Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 12.03.2020 entschieden, dass eine Influencerin nach ihrem Ausscheiden als Geschäftsführerin einer im Online-Modevertrieb tätigen GmbH einen Ausgleichsanspruch hat. Demzufolge ist die GmbH verpflichtet, der Influencerin Auskunft über die von der GmbH verkauften Bekleidungsstücke zu erteilen, damit diese ihren Ausgleichsanspruch beziffern kann.
Sachverhalt: Influencerin verlangt Umsatzbeteiligung nach Ausscheiden aus GmbH
Die damals 20-jährige Klägerin betätigt sich seit 2013 als „Fashion-Bloggerin“ und postete auf ihrem Instagram-Account Bilder von sich und mit von ihr gestaltete Bekleidungsstücke unter einem eigenen Modelabel. Sie erlangte aufgrund damals bereits ca. 50.000, heute rund 900.000 Followern auf Instagram einen gewissen Bekanntheitsgrad.
Ende 2014 vereinbarte der jetzige Geschäftsführer der beklagten GmbH - ohne schriftliche Niederlegung - mit ihr eine Zusammenarbeit dergestalt, dass sie gemeinsam mit Logos veredelte Kleidungsstücke in einem Online-Shop verkaufen wollten. Die Klägerin sollte dabei eine 10%ige Umsatzbeteiligung erhalten.
Der Zahlungsverkehr lief in der Folge u.a. über ein Paypal-Konto, wovon Geld auf ein der Klägerin zugängliches Konto floss. Diese war ab November 2015 Geschäftsführerin der zunächst als Unternehmergesellschaft (UG) gegründeten Beklagten und bezog dafür kein Gehalt. Vielmehr sollten ihr weiterhin ein 10 % Anteil an den Umsätzen der unter der angemeldeten Marke „Blackdope“ vertriebenen Produkte zustehen. Alleingesellschafter der UG und späteren GmbH war deren heutiger Geschäftsführer.
Nach einem Streit mit diesem schied die Klägerin zum 01.06.2016 aus der GmbH aus. Sie behauptet, während ihrer Zeit als Geschäftsführerin nicht über finanzielle Dinge unterrichtet worden zu sein, weshalb sie einen Auskunftsanspruch sowie die Feststellung geltend macht, dass die beklagte GmbH abzüglich bereits bezahlter rund 21.000 EUR ihr 10 % des Nettoumsatzes bezahlen müsse.
Vorinstanz: Geschäftsführer-Bloggerin steht Umsatzbeteiligung zu
Das Landgericht gab der Klage der Influencerin teilweise statt: Bis zu ihrem Ausscheiden stehe ihr eine 10%ige Beteiligung an dem mit „Blackdope-Produkten“ erzielten Nettoumsatz zu; nach ihrem Ausscheiden habe sie für einen 2-Jahres-Zeitraum einen auf 5% reduzierten Anspruch auf Beteiligung.
Berufung: Influencerin steht auch nach Ausscheiden aus GmbH Umsatzbeteiligung zu
Die hiergene eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Zwar hätten die Parteien keine vertraglichen Regelungen für die Honorierung der Geschäftsführertätigkeit der Klägerin bei der UG bzw. GmbH getroffen, doch diese Regelungslücke sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens zu füllen.
Die vereinbarte Umsatzbeteiligung sei zum einen für die konkrete verkaufsfördernde Aktivität der Klägerin, ihre Mithilfe bei den Entwürfen und die von ihr geposteten Fotos mit den Bekleidungsstücken, zum anderen aber auch im Hinblick auf die Übernahme der von der Klägerin verwendeten Bezeichnung „Blackdope“ sowie im Hinblick auf das verkaufsfördernde positive Image und die Bekanntheit der Klägerin gewährt worden.
Umsatzbeteiligung zeitlich beschränkt auf 2 Jahre nach Austritt
Das Ausscheiden der Klägerin aus der Beklagten und der damit verbundene Wegfall ihrer Unterstützung beim Vertrieb der Ware wäre deshalb von den Parteien, hätten sie diese Frage bedacht, so berücksichtigt worden, dass sich die ihr zustehende Umsatzbeteiligung reduziert und im Hinblick auf das zunehmende „Verblassen“ der Verbindung der „Blackdope“-Produkte mit der Klägerin befristet worden wäre. Das Gericht hält daher - wie das Landgericht - eine Reduzierung der Umsatzbeteiligung um die Hälfte sowie eine zeitliche Beschränkung auf zwei Jahre nach dem Ausscheiden der Influencerin für sachgerecht.
Der Umstand, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden zum Boykott der Produkte aufgerufen hat, führt nicht zu einem Wegfall des Anspruchs auf Umsatzbeteiligung.
Influencerin steht auch Anspruch auf Auskunft zu
Daneben besteht entsprechend § 242 BGB auch ein Anspruch der geschäftlich unerfahrenen Influencerin auf Auskunftserteilung, da sie über ihren Anspruch auf Umsatzbeteiligung in Unkenntnis war und ist. Dieser Anspruch sei mit der pauschalen Mitteilung der Beklagten, im 2-Jahres-Zeitraum nach dem Ausscheiden der Klägerin habe der Bruttoumsatz mit den Produkten rund 490.000 € betragen, bis heute nicht erfüllt.
OLG Stuttgart, Urteil vom 12.03.2020, 14 U 155/19
Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 12.03.2020