Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Presse gegenüber dem Auswärtigen Amt ein Anspruch auf Auskunft über dessen rechtliche Einschätzung des "Schmähgedichts“ des TV-Moderators Jan Böhmermann zusteht.
Mit Beschluss vom 30.12.2016 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die erstinstanzliche Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, wonach das Auswärtige Amt verpflichtet ist, der Presse Auskunft über den Inhalt der rechtlichen Prüfung des von dem TV-Moderator Böhmermann unter dem Titel "Schmähkritik" vorgetragenen Gedichts auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan zu geben.
Böhmermann hatte Ende März 2016 in der Sendung "Neo Magazine Royale" das "Schmähgedicht" vorgetragen. Dabei hatte er betont, dass er mit diesem Gedicht den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik deutlich machen wolle. Erdogan leitete daraufhin sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Schritte gegen Böhmermann ein.
Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelte gegen Böhmermann wegen des Verdachts der Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten, nachdem die Bundesregierung die nach § 103 StGB erforderliche Ermächtigung erteilt hatte. Anfang Oktober 2016 stellte die Staatsanwaltschaft Mainz die Ermittlungen gegen Böhmermann jedoch ein.
Der Entscheidung des OVG Berlin war eine Auskunftsklage des Berliner "Tagesspiegel" vorausgegangen. Der Tagesspiegel hatte versucht, vom Auswärtigen Amt Informationen darüber zu erhalten, aufgrund welcher rechtlichen Einschätzung die Bundesregierung im Frühjahr 2016 dazu gekommen war, Ermittlungen gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann zu ermöglichen.
Verhältnis zur Türkei kein Kriterium
Dem Anspruch der Presse auf Auskunftserteilung könne insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zur Türkei haben könnte. Hierzu habe das Auswärtige Amt keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen.
Keine tragfähigen Anhaltspunkte seitens des Auswärtigen Amtes
Das Auswärtige Amt könne sich auch nicht darauf berufen, dass durch die begehrte Auskunftserteilung die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung gefährdet würde. Es sei vom Auswärtigen Amt weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bekanntwerden von Informationen aus einem bereits abgeschlossenen Vorgang zukünftige Beratungen der Bundesregierung beeinträchtigen könnte. Das Auskunftsbegehren ist auf Informationen aus einem Vorbereitungsvermerk und nicht auf die Entscheidung der Bundesregierung über das Strafverlangen der Republik Türkei gerichtet. Es betrifft damit nicht den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung.
Soweit sich das Auswärtige Amt wegen der Pflicht zur Wahrung der Unschuldsvermutung von Herrn Böhmermann an einer Auskunftserteilung gehindert sieht, greife dies nicht mehr durch, nachdem dieser schriftlich auf einen entsprechenden Schutz verzichtet hat und das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.12.2016, Az.: OVG 6 S 29.16 (unanfechtbar)
Quelle: PM des OVG Berlin-Brandenburg vom 02.01.2017 (Nr. 1/17)