Oktoberfest-Abmahnung: Stadt München verliert Klage gegen Online-Händler

Festzelt auf dem jährlich in München statffindenden Oktoberfest

Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem markenrechtlichen Verfahren entschieden, dass die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ auf Party- und Dekorationsartikeln die Markenrechte der Landeshauptstadt München an den Oktoberfest-Marken nicht verletzt. Die Stadt München, bekannt durch das weltberühmte Oktoberfest, hatte einen Online-Händler wegen Markenrechtsverletzung auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Abmahnkosten verklagt, da dieser u.a. Wand- und Tischdekorationen und Partyhüte mit dem Aufdruck "Oktoberfest“ anbot. Das Gericht wies die Klage der Stadt München in vollem Umfang ab.

Die „Oktoberfest“-Marken der Landeshauptstadt München

Die Landeshauptstadt München ist Inhaberin mehrerer EU- und nationaler Marken mit dem Bestandteil „Oktoberfest“. Im Klageverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main stütze sich die Stadt München auf folgende "Oktoberfest"-Marken:

Diese Marken sind für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen eingetragen und sollen es der Stadt München ermöglichen, Dritten die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ für diese Waren und Dienstleistungen zu untersagen, sofern diese nicht bereit sind, mit der Stadt München entsprechende Lizenzverträge abzuschließen.

Anmeldung, teilweise Eintragung und teilweise Löschung der Marke "Oktoberfest"

Ein besonderer Dorn im Auge vieler Online-Händler dürfte die Unionswortmarke "Oktoberfest" sein. Das Prüfungs- und Eintragungsverfahren dauerte mehr als 5 Jahre (!), da es mehrere Beanstandungen gab, die teilweise auf „Bemerkungen Dritter“ beruhten. Diese hatten das Ziel, die markenrechtliche Monopolisierung des Begriffs "Oktobrfest" für die Stadt München in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu verhindern.

Anmeldung (2016) und teilweise Zurückweisung (2019)

Am 13.06.2016 meldete die Stadt München den Begriff "Oktoberfest" für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 4, 6, 9, 14, 16, 18, 21, 24, 25, 26, 28, 31, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 42, 43 und 45 an. Am 19.06.2019 wies der Prüfer die Anmeldung für zahlreiche Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft und beschreibendem Charakter zurück, u.a. für die Klasse 41 (Veranstaltung von Volksfesten), Klasse 43 (Verpflegung von Gästen, Betrieb von Restaurants, Catering) und für Waren in den Klassen 3 - 28 sowie 29, 30, 32, 33.

Beschwerde gegen teilweise Zurückweisung (2020)

Gegen die teilweise Zurückweisung der Anmeldung legte München Beschwerde beim EUIPO ein. Mit Entscheidung vom 26.08.08.2020 bestätigte die Beschwerdekammer des EUIPO die Zurückweisung der Anmeldung der Marke „Oktoberfest“ in Klasse 41 und 43 sowie in den Warenklassen 29, 30, 32 und 33; bejahte jedoch die Eintragungsfähigkeit des Begriffs "Oktoberfest" in den übrigen angemeldeten Klassen, darunter die Warenklassen 3 - 28.

Antrag auf Löschung wegen absoluter Eintragungshindernisse (2022)

Im März 2022 reichte eine schwedische Kanzlei im eigenen Namen beim EUIPO einen Antrag auf Löschung der Marke „Oktoberfest“ für alle Klassen ein mit der Begründung, dass der Begriff „Oktoberfest“ auch in Bezug auf diese beschreibend sei und daher nicht für die Stadt München monopolisiert werden könne. Die Kanzlei legte jedoch nur für einige Waren (Biergläser, Bekleidung) entsprechende Nachweise vor.

