Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Urteil vom 10.10.2013 entschieden, dass Nachrichtenseiten im Internet für beleidigende Kommentare ihrer Nutzer haften. Der EGMR hat die Klage eines großen estnischen Nachrichtenportals wegen angeblicher Verletzung seiner Meinungsfreiheit zurückgewiesen.
Sachverhalt
2008 hatten estnische Gerichte den Portalbetreiber Delfi AS wegen beleidigender Kommentare seiner Leser zu einer Geldstrafe verurteilt. In Rede stand ein Bericht des Nachrichtenportals über Auswirkungen, die neue Fährrouten einer Fährgesellschaft für andere Verbindungen zu einigen Inseln hatten. So sollten auf den neuen Routen eingesetzte Eisbrecher auch dort die Stabilität des Eises beeinträchtigen, wo Autostraßen über das Eis zu den Inseln angelegt werden sollten. Der Bau der Straßen sei dadurch um einige Wochen verzögert worden.
Auf diesen Bericht hatten Leser in Kommentare mit Beleidigungen und Drohungen gegen die Fährgesellschaft reagiert, die daraufhin gegen Delfi klagte und gewann. 2008 wurde Delfi verurteilt, der Fährgesellschaft Schadensersatz in Höhe von ca. 320 EUR zu leisten. Der Oberste Gerichtshof wies den Berufungsantrag von Delfi ab. Delfi hatte sich u.a. auf die Haftungsprivilegien von Providern berufen. Gegen diese Verurteilung rief Delfi den EGMR an. Vor dem EGMR vertrat Delfi die Ansicht, dass die estnischen Gerichte ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt hätten.
Entscheidung EGMR
Dieser Ansicht schloss sich der EGMR an, hielten den Eingriff jedoch für gerechtfertigt, da Delfi trotz eindeutiger Warnungen an die Nutzer und automatischer Wortfilter nicht genug getan habe, um beleidigende Kommentare von Lesern schnell zu entfernen.
Zwar - so der EGMR - habe die betroffene Fährgesellschaft gegen die Verfasser der Kommentare vorgehen können. Diese seien jedoch nur schwer oder gar nicht zu ermitteln gewesen, da Lesern Kommentare ohne Registrierung abgeben konnten. In diesem Fall sei es daher zweckmäßig und angemessen, Delfi für die Kommentare verantwortlich zu machen. Dies nicht zuletzt, weil Delfi aus diesen wirtschaftlichen Vorteile ziehe. Zudem habe das estnische Gericht nur eine kleine Strafe (320 EUR) verhängt.