Das Landgericht München hat mit Urteil vom 27.07.2015 entschieden, dass eine bloße technische Reproduktion einer bestehenden Grafik nicht urheberrechtlich geschützt und eine entsprechende Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung daher unbegründet ist.
Sachverhalt
Die Klägerin bietet im Internet Multimediadatenträger verschiedenster Art an. Ihren Angebote fügt sie Produktfotos bei, die in der Regel das Cover der Verpackung zeigen. Dies geschieht in der Weise, dass ein Mitarbeiter der Klägerin ein Foto von den bei der Klägerin verfügbaren Produkten erstellt; u.a. wurde so das Bild von dem Softwareprodukt "PDF-Alleskönner" erstellt.
Die Beklagte bietet im Internet Datenträger für Software zum Verkauf an. Für ein Verkaufsangebot der Software "PDF-Alleskönner" übernahm sie das für die Klägerin hergestellte Foto der Produktdarstellung.
Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben ab und verlangte neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung und Auskunft Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 612,80 Euro netto, berechnet nach einem Gegenstandswert von 7.500 Euro.
Die Beklagte beauftragte einen Anwalt mit der Prüfung der Abmahnung; das Beratungsgespräch fand mittels Skype statt. Die Beklagte wies die Abmahnung nach Beratung wegen Nichtvorliegens einer Urheberrechtsverletzung zurück und forderte die Erstattung der ihr entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 612,80 EUR netto.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Unterlassung, Auskunft und Erstattung von Abmahnkosten. Die Beklagte erhob Widerklage auf Erstattung der ihr entstandenen Anwaltskosten.
Die Klägerin nahm ihre Klage zwischenzeitlich zurück, so dass nur mehr über die Widerklage der Beklagten auf Zahlung der ihr für die Abwehr der Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu entscheiden war.
Entscheidung LG München
Das LG München gab der Klage der Beklagten auf Erstattung der ihr für die Abwehr der Abmahnung entstandenen Anwaltskosten statt, da die Abmahnung unbegründet war.
Keine Urheberrechtsverletzung da bloße technische Reproduktion
"Der Klägerin steht mangels Urheberrechtsverletzung kein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gem. §§ 97 Abs. 1, 97a UrhG gegen die Beklagte zu.
Das Vorliegen eines Lichtbildwerks hat die Widerbeklagte nach den qualifizierten Einwänden der Widerklägerin nicht weiter behauptet. Im Übrigen wurde das Cover des angebotenen Produkts lediglich 2-dimensional abgebildet. Es handelt es um eine rein technische, keine künstlerische Leistung.
Auch Lichtbildschutz kommt nicht in Betracht. Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, genießen gem. § 71 Abs. 1 UrhG Schutz. Lichtbilder in diesem Sinne sind Fotografien unabhängig von der zugrundeliegenden Aufnahmetechnik. Ebenfalls schutzfähige Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, sind die Ergebnisse solcher Verfahren, bei denen ein Bild unter Benutzung strahlender Energie erzeugt wird. Eine fotografische Reproduktion soll nach einer starken Literaturmeinung ebenfalls Schutz genießen, wenn sie einen erheblichen Aufwand erfordert oder wenn sie auf nicht ausschließlich maschinellem Weg entsteht. Hingegen erfüllt eine bloße technische Reproduktion einer bestehenden Grafik nicht das Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung und genießt keinen Lichtbildschutz (...).
Vorliegend behauptete die Klägerin zwar, dass fotografische Reproduktion vorliege, indes hat sie weder vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, dass diese einen erheblichen Aufwand erforderte und nicht ausschließlich maschinellem Weg entstanden ist. Vielmehr ist offensichtlich das Gegenteil der Fall. Denn es liegt eine lediglich 2-dimensionale Vervielfältigung vor, in Bezug auf welche die Belichtung und die Wahl des Darstellungswinkels wesentlich einfacher zu bewerkstelligen sind, als wenn ein Produkt in einer Weise fotografiert wird, welche es in seinen 3 Dimensionen erkennen lässt."
Anwaltskosten des Abgemahnten entsprechen Abmahnkosten
"Die vorgerichtlichen Kosten der Rechtverteidigung der Beklagten betragen 612,80 € Der Ansatz einer 1,3 Gebühr ist in der Sache nicht zu beanstanden. Insbesondere waren vom Beklagtenvertreter nach Erhalt der Abmahnung dieselben juristischen Prüfungsarbeiten durchzuführen, wie vom Klägervertreter vor Anfertigung der Abmahnung. Der Unterschied, dass das Abmahnungsschreiben nicht verfasst, sondern nur geprüft wurde, wirkt sich gebührentechnisch nicht aus. Angemessen ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer in solchen Konstellationen eine 1,3 Gebühr. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass komplexe Fragen des Urheberrechts zu prüfen waren.“
LG München, Urteil vom 27.07.2015, Az.: 7 O 20941/14