Das OLG Schleswig hatte sich damit zu beschäftigen, ob und welche Nutzerdaten Instagram herausgeben muss, wenn über einen Nutzer-Account strafrechtlich relevante Persönlichkeitsrechtsverletzungen erfolgen. Nach Ansicht des Gerichts muss Instagram (nur) Auskunft über Bestandsdaten wie Namen, die E-Mail-Adresse und Telefonnummer erteilen.
Fake Account auf Instagram mit Fake-Fotos - Betroffene verlangt Auskunft von Instagram
Eine der Antragstellerin unbekannte Person hatte 2021 einen Account auf Instagram mit dem Nutzernamen "X_wurde_gehackt" erstellt und dort in einem mit "Nudes" bezeichneten Ordner Bilder und Äußerungen eingestellt. Der Account war zunächst öffentlich und wurde sodann auf "privat" geändert. Die Bilder zeigten eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau mit langen braunen Haaren, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt ist. Auf den Fotos waren die folgenden Äußerungen zu lesen:
- "Ich bin eine schlampe mit push up",
- "Ich bin die kachi von nebenan",
- "Will, dass du mich leckst, Babe, du darfst bei mir Backstage",
- "Schreibt mir wenn ihr ficken wollt".
Die Antragstellerin meldete den Account, der daraufhin deaktiviert wurde, so dass die Bilder nicht mehr abrufbar waren. Zudem verlangte sie von Instagram Auskunft über Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, IP-Adresse. Sie machte geltend, dass die Inhalte des Fake Profils ihre Persönlichkeitsrechte verletzen und sie diese Informationen zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Inhaber des Nutzerkontos benötige. Hinsichtlich der Auskunft über die Telefonnummer hatte die Antragstellerin vorgetragen, dass sich zahlreiche Personen bei Instagram nicht mehr mit ihrer E-Mail-Adresse, sondern mit ihrer Telefonnummer registrierten, so dass nur bei einer Auskunft auch hierüber ihre Rechte gewahrt werden könnten.
Instagram verweigerte die Auskunft und bestritt, dass die Antragstellerin auf den Fotos von ihren Klassenkameraden erkannt worden sei. Zudem gab Instagram an, dass es ihr ihr unmöglich sei, Auskunft über IP-Adressen zu erteilen, da sie nicht feststellen könne, ob eine bestimmte IP-Adresse zum Zeitpunkt des Hochladens eines Inhalts verwendet worden sei.
Das Landgericht wies den Auskunftsantrag vollständig zurück. Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Beschwerde ein.
OLG Schleswig: Instagram muss nach strafbarer Rechtsverletzung Auskunft erteilen
Die Beschwerde war mit Blick auf Bestandsdaten (Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer) erfolgreich, mit Blick auf Nutzerdaten (IP-Adresse) blieb sie erfolglos.
Auskunftsanspruch gegen Social Media Plattformen folgt aus § 21 TTDSG
Ein Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten von Nutzern gegen Instagram folge aus § 21 Abs. 2, Abs. 3 TTDSG, soweit die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist:
"Nach § 21 Abs. 2 TTDSG ist ein Anbieter von Telemedien verpflichtet, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. (…) Durch den Inhalt des Nutzeraccounts "X_wurde_gehackt" werden absolut geschützte Rechte der Antragstellerin rechtswidrig verletzt. Diese Voraussetzung erfordert eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin (…). Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG, der rechtswidrige Inhalte als Inhalte definiert, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. (…)
Entgegen der Ausführungen des Landgerichts bedarf es nach der aktuellen Fassung des § 21 TTDSG (…) keines gesonderten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragstellerin (…). Vielmehr ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 2 TTDSG, dass die Beteiligte zu 2) gegenüber der Verletzten zur Auskunft verpflichtet ist, sofern die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG vorliegen. Hierin ist ein eigenständiger materiell-rechtlicher Anspruch zu sehen, so dass sich Ausführungen zu der erstinstanzlich umfassend erörterten Frage, woraus sich ein Auskunftsanspruch ergeben könnte, erübrigen.“
Fake-Account nebst Fake-Fotos und ehrverletzenden Kommentaren = strafbare Beleidigung
Sodann führte das OLG aus, dass die Erstellung des Fake-Accounts und das Hochladen der Fake-Bilder nebst Kommentaren den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen:
"Hier wird durch den Fake-Account zum einen suggeriert, dass die Antragstellerin "gehackt" wurde, ihr Nutzerprofil also dem Zugriff fremder Dritter ausgesetzt wurde. Diese Behauptung ist zwar als solches nicht beleidigend. Allerdings wurden auf dem hier gegenständlichen Account auch Fotos eingestellt, die die Antragstellerin darstellen sollen, und verbunden hiermit werden ihr Äußerungen zugeschrieben, die den Eindruck hervorrufen, sie sei an sexuellen Kontakten interessiert und eine "Schlampe". Darin liegt eine Beleidigung, da diese sexuellen Anspielungen geeignet sind, die Antragstellerin, die als Minderjährige stärker als Erwachsene des Schutzes in ihrer Persönlichkeitsentwicklung bedarf, verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Der Nutzer suggeriert durch Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet wird, wird der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert, was eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt (…).“
Um ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Ersteller des Fake-Accounts zivilrechtlich geltend machen zu können, sei die Antragstellerin auch auf die Auskunftserteilung durch Instagram angewiesen. Eine andere Möglichkeit, den Ersteller des Nutzerkontos zu ermitteln, habe sie nicht.
Instagram muss Auskunft über Bestandsdaten erteilen, nicht über Nutzerdaten
Instagram schulde jedoch nur Auskunft über die bei Instagram hinterlegten Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern (= Bestandsdaten), nicht dagegen über die IP-Adresse (= Nutzerdaten):
"Allerdings umfasst die Auskunft nur die (…) vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich ist. Dazu gehören Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers, nicht aber die IP-Adressen, von denen aus die Inhalte hochgeladen wurden. Dieses sind Nutzungsdaten im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG, wonach Nutzungsdaten die personenbezogenen Daten eines Nutzers von Telemedien [sind], deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen."
OLG Schleswig, Beschluss vom 23.02.2022 - 9 Wx 23/21
Praxishinweis:
Niemand muss und sollte Beleidigungen auf Social Media hinnehmen. Wie der Beschluss des OLG Schleswig zeigt, sind Betreiber von Sozialen Medien wie Instagram, Facebook, Twitter & Co. verpflichtet, Betroffenen durch Erteilung von Auskunft über Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnnummern von Nutzern dabei zu helfen, gegen Hass und Hetze sowie Beleidigungen im Netz vorzugehen.