Teilweise Löschung wegen fehlender Unterscheidungskraft (2023)

Mit Entscheidung vom 29.06.2023 erklärte die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO die Unionswortmarke „Oktoberfest“ in den Klassen 21 und 25 teilweise für nichtig, in Klasse 25 für folgende Waren:

Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Hemden; Strickhemden; Jerseys, Pullunder; T-Shirts; ärmellose Unterhemden; Kleider; Röcke; Shorts; Hosen; Sweater; Hauben; Mützen; Hüte; Hals-, Kopf-, Schultertücher; Kopftücher; Schals; Sweatshirts; Jacken; Blazer; Regenbekleidung; Socken und Wirkwaren; Hosenträger; Gürtel.

Nach der teilweisen Nichtigerklärung ist die Unionswortmarke „Oktoberfest“ in den Klassen 16 und 25 nur noch für folgende Waren geschützt:

Klasse 16 : Servietten aus Papier; Platzdeckchen und Tafelsets aus Papier; Werbeschilder und -banner sowie Materialien aus Papier oder Pappe
Klasse 25: Unterwäsche; Badebekleidung; Mäntel; Uniformen; Krawatten; Stirnbänder; Handschuhe; Schürzen; Lätzchen (nicht aus Papier); Schlafanzüge;   Spielkleidung für Babys und Kleinkinder

Die Stadt München hat gegen die teilweise Löschung der Marke "Oktoberfest" Beschwerde eingelegt. Es geht also weiter…

Stadt München: Markenabmahnung wegen „Oktoberfest“ auf Partydeko

Die Stadt München geht bekanntlich gegen die (vermeintlich) unberechtigte Verwendung des Begriffs "Oktoberfest" durch Dritte vor und lässt durch die Frankfurter Kanzlei Pinsent Masons Abmahnungen wegen Markenrechtsverletzungen versenden. So werden beispielsweise Online-Händler abgemahnt, die Dekorationsartikel und Kostümzubehör vertreiben, auf denen der Begriff „Oktoberfest“ zu sehen ist und die nicht von der Stadt München lizenziert sind.

Wie bei markenrechtlichen Abmahnungen üblich, wird die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten gefordert. Aufgrund der hohen Streitwerte in Markensachen können markenrechtliche Auseinandersetzungen für kleine Online-Shops existenzbedrohend sein. Daher verwundert es nicht, dass viele Onlineshops, die eine Oktoberfest-Abmahnung erhalten, den Forderungen nachkommen und die mit „Oktoberfest“ gekennzeichneten Produkte aus dem Shop nehmen, um weitere Kosten zu vermeiden.

Online-Händler wehrt sich gegen Oktoberfest-Abmahnung der Stadt München

Auch eine meiner Mandantin erhielt eine Abmahnung der Stadt München wegen der Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ in ihrem Onlineshop. In diesem vertreibt sie eine Vielzahl von Dekorationsartikeln und Kostümzubehör für diverse Feste und Anlässe, darunter auch Absperrbänder, Wand- und Tischdekoration, Servietten, Banner, Tischaufsteller und Partyhüte, auf denen der Begriff „Oktoberfest“ angebracht ist und die mit "Oktoberfest“ beworben werden.

Die Stadt München sah in der Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ auf den Produkten und in den Artikelüberschriften eine markenmäßige Benutzung der für sie geschützten Oktoberfest-Marken und machte geltend, diese Benutzung beeinträchtige die Herkunfts-und Werbefunktion ihrer Oktoberfest-Marken und stelle eine unlautere Ausnutzung der Bekanntheit der Oktoberfest-Marken dar. Meine Mandantin sollte daher diese Produkte aus dem Shop nehmen, eine Unterlassungserklärung abgeben, Auskunft erteilen, Schadensersatz zahlen sowie Abmahnkosten in Höhe von 3.020,34 EUR erstatten.

Nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage wies ich die Abmahnung im Namen meiner Mandantin als unberechtigt zurück. Zur Begründung verwies ich darauf, dass der Begriff „Oktoberfest“ weder auf den Produkten noch in den Angebotstexten markenmäßig, sondern nur dekorativ bzw. beschreibend verwendet worden ist und auch keine unlautere Rufausbeutung vorliege.

