Markenrechtsverletzung: keine automatische Haftung des Geschäftsführers

Markenrechtsverletzung: Keine automatische Haftung des Geschäftsführers

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 10.11.2015 entschieden, dass ein Geschäftsführer nicht per se für im Unternehmen begangene Markenrechtsverletzung haftet. Damit folgt das OLG Düsseldorf der jüngst vom BGH eingeschlagenen Rechtsprechung, nach der der Geschäftsführer nicht automatische für Rechtverletzungen im Unternehmen haftet, sondern nur unter besonderen Umständen.

Sachverhalt

Die Klägerin warf dem beklagten Unternehmen und dessen Geschäftsführer Markenrechtsverletzungen durch Etikettierung von Pflasterartikeln mit der Marke X® vor. Aufgrund dessen mahnte die Klägerin sowohl das Unternehmen als auch dessen Geschäftsführer ab und verlangte von diesen Abmahnkosten berechnet nach einem Gegenstandswert von 250.000,00 EUR, Rückruf und Vernichtung mit der Marke gekennzeichneter Produkte. Das beklagte Unternehmen hatte auf die Abmahnkosten einen Teilbetrag von 1.780,20 EUR, berechnet nach einem Gegenstandswert von 100.000 EUR gezahlt.

Das genügte der Klägerin nicht: Sie erhob Klage auf Zahlung weiterer Abmahnkosten und Rückruf und Vernichtung.

Entscheidung Landgericht

Auf die Klage der Klägerin wurde das Unternehmen und dessen Geschäftsführer als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer Abmahnkosten in Höhe von 921,70 EUR und das beklagte Unternehmen zum Rückruf und Vernichtung von sieben neuetikettierten, mit der Marke X® gekennzeichneten Produkte verurteilt.

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass Klägerin von den Beklagten Unterlassung verlangen konnte und daher die Abmahnung berechtigt war. Die Beklagten hätten die mit einem Aufkleber mit der Anschrift und der Pharmazentralnummer des beklagten Unternehmens sowie einem Barcode versehenen Pflaster in Deutschland nicht in den Verkehr bringen dürfen, ohne dies der Klägerin vorher anzuzeigen und auf Verlangen Muster vorzulegen, weil sich die Klägerin dem Vertrieb ohne diese Anzeige nach § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen könne.

Einlegung Berufung

Sowohl das beklagte Unternehmen als auch deren Geschäftsführer legten gegen dieses Urteil Berufung ein.

Sie machten geltend, es liege mangels Neuetikettierung und Anzeigepflicht schon keine Markenrechtsverletzung vor. Zudem sei der Streitwert der Abmahnung weit überzogen. Auch der Anspruch auf Vernichtung gehe ins Leere, weil das beklagte Unternehmen keine entsprechende Ware mehr besitze und jedenfalls seit der Vertriebsanzeige zum Vertrieb berechtigt sei. Schließlich bestehen ohnehin keine Ansprüche gegen den beklagten Geschäftsführer, weil die Klägerin zu dessen Handlungen nichts vorgetragen habe.

Entscheidung Berufungsgericht

Die Berufung hatte überwiegend Erfolg. Ansprüche gegen den Geschäftsführer lehnte das Berufungsgericht ab, Ansprüche gegen das Unternehmen beschränkten sich auf Zinsen.

Markenrechtsverletzung durch Neuetikettierung ohne vorherige Anzeige

Zwar bejahte das Berufungsgericht ebenso wie das Landgericht das Vorliegen einer Markenrechtsverletzung.

"Die Beklagte zu 1) hat durch den Vertrieb der mit Aufklebern versehenen Ware, ohne diesen vorher anzuzeigen, die Klagemarke der Klägerin X® verletzt. (...)
Dem Vorliegen einer durch die Beklagte begangenen Markenverletzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Produkte ursprünglich in den Verkehr gebracht hat. Denn der Grundsatz, dass der Inhaber einer Marke nicht das Recht hat, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind (§ 24 Abs. 1 MarkenG), findet keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke ihrer Benutzung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt (§ 24 Abs. 2 MarkenG). Letzteres ist hier, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, der Fall."

