Irreführende Werbung mit "klimaneutraler Herstellung“ und "CO2 positiv"

Werbung für ein klimaneutrales Bier

Eine präzise und transparente Kommunikation ist entscheidend für eine rechtssichere Werbung mit dem Label "klimaneutral". Das Landgericht München hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass allgemeine Verweise auf Klimaneutralität nicht ausreichen. Stattdessen sind konkrete, leicht zugängliche und transparente Angaben zur Klimabilanz sowie den spezifischen Maßnahmen zur Kompensation oder Einsparung erforderlich. Die Bewerbung eines Produkts als 'CO2 positiv' oder 'klimaneutral hergestellt' ist irreführend, wenn solche Angaben nicht bereitgestellt werden.

Streitanlass: Werbung für Bier mit „klimaneutral“ und „CO2 positiv“

Das beklagte Unternehmen bewarb ein Bier als "CO2-positiv" und mit "klimaneutraler Herstellung". Auf der Bierflasche befand sich ein QR-Code, der zur Webseite der Beklagten führte.

Ein Verbraucherverband hielt diese Werbung für irreführend ("Greenwashing") und verlangte von der Beklagten, die beanstandete Werbung mit "CO2" und "klimaneutraler Herstellung" zu unterlassen.

Urteil: Irreführung durch "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung"

Das Landgericht München gab dem klagenden Verband Recht. Es stellte fest, dass die beanstandeten Angaben "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung" eine unzulässige Irreführung darstellen. Das beklagte Unternehmen wurde zur Unterlassung verurteilt.

Aufklärungspflichten bei Werbung mit „Klimaneutralität“

Die Beklagte habe ihre Informationspflichten bezüglich der Werbung mit 'Klimaneutralität' nicht erfüllt. Der QR-Code auf der Flasche sei unzureichend für eine umfassende Aufklärung.

Das Gericht betonte, dass gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen des sogenannten 'Greenwashing' verdächtigt und Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert würden, es wichtig sei, Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären.

Präzise Angaben zu Einsparungen und Ausgleichsmaßnahmen erforderlich

Verbraucher hätten ein maßgebliches Interesse daran zu erfahren, ob die behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder Ausgleichsmaßnahmen erreicht wird und wenn ja, durch welche konkreten Ausgleichsmaßnahmen. Daher müssten die Bewertungsmaßstäbe für die werbenden Angaben "CO2-positiv" und "klimaneutrale Herstellung" auf der Bierflasche offengelegt werden.

Verweise auf weitergehende Informationen müssen klar und eindeutig sein

Zwar könnten Unternehmen auf dem Produkt oder in der Werbung beispielsweise durch Angabe eines Links oder eines QR-Codes ("Medienbruch") auf weitergehende Informationen zur Klimabilanz und Kompensationsmaßnahmen auf einer Webseite verweisen. Dieser Verweis muss jedoch klar und eindeutig sein, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei:

"Im vorliegenden Fall enthält die entsprechende Werbung zur Klimaneutralität und CO2 positiven Bilanz jedoch schon keinen Hinweis darauf, dass weitere Informationen auf der Homepage verfügbar sind. Der abgedruckte QR-Code ist auch nicht in so engem räumlichen Zusammenhang zu der umweltbezogenen Werbung aufgedruckt, dass es sich dem Kunden ohne weiteres erschließen würde, dass die für ihn notwendigen Informationen auf diese Weise verfügbar wären."

Verweise müssen direkt auf Webseite mit Erläuterungen führen

Zudem - so das Gericht - führte der QR-Code auch nicht direkt auf eine Seite zur Erläuterung der klimaschonenden Maßnahmen, sondern allgemein auf die Homepage der Beklagten, von wo aus die Verbraucher sich dann zu den gewünschten Informationen erst durchklicken müssten.

Schließlich monierte das Gericht, dass auch erhebliche Zweifel daran bestünden, ob die auf der Homepage der Beklagten aufgeführten Informationen ausreichend seien. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, hätten sich dort gerade nicht befunden.

LG München I, Urteil vom 08.12.2023 - 37 O 2041/23

Quelle: PM des LG München I vom 08.12.2023

Praxishinweise zur Werbung mit „Klimaneutralität“

In den letzten Jahren ist die Anzahl der umweltbezogenen Aussagen auf Produkten aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für die ökologischen Auswirkungen des eigenen Konsums explodiert. Besonders für Kosmetik-, Hygiene- oder Reinigungsprodukte wird mit Öko-Versprechen geworben. Im Rahmen einer Studie im Auftrag der EU-Kommission stellte sich jedoch heraus, dass mehr als die Hälfte der dort untersuchten Öko-Versprechen 'vage, irreführend oder unbegründet' waren, 40 Prozent waren sogar 'völlig unbegründet'. Es ist daher nicht überraschend, dass die Gerichte zunehmend mit umweltbezogener Werbung, insbesondere Angaben wie 'klimaneutral" und "CO2-neutral" beschäftigt sind.

🔎 Unternehmen müssen zur Vermeidung von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sicherstellen, dass ihre umweltbezogenen Werbeaussagen klar und eindeutig formuliert sind und auf verifizierbaren Fakten basieren.

👉 Wird ein Produkt als "klimaneutral" beworben, ohne weitere Angaben zu machen, besteht die Gefahr einer Irreführung, sofern "klimaneutral" als "emissionsfrei" verstanden wird. Unternehmen sollten daher zur Sicherheit klarstellen, was sie unter "Klimaneutralität" verstehen.

☝ Gerichte wie z. B. das OLG Düseldorf gehen davon aus, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens versteht und ihm bekannt ist, dass diese Neutralität durch Vermeidung oder durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann. Daher stellt die Werbung mit "klimaneutraler Herstellung" keine Irreführung über die fehlende Emissionsfreiheit dar. 

❗ Allerdings muss der Unternehmer Informatonen bereit stellen, wie die ausgelobte Klimaneutralität sicherstellt wurde. Hierbei handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne von § 5 a UWG. Das Fehlen solcher Angaben kann ebenfalls abgemahnt werden.

👉 Unternehmen müssen daher Verbraucher über die Grundlagen der Klimaneutralitätsauslobung informieren. Dies bedeutet, dass in der Werbung und auf dem Produkt klare und leicht verständliche Informationen zur Klimabilanz und zu den konkreten Kompensations- oder Einsparmaßnahmen bereitgestellt werden müssen.

👉 Diese Verbraucheraufklärung kann auch durch Verweise mittels Links oder QR-Codes erfolgen, die zu weiterführenden Informationen zur Klimabilanz und zu Kompensations- oder Einsparmaßnahmen führen.

☝ Erforderlich ist jedoch, dass der Link bzw. QR-Code eindeutig und unmissverständlich als Hinweis auf solche Informationen verstanden wird und Verbraucher über diese direkt auf die Webseite mit den Informationen geleitet werden. Ein Link oder QR-Code, der lediglich zur Homepage führt und von dort aus weitere Klicks erfordert, ist nicht ausreichend.