Der BGH hob gestern in dem seit 2014 andauernden Streit zwischen der Wochenzeitung "DIE ZEIT" und dem ZDF ein gegen das ZDF vom OLG Hamburg erlassene Unterlassungsurteil auf. Nach Ansicht des BGH beinhaltete der streitgegenständliche Dialog zwischen zwei Kabarettisten in einer Satiresendung "Die Anstalt" im April 2014 keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen. Die konkret angegriffenen Aussagen, zwischen dem Mitherausgeber der "DIE ZEIT" sowie einem ihrer Redakteure und verschiedenen Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen, bestünden Verbindungen, seien nicht zu beanstanden, da diese wahr sind.
Sachverhalt: "DIE ZEIT" verklagt ZDF wegen Äußerungen in Satiresendung "Die Anstalt"
Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung "DIE ZEIT". Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend.
Das ZDF strahlte am 29.4.2014 das Satireformat "Die Anstalt" aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging.
Die Kläger sind der Ansicht, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.
Vorinstanzen verurteilen ZDF zur Unterlassung
Das LG Hamburg wies die Klagen des Herausgebers und Redakteurs der "DIE ZEIT" ab. Das OLG Hamburg gab beiden Klagen statt und verurteilte das ZDF jeweils zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen.
BGH weist Klage gegen ZDF wegen Äußerungen in "Die Anstalt" ab
Auf die Revisionen des ZDF hob der BGH die das ZDF zur Unterlassung verurteilenden Berufungsurteile auf und wies beiden Klagen ab.
Nach Ansicht des BGH hat das OLG den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können.
Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zutreffend.
BGH, Urteil vom 10.01.2017, Az.: VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15
Quelle: PM des BGH vom 10.01.2017
Fazit
Die BG-Urteile unterstreichen die besondere Bedeutung und den hohen Stellenwert der Satirefreiheit. Einmal mehr hob der BGH Urteile des OLG Hamburg auf. Dieses ist dafür bekannt, in Äußerungen Aussagen hinein zu interpretieren, die so tatsächlich gar nicht getätigt wurden.
Der BGH stellte in diesen Urteilen noch einmal folgendes klar:
1. Zur Erfassung des Aussagegehalts einer beanstandeten Äußerung muss diese stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Ein Kleben am Wortlaut ist daher unzulässig.
2. Satirische Äußerungen sind zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden.
3. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag komme es darauf an, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt.