Das hängt davon ab, ob dem jeweiligen Foto selbst Urheberschutz zukommt. Dass das Fotomotiv ein nicht mehr geschütztes Werk zeigt, steht einem eigenständigen urheberrechtlichen Schutz des Fotos nicht entgegen. Maßgeblich ist also, ob das Foto als Lichtbildwerk oder zumindest als Lichtbild geschützt ist.
Mit der Frage, ob Fotos von Werken, die aufgrund Zeitablaufs selbst keinen Urheberschutz mehr genießen, ohne Zustimmung des Fotografen genutzt werden dürfen, hatte sich bereits das Landgericht Berlin (Urteil vom 31.05.2016, Az.: 15 O 428716) bzw. Landgericht Stuttgart (Urteil vom 27.09.2016, Az.: 17 O 690/15) zu beschäftigen. In beiden Fällen ging es um die Nutzung von Fotos gemeinfreier Werke (u. a. von Gemälden, Vasen) auf Wikipedia und in der Mediendatenbank Wikimedia Commons. Zur Illustration von Textbeiträgen auf Wikipedia werden Fotos aus der Datenbank Wikimedia Commons verknüpft.
In den vom Landgericht Berlin (Klage gegen Wikimedia) entschiedenen Fall ging es um Fotos von Gemälden zur Illustration von Textbeiträgen auf Wikipedia. Diese Fotos waren durch einen von der Stadt Mannheim beauftragten Museumsfotografen erstellt worden. Seine Aufgabe war es, die fotografierten Gemälde so originalgetreu wie möglich abzubilden. Die Gemälde selbst wurden von Künstlern geschaffen, die mehr als 70 Jahren tot sind. Das Urheberrecht an den Gemälden selbst war daher erloschen, die Gemälde selbst also gemeinfrei.
In dem vom Landgericht Stuttgart (Klage gegen einen Wikimedia-Nutzer) entschiedenen Fall ging es ebenfalls um naturgetreue Fotografien von Gemälden, die der Hausfotograf des Museums im Auftrag der Stadt Mannheim erstellt hatte sowie um Fotos von gemeinfreien Vasen, die der Beklagte selbst angefertigt hatte. Das Museum hatte jedoch das Fotografieren von im Museum ausgestellter Werke eingeschränkt.
In beiden Fällen verlangte die Stadt Mannheim von Wikimedia die Löschung der Fotos auf Wikipedia. Wikimedia lehnte diese Forderung jedoch ab. Sie vertrat die Ansicht, naturgetreuen Fotografien von gemeinfreien Werken komme kein Urheberrechtsschutz zu, da der eigenständige Schutz naturgetreuer Fotografien von gemeinfreien Werken dem Prinzip der Gemeinfreiheit widersprechen würde.
Der Ansicht von Wikimedia erteilte sowohl das Landgericht Berlin als auch das Landgericht Stuttgart eine Abfuhr. Vielmehr können auch an Fotos, auf den gemeinfreie Werke abgebildet sind, grundsätzlich Urheberrechte entstehen. Dass die auf den Fotos abgebildeten Werke selbst nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind, stehe einem grundsätzlich möglichen Urheberschutz der Fotos nicht entgegen. Insbesondere führe dies auch nicht zu einer ungerechtfertigten Verlängerung der Schutzfrist gemeinfreier Werke. Denn die Originalwerke selbst könnten erneut abfotografiert werden.
Daher kommt es auch bei Fotos, auf denen gemeinfreie Werke abgebildet sind, darauf an, ob es sich bei diesen Fotos um
- Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG,
- Lichtbilder nach 72 UrhG oder
- lediglich um einfache Lichtbildkopien nach § 16 UrhG handelt.
Nur Lichtbildkopien sind nicht eigenständig urheberrechtlich geschützt.
Ob es sich um ein Lichtbildwerk, Lichtbild oder bloße Lichtbildkopie handelt, ist jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen.
Nach Ansicht des Landgerichts Berlin genießen jedoch naturgetreue Fotografien von Werken kein Schutz als Lichtbildwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG zu, da es ihnen an der dafür erforderlichen persönlichen geistigen Schöpfung fehle. Die Aufgabe, ein Werk originalgetreu fotografisch abzubilden, erfordert zwar ggf. eine technisch saubere Umsetzung und damit handwerkliches Geschick, jedoch bestehe dabei kein für den Werkschutz erforderlicher schöpferischer Gestaltungsspielraum.
Liegt jedoch zumindest eine technische Leistung (Positionierung, Lichteinstellung, etc.) vor, genießen Fotos, auf denen gemeinfreie Werke abgebildet sind, zumindest Schutz als Lichtbild nach § 72 UrhG. Wurde dagegen ein Werk erkennbar nur "spontan abgeknipst", liegt lediglich eine Fotokopie des gemeinfreien Werkes vor, die selbst keinen urheberrechtlichen Schutz genießt
Fazit:
Auch naturgetreue Fotografien von gemeinfreien Werken können urheberrechtlich geschützt sein.
Ebenso wie bei anderen Fotos ist daher zu prüfen, ob das konkret in Rede stehende Foto Schutz als Lichtbildwerk oder als Lichtbild genießt oder es sich bei diesem nur um eine Lichtbildkopie handelt, der selbst kein Urheberschutz zukommt.
Für die Einordnung als geschütztes Lichtbildwerk oder Lichtbild ist es unerheblich, ob das Fotomotiv selbst ein gemeinfreies Werk zeigt.
Naturgetreue fotografische Abbildungen von Gemälden genießen mangels schöpferischer Leistung keinen Schutz als Lichtbildwerk.
Um als Lichtbild nach § 72 UrhG geschützt zu sein, müssen Fotos ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung (z. B. Positionierung, Lichteinstellung) erreichen.