Arbeitgeber dürfen kranke Arbeitnehmer nicht heimlich filmen

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Arbeitgeber dürfen krank gemeldete Arbeitnehmer nicht heimlich filmen, sofern keine hinreichenden Verdachtsmomente für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vorliegen. In diesem Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück heimlich durch ein Loch in der Hecke filmen lassen. Eine solche Maßnahme stelle einen erheblichen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers dar. Die heimlichen Filmaufnahmen dürfen daher im Kündigungsschutzprozess nicht verwertet werden. Dies hat das LAG Nürnberg mit Urteil vom 29.11.2022 entschieden und damit die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt.

Die Hintergrundgeschichte

In dem vorliegenden Fall hatte sich ein schwerbehinderter Arbeitnehmer, der seit 23 Jahren als Betontechnologe tätig ist, krank gemeldet. Der Arbeitgeber hatte jedoch Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Er heuerte daher einen Privatdetektiv an, um Hinweise auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu finden. Der Detektiv filmte den Arbeitnehmer heimlich auf dessen Privatgrundstück, während dieser schwere körperliche Arbeiten bei Bauarbeiten durchführte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Arbeitnehmer fristlos, da er das Verhalten des Arbeitnehmers als gesundheitsschädlich ansah und die Arbeitsunfähigkeit als vorgetäuscht betrachtete.

Das Urteil des LAG Nürnberg

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hielt die fristlose Kündigung für unwirksam. Die vom Arbeitgeber als Beweis vorlegten heimlichen Filmaufnahmen ließ das Gericht nicht zu. Denn Arbeitgeber dürfen ohne hinreichende Verdachtsmomente erkrankte Arbeitnehmer nicht heimlich auf dessen Privatgrundstück filmen lassen. Solche hinreichenden Verdachtsmomente konnte der Arbeitgeber nicht benennen. Heimlichen Filmaufnahmen stellten einen erheblichen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers dar. Arbeitnehmer könnten davon ausgehen, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen wie das heimliche Filmen nur bei einem begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden dürfen. Eine heimliche Überwachung darf dagegen nicht willkürlich oder aufgrund geringfügiger Verstöße erfolgen.

Die eigenen Aussagen des Arbeitnehmers zu den Gartenbauarbeiten können dagegen berücksichtigt werden. Die vom Arbeitnehmer eingeräumten Gartenarbeiten rechtfertigen jedoch keine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Auf Antrag des Arbeitnehmers wurde das Arbeitsverhältnis dennoch aufgelöst, und zwar gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000 EUR. Nach Ansicht des Gerichts sie aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers aus Sicht des Arbeitnehmers keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich.

LAG Nürnberg, Urteil vom 22.09.2022, AZ: 1 Sa 250/22

Praxishinweis

Das Urteil schützt die Privatsphäre von erkrankten Arbeitnehmern und stellt sicher, dass heimlich erstellte Filmaufnahmen oder Aussagen eines beauftragten Privatdetektivs im Kündigungsschutzprozess nicht gegen sie verwendet werden können, sofern es keine hinreichenden Verdachtsmomenten für eine nur vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit gibt.

Sollte ein Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers haben, darf er nur bei hinreichenden Verdachtsmomenten zu Mitteln wie der heimlichen Filmaufnahmen greifen. Bestehen keine hinreichenden Verdachtsmomente, unterliegen heimliche Filmaufnahmen einem sog. Beweisverwertungsverbot, d.h. diese dürfen vom Gericht im Arbeitsgerichtsprozess nicht berücksichtigt werden. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und sich gegen unzulässige Überwachungsmaßnahmen wehren.