Das OLG Köln hatte sich im Rahmen eines Eilverfahrens um die Berechtigung zur Vervielfältigung und Verbreitung von Fotos eines an einem öffentlichen Ort befindlichen Kunstwerkes mit den Grenzen der urheberrechltichen Panoramafreiheit zu befassen.
Sachverhalt: Verbreitung digital bearbeiteter Fotos einer Schriftzuginstallation
Der Antragsteller ist als freischaffender Künstler auf dem Gebiet der Bildhauerei, Aktions- und Konzeptkunst tätig. Er nimmt die Antragsgegnerin, die (Foto-) Bildtafeln herstellt und vertreibt, wegen seiner Ansicht nach urheberrechtswidriger Verwertung von Abbildungen der seit mehr als 5 Jahren auf einem Haus befindlichen Installation des Schriftzugs „Liebe deine Stadt“ in Anspruch.
Der Antragsteller verlangte von der Antragsgegnerin jede Vervielfältigung seines Werkes „Liebe deine Stadt“ in bearbeiteter und unbearbeiteter Form zu unterlasen. Die Antragsgegnerin wies dies zurück, u.a. mit der Begründung, dass die Installation der Panoramfreiheit unterfalle, da sie sich bleibend an einem öffentlich zugänglichen Ort befinde.
Gerichtsverfahren: Eilverfahren und Berufung
Das Landgericht verurteilte die Antragsgegnerin zur Unterlassung der Verbreitung digital bearbeiteter Fotos der Installation "Liebe deine Stadt", wies den Antrag auf Unterlassung der Verbreitung unbearbeiteter Fotos jedoch zurück.
Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Der Antragsteller vertiefte sein Vorbringen, dass er von Anfang an geplant habe, den Schriftzug nur für begrenzte Zeit am jetzigen Standort aufzustellen, weil das Kunstwerk seine Wirkung gerade dadurch entfalte, dass es an verschiedenen Orten angebracht werde und sich auf immer neue Objekte beziehen könne.
Die Berufung der Antragsgegnerin hat teilweise Erfolg, die des Antragstellers blieb erfolglos.
Installation des Schriftzuges urheberrechtlich geschützt
Zwar handele es sich bei der Schriftzuginstallation - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Bei der Installation handele es sich nämlich um ein eigenschöpferisches Werk der bildenden Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, wobei der Beurteilung nicht der Schriftzug „Liebe deine Stadt“ als solcher, sondern die Installation in ihrer konkreten Form und Gestalt an einer bestimmten Stelle in der Stadt zugrunde zu legen ist. Die Installation stellt sich als Verkörperung einer kreativen Leistung des Antragstellers nicht zuletzt wegen der damit hergestellten Verbindung von inhaltlicher Aussage, reklamehafter Gestaltung und städtebaulicher Umgebung dar.
Urheberrechtsverletzung durch Verbreitung digital bearbeiteter Fotos bleibender Werke
Mit Herstellung und Vertrieb von Bildtafeln mit digital bearbeiteten Fotos des Schriftzuges hat die Antragsgegnerin in das Urheberrecht des Antragstellers eingegriffen, da dieser zur Herstellung und Verbreitung solcher Bildtafeln keine Zustimmung erteilt hat.
Keine Urheberrechtsverletzung durch Verbreitung unbearbeiteter Fotos bleibender Werke
Jedoch liege keine Urheberrechtsverletzung vor, sofern die Antragsgegnerin nur Vervielfältigungen der Installation verbreite, die ausschließlich durch normale fototechnische Mittel wie Belichtung, Einstellung der Brennweite und Wahl des Bildausschnitts bedingte Änderungen ohne nachträgliche Bildbearbeitung aufweisen. Dieses Vorgehen ist von der urheberrechtlichen Schranke der Panoramafreiheit gedeckt.