Gegenstandswert von 250.000 EUR für Markenrechtsverletzung weit überzogen

Allerdings schloss sich das Berufungsgericht der Ansicht der Beklagten an, dass der von der Klägerin für die Berechnung der Abmahnkosten in Ansatz gebrachte Gegenstandswert von 250.00 EUR weit überhöht war. Angemessen sei vorliegend lediglich ein Streitwert von 100.000 EUR für die Abmahnung, so dass der Klägerin nur ein Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe der bereits gezahlten 1.780,20 EUR zustand. Zur Bemessung des Streitwertes führte das Gericht wie folgt aus:

"Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Unterlassung. Dieser Wert wird bestimmt durch den Wert des verletzten Zeichens einerseits und die Gefährlichkeit der Verletzung andererseits (...). Zwar bietet die Streitwertangabe der Klägerin regelmäßig ein gewichtiges Indiz, dies entzieht die Wertangabe indes nicht der Nachprüfung. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es weder um den Vertrieb klassischer "Piraterieware" geht, noch etwa nicht erschöpfte Originalware vertrieben wurde, sondern Ware, bei denen sich die Beklagte nur wegen der unterlassenen Vertriebsanzeige nebst Übersendung von Mustern auf Verlangen nicht auf die Erschöpfung berufen kann. Der Angriffsfaktor ist danach eher gering. Hinzu kommt, dass unstreitig der Klägerin in der Vergangenheit allenfalls ein Schaden in Höhe von 5.000,00 € entstanden ist, denn auf die Zahlung in dieser Höhe haben sich die Parteien geeinigt. Unter diesen Umständen ist ein Streitwert von 100.000,00 € eher zu hoch als zu niedrig angesetzt."

Geschäftsführer haftet nicht automatisch für Markenrechtsverletzung seines Unternehmens

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für die in Rede stehende Markenrechtsverletzung verneinte das Berufungsgericht. Eine Haftung von Geschäftsführern per se lehnte es (wie der BGH in vergleichbaren Fällen) ab:

"Ein Anspruch auf Zahlung (...) gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht, weil die Klägerin die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers nicht dargetan hat. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 2) von dem Vertrieb Kenntnis hatte und diesen nicht unterband, begründet seine Haftung nicht.

Der Grundsatz, dass der Geschäftsführer für Kennzeichenverletzungen haftet, wenn er von ihnen Kenntnis hat und sie nicht verhindert, wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht erhalten (BGH GRUR 2014, 883 Rn. 15 - Geschäftsführerhaftung). Zwar kommt bei Kennzeichenverletzungen - anders als bei Wettbewerbsverstößen - grundsätzlich eine zivilrechtliche Haftung als Störer in Betracht. Dies setzt indes voraus, dass der Geschäftsführer willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt (BGH GRUR 2015, 672 Rn. 82 - Videospiel-Konsolen II). Dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal die Frage, inwieweit hier eine Anzeige des Vertriebs erforderlich war, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es ist daher nicht ersichtlich, wodurch der Beklagte hier willentlich zu der Rechtsverletzung beigetragen hat."

OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2015, Az: I-20 U 20/15

Fazit

Das OLG Düsseldorf knüpft ausdrücklich an die Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 (Urteil vom 18.06.2014, I ZR 242/12 - Geschäftsführerhaftung -) zur Haftung von Geschäftsführern für Wettbewerbsverstöße im Unternehmen an. Die persönliche Haftung des Geschäftsführers lehnte der BGH in diesem Urteil ab, da ein Geschäftsführer nicht pauschal für Wettbewerbsverstöße seines Unternehmens hafte. Vielmehr hafte er nur, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen. Allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern. Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat.

Nach dieser neuen Rechtsprechung haftet ein Geschäftsführer persönlich für Markenrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße nur ausnahmsweise. Ob diese Rechtsprechung auch auf das Urheberrecht übertragbar ist, wird kontrovers diskutiert. Das OLG Köln hat eine Übertragung abgelehnt und bejaht weiterhin eine persönliche Haftung des Geschäftsführers neben der Gesellschaft (Urteil vom 05.12.2014 – Az.: 6 U 57/14).