Das OLG Frankfurt am Main hat die Ex-Geliebte des Wettermoderators Kachelmann mit Urteil vom 29.09.2016 verurteilt, Schadenersatz für Kosten zu leisten, die Kachelmann dadurch entstanden sind, dass er aufgrund eines von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwurfs in Untersuchungshaft genommen wurde.
Sachverhalt: Kachelmann verlangt Schadensersatz von Ex-Geliebter
Die Beklagte hatte Kachelmann am 9.2.2010 mit der Behauptung angezeigt, sie am Tag zuvor in ihrer Wohnung vergewaltigt zu haben, indem er ihr ein Küchenmesser an den Hals gedrückt und unter Todesdrohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Infolgedessen erließ das Amtsgericht Mannheim gegen Kachelmann Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, der hierauf am 20.3.2010 auf der Rückreise aus Kanada am Frankfurter Flughafen festgenommen wurde.
Auf die Haftbeschwerde von Kachelmann wurde der Haftbefehl am 29.7.2010 aufgehoben. Bis dahin hatte sich Kachelmann knapp vier Monate in Untersuchungshaft befunden. In dem anschließenden Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim wurde Kachelmann im Mai 2011 freigesprochen, weil die von der Beklagten behauptete Vergewaltigung nicht bewiesen werden konnte.
Mit seiner Klage fordert Kachelmann von der Beklagten Ausgleich eines Teils des Schadens, der ihm durch die Untersuchungshaft entstanden ist. Er macht geltend, dass er zur Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren mehrere Sachverständige habe beauftragen müssen, um die Glaubwürdigkeit der Beklagten sowie die von ihr vorgezeigten Verletzungen zu entkräften. Insoweit hat er mit der Klage zunächst Kostenerstattung in Höhe von rund 13.400 EUR verlangt. In der Berufung hat er die Klage bis auf rund 7.100 EUR zurückgenommen.
Vorinstanz: Landgericht weist Schadensersatzklage von Kachelmann ab
Das zunächst angerufene LG Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 23.12.2013 ab. Zur Begründung führte es aus, zwar sei Kachelmann durch die Anzeigen der Beklagten in Untersuchungshaft genommen worden - die Beklagte habe ihn also der Freiheit beraubt, indem sie staatliche Organe zum amtlichen Eingreifen veranlasst habe.
Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft sei jedoch, dass es sich um eine wahrheitswidrige Anzeige gehandelt habe. Der Beklagten könnte aber nicht vorgeworfen werden, dass sie Kachelmann vorsätzlich wahrheitswidrig einer Vergewaltigung bezichtigt habe mit dem Ziel, diesen seiner Freiheit zu berauben.
Es sei möglich, dass die Beklagte durch „nicht-intentionale Verfälschungs- und Verzerrungseffekte" subjektiv der festen Überzeugung gewesen sei, Opfer einer Vergewaltigung gewesen zu sein, obwohl dies objektiv nicht der Fall war.
Berufungsverfahren: OLG gibt Klage von Kachelmann auf Schadensersatz statt
Gegen die Klageabweisung hat Kachelmann Berufung zum OLG eingelegt. Das OLG hat eine Beweisaufnahme durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens angeordnet, insbesondere zu der Frage, ob sich die Beklagte die im Zuge der Strafanzeige festgestellten Verletzungen selbst zugefügt haben kann.
Mit Urteil vom 29.09.2016 hat das OLG die Entscheidung des LG abgeändert und Kachelmann Schadenersatz zuerkannt. Zur Begründung führt das OLG aus:
Die Beklagte habe sich gegenüber Kachelmann schadenersatzpflichtig gemacht, weil sie wissentlich eine unwahre Strafanzeige erstattet und so - wie von ihr beabsichtigt - die Anordnung der Untersuchungshaft gegen ihn herbeigeführt habe. Hierdurch habe sich die Beklagte der Freiheitsberaubung schuldig gemacht.
Die erlittene Freiheitsentziehung beruhe zwar unmittelbar auf dem Haftbefehl; die Beklagte müsse sich jedoch das staatliche Handeln im Wege der mittelbaren Täterschaft zurechnen lassen, da sie die Ermittlungsbehörden durch die wahrheitswidrige Anzeige und falsche Aussagen vorsätzlich getäuscht habe. Die Überzeugung, dass die Beklagte Kachelmann vorsätzlich der Wahrheit zuwider der Vergewaltigung bezichtigt habe, gründe sich auf das Ergebnis der in der Berufung durchgeführten Beweisaufnahme. Hiernach habe sich die Behauptung Kachelmanns bestätigt, die Beklagte habe sich die festgestellten Verletzungen selbst zugefügt.
So spreche das Verletzungsbild in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Schilderungen der Beklagten nach den Feststellungen des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main für eine Selbstbeibringung. Bedeutsam sei ferner, dass die Schilderungen der Beklagten zum angeblichen Vergewaltigungsgeschehen nicht mit den Verletzungen in Übereinstimmung zu bringen seien und ihre Aussagen für sich genommen erhebliche Plausibilitätsdefizite aufwiesen. Zudem habe die Beklagte im Ermittlungsverfahren unstreitig teilweise falsch ausgesagt.
Die Beklagte habe auch mit direktem Vorsatz gehandelt. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass es ihr gerade darauf angekommen sie, die Verhaftung des K. herbeizuführen.
Für ausgeschlossen hielt das OLG, dass bei der Beklagten eine "Autosuggestion" vorlag, die dazu geführt habe, dass sie nur glaubte, vergewaltigt worden zu sein. Die entsprechende Annahme des LG sei nicht nur spekulativ, sondern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach sich die Beklagte die Verletzungen selbst zufügte, auch widerlegt.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.9.2016, Az.: 18 U 5/14