Gericht weist Klage der Stadt München wegen Verletzung der “Oktoberfest“-Marken ab

Das wollte die Stadt München nicht auf sich sitzen lassen und erhob Klage gegen meine Mandantin vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Diese ging jedoch anders aus, als die Stadt München gedacht hatte - das Gericht wies die Klage der Stadt München vollumfänglich ab und verurteilte diese, die nach einem Streitwert von 150.000 EUR zu berechnenden Kosten des Klageverfahrens zu tragen.

Party- und Dekoartikel mit „Oktoberfest“ keine Markenrechtsverletzung

Auch das Gericht geht davon aus, dass die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ auf den Produkten keine markenmäßige Benutzung darstelle. Der Durchschnittsverbraucher gehe nämlich nicht davon aus, dass die mit „Oktoberfest“ bedruckten Waren direkt von der Stadt München oder einem offiziellen Hersteller stammten:

"Die Herkunftsfunktion wird nicht beeinträchtigt. Zwar verweist die Beschreibung mit „Oktoberfest“ ggf. (auch) auf die Veranstaltung der Klägerin. Hierin folgt aber noch keine herkunftshinweisende Funktion für die konkreten Waren. Denn der Verkehr wird aufgrund der konkreten Aufmachung nicht davon ausgehen, dass es sich um Dekorationsprodukte eines konkreten Herstellers handelt. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Begriff „Oktoberfest“ lexikalisiert ist und auf die Veranstaltung als solche hinweist, nicht aber auf den Ausrichter der Veranstaltung.“

Keine Verletzung der Werbefunktion der "Oktoberfest"-Marken

Durch die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ auf den Produkten würde - so das Gericht - auch die Werbefunktion der Oktoberfest-Marken nicht beeinträchtigt:

"Dass die Werbefunktion beeinträchtig wird, ist nicht ersichtlich. Die Benutzung durch die Beklagte beeinträchtigt die Klägerin nicht, das Zeichen für die Zwecke der Werbung einsetzen zu wollen, um den Verbraucher zu informieren und zu überzeugen. Denn der Verkehr wird nicht davon ausgehen, dass es aufgrund der Verwendung durch die Beklagte mehrere Ausrichter des (Münchner) Oktoberfestes gibt.“

Keine Verletzung der Investitionsfunktion der "Oktoberfest"-Marken

Auch die von der Stadt München ins Feld geführte Beeinträchtigung der Investitionsfunktion der Oktoberfest-Marken sah das Gericht nicht:

"Es ist schon nicht ersichtlich, dass es der Klägerin ernsthaft erschwert wird, das Zeichen „Oktoberfest“ einzusetzen. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass der Ruf der Klägerin, das Zeichen „Oktoberfest“ für Dekorationsartikel zu nutzen, in irgendeiner Weise gefährdet wäre.“

Keine markenmäßige Benutzung von „Oktoberfest“ in Angebotsbeschreibungen

Auch die Verwendung des Begriffs "Oktoberfest“ in den Angebotstexten (Artikelüberschrift und Artikelbeschreibung) wurde vom Gericht als zulässig angesehen, da es sich hierbei nicht um eine markenmäßige Benutzung handele, sondern der Verkehr "Oktoberfest" als Synonym für ein Bierfest im Oktober verstehe:

"Soweit die Wendung „Oktoberfest“ in den Angebotsüberschriften angegriffen werden (…), gilt nichts anderes. Dabei ist das gesamte Angebot in Blick zu nehmen. So heißt es unter den jeweiligen Angebotsüberschriften (…):

