Unwirksame Kündigung eines Pkw-Händlervertrages wegen Zielverfehlung

Fortsetzung eines gekündigten Pkw-Händlervertrages wegen Existenzgefährdung

Das OLG Frankfurt a.M. hat auf Antrag eines Pkw-Vertragshändlers in einem Eilverfahren beschlossen, dass der fristlos gekündigte Pkw-Händlervertrag wegen Existenzgefährdung des Vertragshändlers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung fortzusetzen ist.

Sachverhalt: fristlose Kündigung eines Pkw-Händlervertrages wegen geringer Verkaufszahlen

Zwischen den Parteien bestand ein Pkw-Händlervertrag. Die Antragsgegnerin hatte diesen gegeüber dem Händler fristlos wegen unzureichender Verkaufsleistungen des Händlers gekündigt. Daraufhin beantragte der Pkw-Vertragshändler den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin mit der dieser aufgegeben werden sollte, den Pkw-Händlervertrag einstweilen fortzusetzen.

Gericht verurteilt Hersteller zur Fortsetzung des gekündigten Pkw-Händlervertrages

Nachdem das Landgericht den Eilantrag auf Fortsetzung zurückgewiesen hatte, gab das OLG dem Antrag auf die Beschwerde der Antragstellerin statt und verurteilte die Antragsgegnerin entsprechend. Nach Ansicht des OLG bestanden einerseits erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der im Vertragshändlervertrag enthaltenen Kündigungsklausel, andererseits führte die (möglicherweise unberechtigte) Kündigung zur Existenzgefährdung der Antragstellerin.

Fristlose Kündigung des Händlervertrages führt zur Existenzgefährdung des Händlers

Entgegen der Ansicht des Landgerichts bejahte das OLG den erforderlichen sog. Verfügungsgrund. Dieser besteht nur, wenn die Antragstellerin dringend auf den Erlass der Eilverfügung angewiesen gewesen wäre. Dies ist nur dann der Fall, wenn der der Antragstellerin drohende Schaden bei Nichtfortsetzung des Händlervertrages außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der der Antragsgegnerin bei Fortsetzung des Händlervertrages droht. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt:

"Die Antragstellerin hat durch Vorlage ihrer Umsatz- und Ertragszahlen dargetan und durch die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers (...) glaubhaft gemacht, dass der (weitere) Vollzug der ausgesprochenen fristlosen Kündigung angesichts des Wegfalls des Großteils ihres Umsatzes bei Fortdauer der Kosten, insbesondere auch für ihre 10 Mitarbeiter, ihre Existenz unmittelbar gefährden und sie in die Insolvenz führen würde.

Demgegenüber ist ein messbarer unmittelbarer Nachteil der Antragsgegnerin nicht ersichtlich oder jedenfalls als nur gering einstufen. Zwar hat sie grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Vertragshändler möglichst hohe Umsätze erwirtschaften. Dafür, dass ein Weiterführen des Vertrages und damit ggf. Verkaufszahlen auf dem bisherigen Niveau bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache bzw. dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist auf ihrer Seite zu einer unzumutbaren Härte führen würde, gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt.“

Zweifel an Wirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen verfehltem Mindestumsatz

Das OLG bejahte auch das Vorliegen des weiterhin erforderlichen sog. Verfügungsanspruchs, da es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen unzureichender Verkaufsleistungen des Händlers hegte:

"Das Anknüpfen einer außerordentlichen Kündigung des Vertragshändlervertrages an einen zu erzielenden Mindestumsatz könnte eine unangemessene Benachteiligung des Händlers darstellen, wenn die Klausel auch dann eine außerordentliche Kündigung des Händlervertrages ermöglicht, wenn der Händler sich nach besten Kräften bemüht hat, das festgesetzte Absatzziel zu erreichen, es aber gleichwohl aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen verfehlt hat (...).

Vorliegend liegt eine unangemessene Benachteiligung der Antragstellerin nahe. Die Klausel bestimmt, es sei nach Durchführung des Abmahnverfahrens in der Regel davon auszugehen, der Händler bemühe sich nicht nachhaltig. Damit wird zu Lasten des Händlers eine Vermutung aufgestellt und folglich eine Umkehr der Beweislast geregelt. Dies ist im Hinblick auf das Verbot des § 309 Nr. 12 BGB, das gemäß §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 310 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB grundsätzlich auch im Verkehr zwischen Unternehmern Anwendung findet (...) fragwürdig. (...)

Ein Verschuldenserfordernis bezüglich des Nichterreichens des Absatzziels statuiert die Klausel nicht (...).

Angesichts der Existenzgefährdung der Antragstellerin bedürfen diese Fragen im vorliegenden Verfahren indes keiner endgültigen Klärung. Vielmehr ist es (...) der Antragsgegnerin zuzumuten, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren den Händlervertrag einstweilen weiter durchzuführen."

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.08.2016, Az.: 5 W 22/16