Unterlassungspflicht und Ordnungsgeld: Rückruf von Produkten

Kosmetikverpackung mit Werbeverbot

Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Hagen wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung und den Umgang mit Unterlassungsverpflichtungen in der Unternehmenspraxis. Der Fall rund um die Werbung für eine Heilsalbe zeigt auf, welche konkreten Schritte Unternehmen vornehmen müssen, um Ordnungsgelder zu vermeiden. Das Landgericht Hagen verurteilte ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsgebot zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200.000 EUR.

Ordnungsgeldantrag wegen Verletzung einer Unterlassungspflicht

In der Entscheidung des Landgerichts Hagen ging es um die Verletzung einer Unterlassungsverpflichtung im Zusammenhang mit der Bewerbung einer Heilsalbe. Das Oberlandesgericht Hamm hatte die Schuldnerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, in einem vorangegangenem Urteil verurteilt, bestimmte Werbeaussagen für die Heilsalbe zu unterlassen. Diese Werbeaussagen enthielten Aussagen wie "Schnelle Wundheilung" und "Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag."

Vorwurf des Gläubigers: Keine ausreichenden Rückrufmaßnahmen

Der Gläubiger, vermutlich ein Wettbewerber oder eine Verbraucherschutzorganisation, behauptete, dass die Schuldnerin weiterhin das Produkt in der gerichtlich untersagten Aufmachung bewerbe und vertreibe. Sie habe festgestellt, dass die Heilsalbe weiterhin in Apotheken und auf verschiedenen Internetseiten in der verbotenen Form beworben und verkauft werde. Die Schuldnerin habe daher keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die bundesweit in Apotheken vorrätigen Produkte mit den verbotenen Werbeaussagen zurückzurufen und damit die weitere Verbreitung dieser Werbeaussagen zu unterbinden. Zudem werbe die Schuldnerin weiterhin mit den untersagten Werbeaussagen. Durch die verbotene Werbung habe die Schuldnerin erhebliche Umsätze und Gewinne erzielt.

Argumentation der Schuldnerin: Information der direkten Abnehmer ausreichend

Die Schuldnerin argumentierte, sie habe ihre direkten Abnehmer darüber informiert, dass die Ware nicht weiterverkauft werden dürfe. Sie sei nur innerhalb ihrer direkten Lieferkette zum Rückruf verpflichtet und könne nicht nachverfolgen, ob Apotheken das Produkt über den Großhandel bezogen hätten. Sie habe die Versandapotheken über die Notwendigkeit einer Anpassung der Werbeaussagen informiert. Bezüglich der Eigenwerbung wies sie darauf hin, dass ein Seitenaufruf möglicherweise aus dem Ausland erfolgt sei, was die abrufbaren Informationen beeinflussen könne.

Gericht: 200.000 EUR Ordnungsgeld - bloße Information nicht ausreichend

Das Gericht folgte der Argumentation der Schuldnerin nicht. Es verurteilte die Schuldnerin zur Zahlung eines empfindlichen Ordnungsgeldes, da sie ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Unterlassungstitels nicht ausreichend nachgekommen sei.

Die Schuldnerin hatte zwar vorgetragen, ihre Abnehmer über das Werbeverbot informiert zu haben, dies genügte nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht. Es reiche nicht aus, die Abnehmer von Produkten lediglich über ein Werbeverbot zu informieren. Vielmehr müsse der Unterlassungsschuldner nachdrücklich und ernsthaft unter Hinweis auf die Rechtsverletzung die Rückgabe der Produkte verlangen. Dabei reiche es nicht aus, die Abnehmer lediglich über den Inhalt der Unterlassungspflicht zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern. Vielmehr müsse die Einhaltung der Unterlassungspflicht auch überwacht und die für den Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Sanktionen auch verhängt werden, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Zudem habe die Schuldnerin entgegen dem Unterlassungstitel weiterhin Eigenwerbung für das Produkt betrieben.

Wegen dieser Verstöße setzte das Gericht gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.000 Euro fest. Bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes berücksichtigte das Gericht verschiedene Faktoren, unter anderem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und den aus der Verletzungshandlung gezogenen Vorteil. Den Gewinn schätzte das Gericht auf 200.000 EUR.

Landgericht Hagen, Beschluss vom 27.09.2023, AZ 21 O 123/18

Zusammenfassung: Unterlassung - Was müssen Unternehmen tun?

- Eine Unterlassungserklärung oder Unterlassungstitel verpflichtet den Schuldner nicht nur zur Unterlassung weiterer Verstöße, sondern auch zur Beseitigung der Folgen seines bisherigen Verhaltens.

- Wurde mit den verbotenen Aussagen im Internet geworben, müssen alle Webseiten, Shops und Social Media Kanäle überarbeitet werden. Zudem muss bei Suchmaschinen wie Google und BING die Löschung aus dem Cache beantragt und überwacht werden.

- Wurde einem Unternehmen gerichtlich untersagt wurde, ein Produkt in einer bestimmten Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder mit bestimmten Angaben zu werben, muss es in der Regel den Rückruf ausgelieferter Produkte und Werbematerialien veranlassen. Dies gilt auch, wenn kein rechtlicher Anspruch auf Rückgabe besteht.

- Besonderheiten bestehen bei Unterlassungsverfügungen im einstweiligen Verfügungsverfahren: In der Regel reicht es aus, wenn der Schuldner zunächst seine Abnehmer auffordert, die betroffenen Produkte vorläufig nicht weiter zuvertreiben.

✍️ Checkliste für Unternehmen: Was ist zu tun!

Das Urteil des Landgerichts Hagen unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, die Tragweite eines Unterlassungstitels vollumfänglich zu verstehen und entsprechend zu handeln. Daraus ergeben sich klare Pflichten und Handlungsempfehlungen:

Direkte und eindeutige Kommunikation: Alle Vertriebs- und Handelspartner sind unverzüglich und eindeutig über das Werbeverbot zu informieren.
Effektiver Rückruf: Organisieren und überwachen Sie einen effektiven Rückruf der betroffenen Produkte und Werbematerialien.
Überwachung der Einhaltung: Stellen Sie sicher, dass die Vertriebs- und Handelspartner Ihre Anweisungen befolgen und reagieren Sie, wenn dies nicht der Fall ist.
Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Maßnahmen und Kommunikationen im Zusammenhang mit dem Rückrufs.

Unzureichende Maßnahmen:

Nur informieren: Die bloße Information der Abnehmer reicht nicht aus.
Mangelnde Überwachung: Ohne Überwachung und Durchsetzung des Rückrufs ist die Einhaltung des Werbeverbots nicht gewährleistet.

❗ Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass die Einhaltung einer vertraglichen oder gerichtlich titulierten Unterlassungspflicht proaktives und entschlossenes Handeln erfordert, um schwerwiegende finanzielle Konsequenzen zu vermeiden.