sind deutsche Gerichte zuständig?
Deutsche Gerichte sind zuständig, wenn die Website in Deutschland abrufbar ist. Die bloße Abrufbarkeit im Inland reicht aus, unabhängig davon, ob die Website gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet ist (§ 32 ZPO, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO).
Wann ist deutsches Urheberrecht anwendbar?
Deutsches Urheberrecht ist anwendbar, wenn der Kläger eine Verletzung deutschen Urheberrechts geltend macht, sich also auf Normen des Urheberrechtsgesetzes beruft (Schutzlandprinzip i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO).
Wann ist deutsches Urheberrecht verletzt?
Vorweg: Die bloße Abrufbarkeit einer Website aus Deutschland reicht nicht aus. Die Website muss gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet sein (sog. Inlandsbezug).
Der konkrete BGH-Fall: Sachverhalt und Verfahrensgang
Ein deutsches Bekleidungsunternehmen ließ professionelle Produktfotos seiner Kollektionen anfertigen. 318 dieser Produktbilder erschienen ohne Zustimmung des Unternehmens auf zwei ausländischen Websites, die unter kasachischen (.ru) und ukrainischen (.com.ua) Top-Level-Domains betrieben wurden. Über die Google-Bildersuche waren diese Bilder auch in Deutschland auffindbar.
Das Unternehmen sah darin eine Verletzung seiner Rechte nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz und mahnte die Betreiberin der Webseiten zunächst ab. Da diese die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgab, erhob die Klägerin Unterlassungsklage vor dem Landgericht Hamburg.
Die Klägerin machte geltend, dass die Anzeige ihrer Produktfotos in der Google-Bildersuche ihre Nutzungsrechte verletze. Die Beklagte sei hierfür verantwortlich, da die Fotos erst durch die Veröffentlichung auf den Websites https://o -trade.kz und https://o -shop.com.ua vom Google-Bildercrawler gefunden und indexiert werden konnten. Der Crawler fertigt einen Screenshot der Angebotsseite an, wodurch die Fotos in die Google-Bildersuche gelangen. Die Beklagte sei daher für die Veröffentlichung der Fotos auch über die Google-Bildersuche verantwortlich.
Die Vorinstanzen (LG Hamburg, Urteil v. 16.09.2022, 310 O 443/20 und OLG Hamburg, Urteil v. 07.03.2024, 5 U 101/22) wiesen die Klage jedoch ab, da es an einem hinreichenden Inlandsbezug fehle (mehr Informationen hier). Der Fall landete schließlich vor dem BGH.
BGH: Kein Inlandsbezug - kein deutsches Urheberrecht verletzt
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und stellte klar, dass für eine Verletzung deutschen Urheberrechts ein hinreichender Inlandsbezug zu Deutschland erforderlich ist. Dies bedeutet, dass die beanstandete Handlung (hier: die Verwendung der Produktbilder) auf den deutschen Markt ausgerichtet sein muss.
Die Grundsätze des BGH zum Inlandsbezug im Markenrecht
Der BGH hat seiner Entscheidung Grundsätze zugrunde gelegt, die er bereits im Kennzeichenrecht entwickelt hat (BGH, Urteil vom 07.11.2019, I ZR 222/17 - Club Hotel Robinson). Im Kennzeichenrecht ist anerkannt, dass eine Benutzungshandlung im Ausland nicht automatisch zu einer Rechtsverletzung in Deutschland führt. Entscheidend ist vielmehr, ob eine gezielte Ausrichtung auf den deutschen Markt vorliegt. Insofern sind folgende Punkte bei der Prüfung zu beachten:
- Wirtschaftliche Relevanz: Die Handlung muss einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweisen ("kommerzielle Wirkung").
- Keine unvermeidbare Begleiterscheinung: Die Rechtsverletzung darf sich nicht als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Gegebenheiten darstellen, auf die der in Anspruch Genommene keinen Einfluss hat.
- Gesamtabwägung: Erforderlich ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls.
Grundsätze des Inlandsbezugs gelten auch im Urheberrecht
Der BGH hat entschieden, dass dieser Maßstab auch für das Urheberrecht gilt: Auch eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung muss sich demnach gezielt an Nutzer aus Deutschland richten, um eine Urheberrechtsverletzung nach deutschem Recht zu begründen.
Eine gezielte Ausrichtung auf den deutschen Markt im Urheberrecht kann sich aus mehreren Faktoren ergeben, die in einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind. Indizien hierfür sind:
👉 Deutsche Sprache und Inhalte: Bietet eine Website oder ein Online-Shop gezielt deutsche Produktbeschreibungen, AGB oder Kundenservice in deutscher Sprache an, kann dies auf eine Ausrichtung auf deutsche Nutzerinnen und Nutzer hindeuten.
