Rechtswidrige Pressefotos: 60000 EUR Geldentschädigung

Das Landgericht Hamburg hat der Ehefrau des weltbekannten, ehemaligen Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacherer 60.000 EUR Entschädigung wegen rechtswidriger Pressefotos zuerkannt.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt wegen der Veröffentlichung von Fotos die Zahlung einer Geldentschädigung. Sie ist die Ehefrau des weltbekannten, ehemaligen Formel-1-Rennfahrers M. S.. Dieser ist am 29.12.2013 beim Skifahren schwer verunglückt und war seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen. Nach dem Unfall wurde er im Krankenhaus in G. intensivmedizinisch betreut. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Unfalls versammelte sich eine große Zahl an Journalisten vor der Klinik.

Am 03.01.2014, fünf Tage nach dem Unfall, besuchte die Klägerin ihren Ehemann an dessen Geburtstag im Klinikum in G.. An diesem Tag entstanden sämtliche streitgegenständlichen Aufnahmen.

Die Beklagte berichtet seit Beginn 2014 in von ihr verlegten Zeitschriften umfassend über das Unglück des Ehemanns der Klägerin. Die Klägerin ging jeweils gegen die Veröffentlichungen vor und erwirkte diverse einstweilige Verfügungen und Unterlassungsverpflichtungserklärungen.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe in eklatanter Weise und mit erschreckender Gleichgültigkeit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht in regelmäßiger Wiederkehr verletzt. Sämtliche streitgegenständlichen Bildberichterstattungen stellten einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild sowie den Kernbereich ihrer Privatsphäre dar und seien rechtswidrig. Es handele sich um schwerwiegende Eingriffe in den intimen Kernbestand der Privatsphäre der Klägerin.

Es falle erschwerend ins Gewicht, dass die Bildnisse der Klägerin in einer absoluten Ausnahmesituation des Schmerzes und der Trauer sowie in einem Zustand extremer psychischer und körperlicher Anspannung aufgenommen worden seien. Die Beklagte habe rücksichtslos ausgenutzt, dass die Klägerin keine Chance gehabt habe, sich den Fotografen zu entziehen. Sie werde in einem höchst privaten Moment gezeigt. Sie habe ohnehin eine kaum vorstellbare schwere Last zu tragen und es habe eine erhebliche zusätzliche Belastung dargestellt, bei ihren Krankenhausbesuchen jedes Mal zunächst einen Spießrutenlauf durch die sie bedrängende Journalistenmenge zu absolvieren, um ihrem Ehemann beistehen zu können.

Die besondere Schwere ergebe sich auch daraus, dass die Bildnisse mitunter großformativ als Aufmacher auf Seite 1 platziert worden seien.

Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin weder herausragend bekannt noch prominent sei. Sie sei nicht eine Person, die aus eigenem Antrieb das Licht der Öffentlichkeit oder mediale Präsenz suche. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin es in einer Disziplin des Westernreitens zu beachtlichen Erfolgen gebracht habe. Hierüber werde stets nur im Zusammenhang mit ihrem Ehemann berichtet, zudem führe dieser Umstand mitnichten dazu, dass sie eine Person von öffentlichem Interesse sei und insoweit von medialer Präsenz gesprochen werden könne.

Der Beklagten sei es in jedem der Beiträge ausschließlich darum gegangen, leichteste Unterhaltung zu präsentieren. Sie habe den schweren Schicksalsschlag der Klägerin ihren wirtschaftlichen Interessen untergeordnet und ohne Rücksicht einer Zwangskommerzialisierung zugeführt. Anlass und Beweggrund seien rein monetärer Art gewesen, getrieben von Profitgier. Ein ernstzunehmendes redaktionelles Anliegen habe die Beklagte nicht verfolgt.

Die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt. Sie habe selbst dann von der rechtsverletzenden Veröffentlichung nicht gelassen, als ihr die Rechtslage in Abmahnungen dargelegt worden sei und als ihr zur Bestätigung der Rechtslage Beschlüsse u.a. des Landgerichts Hamburg zugestellt worden seien. Auch als ihr die ersten einstweiligen Verfügungen durch Gerichtsvollzieher zugestellt worden seien, habe sie sich nicht von weiteren Veröffentlichungen abbringen lassen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 120.000,00 EUR zu zahlen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht gab der Klägerin im Grundsatz Recht, verurteilte die Beklagte jedoch nur zur Zahlung von 60.000 EUR. Zur Begründung führte das Gericht wie folgt aus:

Persönlichkeitsrechtsverletzung

"Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bildnisse der Klägerin am 03.01.2014 vor der Klinik in G. stellt eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild als spezialgesetzlicher Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist hinsichtlich sämtlicher Berichterstattungen begründet. Eine, auch nur konkludente Einwilligung in die jeweilige Veröffentlichung der Bildnisse gemäß § 22 KUG ist nicht ersichtlich. Auch im Rahmen von § 23 KUG ist die Bildnisveröffentlichung jeweils rechtswidrig, weil jedenfalls die berechtigten Interessen der Klägerin gemäß § 23 Abs. 2 KUG überwiegen.

Nach dem abgestuften Schutzkonzept dürfen Bildnisse einer Person ausnahmsweise gemäß § 23 Abs. 1 KUG auch ohne ihre Einwilligung verbreitet werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.

(...)

Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der Unfall von M. S. ein zeitgeschichtliches Ereignis auch für die Klägerin darstellt, das jeweils die Veröffentlichung ihres Bildnisses vor der Klinik am 03.01.2014 im Rahmen von § 23 Abs. 1 KUG tragen könnte. Nach § 23 Abs. 2 KUG überwiegen jedenfalls ihre berechtigten Interessen ein etwaiges öffentliches Informationsinteresse. Die Kammer hat insoweit in anderer Sache (...), gleichwohl ebenfalls zu einer Aufnahme der Klägerin vor der Klinik in G. am 03.01.2014 ausgeführt:

"Es ist eine Selbstverständlichkeit und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Klägerin durch den Unfall ihres Ehemanns in eine Ausnahmesituation geraten ist, die sie einerseits in besonderem Maße in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gezogen hat und die zugleich andererseits eine kaum vorstellbare emotionale Belastung in der Sorge um das Leben ihres Ehemanns darstellte. (...)

Auf der einen Seite besteht ein ganz erhebliches Interesse der Öffentlichkeit daran zu erfahren, wie die Klägerin mit einer solchen Ausnahmesituation umgeht und zurechtkommt. Auf der anderen Seite ist die Klägerin im Kern ihrer Privatsphäre betroffen, wenn sie in einer Situation gezeigt wird, in der sie die Möglichkeit haben muss, mit ihrem Schmerz, ihrer Verzweiflung und ihrer Unsicherheit umzugehen und sich mit der traumatisierenden Situation eines Ereignisses, das das Schicksal der gesamten Familie ändert, auseinanderzusetzen. (...) Dem Leser wird die Traumatisierung der Klägerin nachgerade vor Augen geführt. In einem Moment höchster emotionaler Belastung wird die Klägerin in einem besonders weitreichenden Maße der öffentlichen Wahrnehmung und Erörterung ausgesetzt. Es handelt sich insoweit zudem nicht um das Unfallopfer selbst, sondern um die nächste Angehörige.

Die Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre der Klägerin ist außerordentlich erheblich. Während sich die Klägerin in einer dramatischen Situation für ihre ganze Familie befindet, in der naturgemäß die Gedanken und Gefühle um den Ehemann und nicht zuletzt auch die gemeinsamen Kinder kreisen, fokussiert sich das Interesse der Öffentlichkeit gerade auf die Frage, wie die Klägerin mit einer solchen Situation umgeht und fertig wird und ob sie es schafft und die Kraft hat, durch diese Zeit zu gehen ohne zusammenzubrechen, womit sie zudem noch als Stütze für ihre Kinder in der Zeit enormer Belastung ausfallen würde. Dies wird auch in der von der Beklagten vorgelegten Berichterstattung (...) deutlich. Die Veröffentlichung des Bildes macht diese Situation der Klägerin sichtbar, sie wird - fokussiert auf ihr Gesicht und ihre Haltung - öffentlich wahrnehmbar gemacht. Ein anderes Interesse der Öffentlichkeit an der hier gegenständlichen Aufnahme ist nicht erkennbar.

Es darf indes unterstellt werden, dass eine öffentliche Erörterung der Gemütslage in einer Situation, wie die der Klägerin, fünf Tage nach dem lebensgefährlichen Unfall ihres Ehemanns, bereits deshalb keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellen und keine ernsthafte und sachbezogene Erörterung einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse sein kann, weil es an einer entsprechenden selbstreflektiven Betrachtung der Situation fehlt, weil niemand, der sich nicht in einer solchen Situation jemals befunden hat, ernsthaft ermessen kann, unter welcher psychischen Belastung die Klägerin stand. Konzentriert sich indes die öffentliche Erörterung allein auf das Schicksal der Klägerin, handelt es sich letztlich um nicht mehr als Voyeurismus, der mit dieser Abbildung befriedigt werden soll."

Diese Erwägungen gelten im vorliegenden Fall für die jeweiligen Veröffentlichungen in gleichem Maße."

Erheblichkeit der Persönlichkeitsrechtsverletzung

Den erheblichen Eingriff bejahte das Landgericht, da die Beklagte über einen Zeitraum von drei Monaten in insgesamt neun Heften, teilweise auf der Titelseite, teilweise großformatig im Innenteil, wieder und wieder das gleiche Motiv, das die Klägerin am 03.01.2014 vor der Klinik in G. zeigt, veröffentlicht hat, obwohl sie spätestens seit der Abmahnung der Klägerin wusste, dass diese mit der Bildnisveröffentlichung nicht einverstanden ist. Nachfolgend erschienen noch weitere vier Beiträge. Auch nach Zustellung von 4 einstweiliigen Verfügungen erfolgten weitere 2 Veröffentlichungen. Schließlich erschienen auch noch nach Abgabe der Unterlassungserklärung und Anerkennung einer einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung noch eine weitere Veröffentlichung. Die Beklagte hat daher -so das Gericht -  in bemerkenswert hartnäckiger Weise trotz unmissverständlicher Hinweise der Klägerin und gerichtlicher Gebote Bildnisse der Klägerin vom 03.01.2014 vor der Klinik in G. veröffentlicht. Dies begründet - so das Gericht - zugleich das ganz erhebliche Verschulden der Beklagten.

Schadensersatzhöhe

Nach Ansicht des Gerichts lässt sich die eingetretene schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht in anderer Weise als durch die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes ausgleichen:

"Ausgehend von vier Veröffentlichungen nach Bekanntwerden des entgegenstehenden Willens der Klägerin und jedenfalls zwei Veröffentlichungen nach Zustellung der ersten einstweiligen Verfügungen sowie unter Berücksichtigung des nicht unerheblichen Verbreitungsgrades dieser Veröffentlichungen (... ) hält die Kammer eine Geldentschädigung in Höhe von 60.000,00 Euro für geboten, aber auch ausreichend, um der eingetretenen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung gerecht zu werden. Dabei hat die Kammer einerseits das erhebliche Informationsinteresse der Öffentlichkeit und andererseits die einmalige Ausnahmesituation für die Klägerin berücksichtigt."

LG Hamburg, Urteil vom 25.09.2015, Az.: 324 O 161/15