„Wenn Sie ein Oktoberfest planen möchten und dafür noch die passende Partydeko suchen, dann ist dieses ausgefallene Deko ein Muss …“
„Herbst, Oktober, Dindl [sic!], Trachten, Bier - was heißt das? Genau, Oktoberfest Zeit! Wer auch ein eigenes Oktoberfest feiern möchte, der findet hier …“
„Der Herbst naht und das Bier steht bereit. Zeit für das Oktoberfest! Das wird nicht nur in Bayern gefeiert, sondern mittlerweile im ganzen Land! …“
„Endlich ist es wieder soweit [sic!] und das alljährliche Oktoberfest steht bevor! Mit diesem Banner heizt man die Gäste und die Partylocation so richtig ein! …“
„… Durch das Motiv passt der Aufsteller super zu einem Oktoberfest, welches ja mittlerweile in ganz Deutschland gefeiert wird. …“
„Dieser Banner ist wirklich super und eignet sich hervorragend für ein Oktoberfest oder eine Bayern-Party. …“
„Das Metallic Banner Oktoberfest ist genau die richtige Deko, wenn Sie Ihren Partyraum bayrisch dekorieren wollen! …“

Der Verkehr erkennt aufgrund der räumlich unmittelbar zu der Angebotsüberschrift folgenden Beschreibungstexten, dass hier „Oktoberfest“ synonym für ein Bierfest im Oktober verwendet wird und gerade nicht als Herkunftshinweis auf die Klägerin (oder einer anderen konkreten Ausrichterin des Oktoberfestes). Vor diesem Hintergrund gelten die obenstehenden Ausführungen entsprechend.“

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.03.2024, AZ: 2-06 O 417/22 (Berufung anhängig)

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📢 Fazit: Nicht jede „Oktoberfest“-Abmahnung ist berechtigt

Das Urteil zeigt, dass nicht jede Markenabmahnung berechtigt ist. Werden als Marke geschützte Begriffe lediglich dekorativ oder beschreibend verwendet, ohne dass eine direkte Verbindung zum Markeninhaber suggeriert wird, liegt keine Markenrechtsverletzung vor. Im Fall einer unberechtigten Markenabmahnung kann der Abgemahnte die Abmahnung nicht nur zurückweisen, sondern vom Abmahnenden ggf. auch Erstattung der ihm entstandenen anwaltlichen Rechtsverteidigungskosten verlangen.

🛡 Das Urteil schafft zudem eine gewisse Rechtssicherheit für Unternehmen, die themenbezogene Dekorationsartikel und Merchandise anbieten. Insbesondere Online-Händler, die Party- und Dekorationsartikel zum Thema „Oktoberfest“ anbieten, können aufatmen. Jedoch leider noch nicht endgültig, denn die Stadt München hat gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt Berufung eingelegt.

🚨Unternehmen sollten auf jeden Fall Vorsicht walten lassen und rechtlichen Rat einholen, wenn sie beabsichtigen, markenrechtlich geschützte Begriffe kommerziell im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, sei es auf Produkten oder in Artikelüberschriften oder Angebotsbeschreibungen in Onlineangeboten, sei es im eigenen Shop oder auf Marktplätzen wie Amazon & Co.
 
⚖ Jeder Fall muss individuell geprüft werden. Dies gilt aufgrund der Abmahnpraxis der Stadt München insbesondere für die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest“ und weiterer für die Stadt München geschützter Begriffe ("Oktoberfest München", "Münchener Oktoberfest") sowie für Dritte im Zusammenhang mit dem Oktoberfest geschützter Marken ("OKTOBERFEST-BIER", „WIESN“, „Wiesnbier“, "Wiesn Wirt“, "Wiesn Fashion").

🍺Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Bezeichnung „Oktoberfestbier“ am 21.10.2022 in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben eingetragen wurde. Eine solche Eintragung erfolgt, wenn Eigenschaften des Erzeugnisses, z.B. eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft des Erzeugnisses einen engen Zusammenhang mit dem Herkunftsgebiet aufweisen, wobei mindestens eine Produktionsstufe (Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung) im Herkunftsgebiet stattgefunden haben muss. Bei der Verwendung des Begriffs „Oktoberfestbier“ ist daher besondere Vorsicht geboten. Nicht jedes Bier, das auf einem Oktoberfest getrunken werden soll, darf als „Oktoberfestbier“ bezeichnet oder beworben werden.