👉 Versand und Zahlungsarten: Bietet ein ausländischer Anbieter Versand nach Deutschland oder gängige deutsche Zahlungsmethoden (z.B. SEPA-Lastschrift, Klarna, Kauf auf Rechnung) an, spricht dies für eine gezielte Ansprache deutscher Kunden.
👉 Gezielte Werbung: Werden Werbeanzeigen gezielt in Deutschland geschaltet (z.B. über Google Ads oder Social Media, die sich an deutschsprachige Nutzer richten), ist dies ein starkes Indiz für eine Marktorientierung.
👉 Domain-Wahl: Eine .de-Domain oder deutsche Kontaktadressen auf der Website deuten auf eine gezielte Ausrichtung auf den deutschen Markt hin.
👉 Rechtliche Hinweise und Kundenservice: Eine Website, die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf deutsches Recht verweist oder einen deutschen Kundenservice anbietet, kann ebenfalls als auf den deutschen Markt ausgerichtet angesehen werden.
📌 Die bloße Abrufbarkeit von Produktbildern in Deutschland reicht dagegen nicht aus, um eine gezielte Marktausrichtung zu bejahen.
Warum im konkreten Fall des BGH kein Inlandsbezug vorlag
Der BGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen, dass im konkreten Fall kein ausreichender Inlandsbezug vorlag. Ingesamt ergäge die Gesamtabwägung, dass die Webseiten nicht erkennbar auf den deutschen Markt ausgerichtet waren. Der BGH verneinte einen ausreichenden Inlandsbezug aus mehreren Gründen:
👎 Top-Level-Domains und Sprache: Die Webseiten hatten kasachische und ukrainische Top-Level-Domains und waren überwiegend in kyrillischer Schrift verfasst. Dies deutete darauf hin, dass sie sich an Nutzer in Kasachstan und der Ukraine richteten und nicht an ein deutsches Publikum.
👎 Kontakt- und Vertragsinformationen: Die angegebenen Kontaktmöglichkeiten (Telefon und E-Mail) sowie die Vertragsbedingungen wiesen keinen Bezug zu Deutschland auf. Auch die Verwendung der kasachischen und ukrainischen Währung unterstützte die Ausrichtung auf diese Länder.
👎 Kein Vertrieb nach Deutschland: Es gab keine Hinweise darauf, dass die Webseiten gezielt Bestellungen aus Deutschland ermöglichen oder Lieferungen nach Deutschland anbieten. Ein Testkauf betraf ausschließlich eine Lieferung nach Kasachstan.
👎 Kaum deutsche Nutzer: Die Webseiten richteten sich nur an einen minimalen Teil der deutschen Bevölkerung, etwa an Personen mit familiären Verbindungen nach Kasachstan oder in die Ukraine. Die meisten deutschen Nutzer würden eher die deutsche Website des Unternehmens nutzen.
👎 Sprachfetzen ohne Bedeutung: Deutsche Sprachfetzen wie Fehlermeldungen oder Artikelbeschreibungen waren technischer Natur und stellten keinen relevanten Inlandsbezug her.
👎 Keine IP-Sperre: Auch das Fehlen von Maßnahmen zur Beschränkung des Zugriffs aus Deutschland führte zu keinem anderen Ergebnis, da die Auswirkungen auf deutsche Interessen als gering eingestuft wurden.
💡 Vereinfacht ausgedrückt: Nicht jede Nutzung von Produktbildern, die in Deutschland abrufbar sind, stellt eine Urheberrechtsverletzung dar. Es kommt darauf an, ob die Handlung gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.12.2024, Az. I ZR 50/24 - Produktfotografien
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Was bedeutet die Entscheidung für Urheber und Unternehmen?
Das Urteil sorgt für mehr Rechtssicherheit im digitalen Raum und zeigt, dass nicht jede Online-Nutzung von Produktbildern automatisch eine Urheberrechtsverletzung nach deutschem Recht darstellt.
Für Urheber bedeutet das Urteil:
📌 Die bloße Abrufbarkeit von Bildern im Internet aus Deutschland genügt nicht, um Ansprüche nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz geltend zu machen.
📌 Die Verletzung deutschen Urheberrechts setzt einen Inlandsbezug voraus. Ob ein Inlandsbezug besteht, ist anhand einer Gesamtabwägung zu entscheiden.
📌 Ist eine Website primär für ein anderes Land bestimmt, ist deutsches Urheberrecht nicht verletzt.
Für Unternehmen, die Bilder verwenden:
📌 Technische Sperren sind nicht zwingend erforderlich, um eine Urheberrechtsverletzung nach deutschem Recht zu vermeiden.
📌 Die Verwendung deutscher Begriffe oder der Hinweis auf Deutschland in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt nicht automatisch zur Anwendbarkeit deutschen Rechts.