Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte darüber zu entscheiden, ob die Entlassung eines Polizeimeisteranwärters aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen des Versands rechtsextremistischer WhatsApp-Nachrichten rechtmäßig war. Das Gericht bejahte dies, da in einem solchen Fall die charakterliche Eignung für den Polizeidienst fehle. Anlass waren Aufkleber, die eine uniformierte Person mit Gasmaske und sichtbarem Hakenkreuz auf der Uniform zeigten.
Sachverhalt: Sticker mit uniformierter Person, Gasmaske und Hakenkreuz
Der 1999 geborene Kläger wurde Ende November 2020 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeimeisteranwärter ernannt. Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses vom 22.08.2022 wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers durch das Polizeipräsidium beschlagnahmt.
Die Auswertung des Mobiltelefons ergab, dass der Beschwerdeführer seit April 2018 Mitglied einer WhatsApp-Chatgruppe mit mindestens 34 Personen war. Am 28.09.2019 hatte der Kläger in dieser Gruppe eine Bilddatei (sog. „Sticker“) hochgeladen, die eine uniformierte Person mit Gasmaske zeigt, auf deren Uniform ein deutlich sichtbares Hakenkreuz abgebildet ist. Das Bild ist mit „Willste Spaß brauchste Gas“ überschrieben.
Der Kläger wurde aufgrund dieses Posts nach vorheriger Anhörung wegen mangelnder charakterlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Das Versenden des Stickers in der WhatsApp-Chatgruppe begründe erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst. Durch das Versenden habe sich der Kläger den Aussagegehalt des Bildes zu eigen gemacht; es sei daher zu befürchten, dass er sich mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus identifiziere. Die vom Kläger versandte Bilddatei verhöhne die Massentötung von Menschen in Gaskammern während der Zeit des Nationalsozialismus. Dies sei mit dem Amt eines Polizeibeamten und der damit verbundenen Stellung als Repräsentant eines demokratischen Rechtsstaates unvereinbar. Zudem habe sich der Kläger durch diese Äußerung möglicherweise wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht.
Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch und anschließend Klage. Zur Begründung führte er an, die Beklagte habe seine bisherigen überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen nicht berücksichtigt. Sein Freundeskreis bestehe aus Personen verschiedener Nationalitäten und Religionen. Es handele sich daher um ein singuläres Ereignis, das keine Rückschlüsse auf die Gesinnung oder innere Haltung des Klägers zulasse. Es sei unstreitig, dass der in Rede stehende Aufkleber die Grenzen des guten Geschmacks verletze und seine Verwendung unentschuldbar sei. Es liege jedoch in der Natur solcher „Memes“, dass sie in Chatgruppen verwendet würden, um zu provozieren, Grenzen zu überschreiten und an der dort herrschenden Gruppendynamik teilzuhaben.
Urteil: Entlassung aus dem Polizeidienst war rechtmäßig - charakterlich ungeeignet
Die Klage blieb erfolglos. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger rechtsfehlerfrei aus dem Polizeivollzugsdienst entlassen wurde. Die Einschätzung der Beklagten, dass der Kläger nicht die charakterliche Eignung für den Dienst besitze, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe auf das einmalige Ereignis abstellen dürfen, das sich vor dem Eintritt des Klägers in den Polizeivollzugsdienst ereignet habe.
Ob der Vorfall tatsächlich Ausdruck einer fremdenfeindlichen Gesinnung des Klägers gewesen sei, sei nicht entscheidend. Der Kläger müsse den Aussagegehalt des Bildes so gegen sich gelten lassen, wie er objektiv zu verstehen sei. Dieser sei menschenverachtend, gewaltverherrlichend und antisemitisch. Den Holocaust und damit die massenhafte Vernichtung von Menschenleben als geeignetes oder hinnehmbares Mittel einer humoristischen Grenzüberschreitung anzusehen und sich durch die Gruppendynamik innerhalb einer Chatgruppe zum Teilen solcher Inhalte verleiten zu lassen, sei mit dem Beruf eines Polizeibeamten unvereinbar.
"Die Annahme der fehlenden charakterlichen Eignung begegnet aber auch dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man das – insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vertiefte – Vorbringen des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten zugrunde legt, wonach der Kläger sich keinesfalls mit fremdenfeindlichem oder antisemitischem Gedankengut identifiziere, sondern derartige Sticker als im Rahmen sozialer Medien und Messengerdienste eingesetztes Mittel der Provokation bzw. bewussten Grenzüberschreitung verstehe. Denn auch in diesem Fall mangelt es dem Kläger erkennbar an der erforderlichen charakterlichen Reife und Stabilität für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten. Mit dem Beruf des Polizeivollzugsbeamten und dessen Verpflichtung zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist es unvereinbar, wenn der Beamte den Holocaust und damit die massenhafte Vernichtung menschlichen Lebens als geeignetes oder akzeptables Mittel einer humoristischen Grenzüberschreitung ansieht und sich allein durch die innerhalb einer Chatgruppe herrschende „Gruppendynamik“ dazu verleiten lässt, derartige Inhalte zur Belustigung anderer zu teilen (....)."
Gegen das Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung beantragen.
Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 12.09.2023, AZ: 2 K 354/23.KO
Quelle: VG Koblenz vom 28.09.2023
Fazit dieses Urteils:
⇒ Nicht nur innerdienstliche Vorkommnisse, sondern auch das außer- oder vordienstliche Verhalten eines Beamten kann wegen der Schwere der jeweiligen Verfehlung Anlass zu der Annahme geben, dass der Beamte die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt.
⇒ Auch aus einem einmaligen Fehlverhalten eines Beamten können Zweifel an dessen charakterlichen Eignung abgeleitet werden, wenn dieses einmalige Verhalten die charakterlichen Mängel bereits hinreichend deutlich erkennen lässt. Unerheblich ist, ob der betreffende Vorfall tatsächlich Ausdruck einer fremdenfeindlichen Gesinnung des Beamten ist oder nicht.
⇒ Für die Feststellung der charakterlichen Ungeeignetheit eines Beamten ist keine gesicherte fremdenfeindliche oder rechtsextremistische Gesinnung erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn der Beamte durch sein Verhalten Anlass zur Besorgnis gegeben oder den äußeren Anschein erweckt hat, dass er einer solchen Gesinnung nicht ablehnend gegenübersteht.