Installation mehr als 5 Jahre am selben Ort = bleibendes Werk
In diesem Zusammenhang wies das Berufungsgericht darauf hin, dass es sich bei der Installation, da sie sich mehr als 5 Jahre bleibend an einem öffentlichen Ort befindet, um ein bleibendes Werk handele und daher die Panoramafreiheit eingreift.
"Zugunsten der Antragsgegnerin greift die Schutzschranke der sogenannten „Panoramafreiheit“ des § 59 UrhG ein, wonach die durch Lichtbilder erfolgende Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig ist, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Die Schriftzuginstallation des Antragstellers befindet sich in diesem Sinne "bleibend“ im öffentlichen Raum. Für die Auslegung dieses Merkmals ist nicht allein auf die Widmung des Verfügungsberechtigten und seinen Willen abzustellen, das Werk zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt wieder fortzuschaffen. (...) werde allein auf die subjektive Bestimmung des Berechtigten abgestellt, hätte es dieser in der Hand, sich durch eine entsprechende Absichtserklärung vor der nach § UrhG privilegierten Nutzung seines Werks zu schützen.
Für eine sachgerechte Abgrenzung komme es vielmehr auf den Zweck an, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden ist. (...)
Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann hier - unabhängig von den Absichten des Antragstellers, der jeweils nur für ein oder mehrere Jahre erteilten Zustimmung des Hauseigentümers und der Art und Weise der Installation - ein „bleibend“ im öffentlichen Raum befindliches Werk nicht verneint werden. Die Installation befindet sich seit inzwischen fünf Jahren am selben Ort, was über die übliche Dauer einer zeitlich befristeten Ausstellung weit hinausgeht. Ihre Entfernung wäre gleichbedeutend mit der Zerstörung des konkreten Kunstwerks, selbst wenn der Schriftzug an anderer Stelle erneut Verwendung finden würde."
Panoramafreiheit deckt Verbreitung wirklichkeitsgetreuer fotografischer Vervielfältigung
Von der Schutzschranke der Panoramafreiheit seien all jene Formen der fotografischen Vervielfältigung gedeckt, die eine möglichst getreue Wiedergabe der äußeren Ansicht des im öffentlichen Straßenraum befindlichen Werks darstellen und sich dafür ausschließlich solcher Mittel bedienen, die im Rahmen herkömmlicher Fototechnik bei der Herstellung derartiger Abbildungen eingesetzt werden. Dazu gehört die Wahl des Bildausschnitts und die Beeinflussung der Helligkeits-, Farb- und Kontrastwerte des Lichtbildes durch Einstellung der Brennweite und Belichtungszeit sowie jede Art von Vergrößerung oder Verkleinerung.
"Unzulässig als eine durch das Vervielfältigungsverfahren der Fotografie nicht mehr veranlasste Veränderung der sich im Straßenbild bietenden äußeren Ansicht und naturgetreuen Wiedergabe des Werks über das technisch unvermeidliche Maß hinaus ist dagegen sowohl der Einsatz seit langem bekannter Mittel wie Farbfilter und nachträgliche Retuschen als auch die Anwendung moderner Verfahren der digitalen Bildbearbeitung. Denn dem Betrachter wird durch diese Verfahren - anders als bei der Wiedergabe durch Malerei oder Grafik, wo stärkere Veränderungen selbstverständlich sind und vom Publikum auch erwartet werden - ein Abbild der Wirklichkeit vorgespiegelt, das in erheblichem Umfang verfälscht ist."
Die Antragsgegnerin hatte eingeräumt, bei einigen Bildern nachträgliche Bildbearbeitungen, z. B. der Farbe des Himmels (nach rosa) und des Schriftzuges (nach rot) vorgenommen zu haben. Diese Bilder durften daher nicht verbreitet werden.
Bei anderen Bildern wurden bei der Herstellung der Fotografien lediglich zulässige fototechnisch (insbesondere durch die Belichtungstechnik) bedingte Änderungen vorgenommen. Diese Bilder durften daher verbreitet werden.
OLG Köln, Urteil vom 09.03.2012, Az.: 6 U 193/11