Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 13.02.2020 entschieden, dass Facebook eine automatisch und ohne Zustimmung des Unternehmens generierte Facebook-Seite löschen muss. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht erkennbar ist, dass es sich um eine inoffizielle Fanpage handelt.
Sachverhalt: Kanzlei verlangt Löschung automatisch generierter Profilseiten von Facebook
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, stellte fest, dass ohne ihre Einwilligung auf Facebook Profile mit ihrem Namen eingerichtet worden waren. Dabei handelt sich um sog. nicht-verwaltete Seiten, die automatisch von Facebook generiert werden, wenn ein Unternehmen nicht über ein Facebook-Profil verfügt und ein Nutzer das Unternehmen dort sucht, wobei die Angaben auf öffentlich zugänglichen Informationen beruhen.
Die Klägerin wandte sich an Facebook und verlangte Löschung der Profile. Da Facebook hierauf nicht reagierte, beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Facebook, die wie beantragt erlassen wurde. Sodann forderte die Klägerin Facebook auf, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung zu akzeptieren, was ebenfalls nicht erfolgte. Daher erhob die Klägerin Unterlassungsklage.
Die Klägerin war der Ansicht, dass die von Facebook generierten, zudem unvollständigen, Profilseiten ihre schutzwürdigen Interessen verletzen. Ihr müsse es freistehen, darüber zu entscheiden, ob sie auf Facebook vertreten sein möchten oder nicht. Im Unterschied zu Suchmaschinen und Branchenbüchern sei die Facebook Plattform kein neutraler Informationsvermittler, vielmehr gebe es eine Reihe von Datenschutzverfehlungen von Facebook.
Facebook wandte ein, dass für den Verkehr eindeutig erkennbar, dass es sich um nicht-verwaltete Seiten handele, die ohne Zutun der Klägerin eingerichtet worden seien. Dies ergebe sich aus dem Fehlen eines Profilbildes und der Verwendung des sogenannten Standort-Symbols, das dem Verkehr als gattungsmäßiges und nicht originäres Symbol bekannt sei. Ferner verwies Facebook darauf, dass man weitere Maßnahmen ergriffen habe, um sicherzustellen, dass der Verkehr die nicht-verwalteten Seiten als solche erkenne, so z.B. durch die Angaben „Inoffizielle Seite“ und „Ist das dein Unternehmen?“ in den Profilen, die ihrer Meinung nach prominent am oberen rechten Rand platziert seien.
LG Hamburg: Facebook muss automatisch generierte Fanpages löschen
Nach Ansicht des Gerichts stellt die automatische Generierung eines Facebook Profils in der hier konkret in Rede stehenden Gestaltung einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar.
Automatisch generierte Facebook Fanpage ist Eingriff in Gewerbetrieb
Ein Eingriff in den Gewerbetrieb liege vor, da der Verkehr irrig davon ausgehe, dass es sich bei der automatisch generierten Facebook Fanpage um eine von dem Unternehmer selbst eingerichtetes Profilseite handelt:
"Ein erheblicher Teil dieser Nutzer ist mit den Gepflogenheiten bei F. nicht vertraut und geht bei der angegriffenen Darstellung irrig davon aus, dass es sich um ein mit Zustimmung der Klägerin errichtetes Profil handele. Dies ist insbesondere dann naheliegend, wenn der Nutzer bei einer Suche von einer Drittseite, wie z.B. google, auf die Seite mit dem Profil … geleitet wird. Einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Mitglieder der Kammer gehören, ist auch nicht bekannt, dass die Beklagte automatisch generierte Profilseiten ohne Zustimmung der Betroffenen einrichtet.“
Bezeichnung als „inoffizielle Seite“ nicht ausreichend um Irreführung auszuräumen
Die von Facebook bisher ergriffenen Maßnahmen sind nicht geeginet, das Fehlverständnis der Nutzer zu beseitigen:
"Die Erläuterung zu inoffiziellen Seiten (…) befindet sich auf einer anderen Seite und kann nicht berücksichtigt werden. Die Formulierung „Inoffizielle Seite“ ist von der grafischen Gestaltung her (kleine graue Schrift auf weißem Hintergrund) nicht ausreichend und kann leicht übersehen werden. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass ein erheblicher Teil der Nutzer die Seite über einen … wesentlich kleineren Bildschirm betrachtet (Smartphone, Tablet). Die Formulierung „Inoffizielle Seite“ ist auch inhaltlich nicht ausreichend, da sie nicht die eindeutige Erklärung enthält, dass es sich um eine automatisch und ohne Zustimmung der Klägerin generierte Seite handelt. Dies wird erst bei einem Anklicken erklärt, was jedoch nicht ausreichend ist, da davon auszugehen ist, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs nicht auf das Feld klicken wird. Die Frage „Ist das Dein Unternehmen?“ erscheint erst bei Anklicken des Ellipsen-Symbols am oberen Rand, wozu für den Verkehr ebenfalls keine Veranlassung besteht. Auch das Ortssymbol ist kein deutlicher Hinweis auf eine nicht-verwaltete Seite. Dem Verkehr mag zwar bekannt sein, dass es sich um ein generisches Ortssymbol handelt, dies bedeutet jedoch nicht, dass der Verkehr eine mit einem derartigen Symbol versehene Seite als automatisch generierte Seite erkennt. Mithin steht die Verwendung dieses Symbols ebenso wie das Fehlen weiterer Inhalte der irrtümlichen Annahme einer von der Klägerin nur pro forma errichteten oder im Aufbau befindlichen Seite nicht entgegen.“
Automatisch generierte Facebook Profile sind zudem unvollständig
Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin liegt auch deshalb vor, da das automatisch generierte Facebook Profil der Klägerin unvollständig ist:
„Es liegt auch darin ein betriebsbezogener Eingriff, dass als einziges Rechtsgebiet „Arbeitsrecht“ angegeben ist, obwohl die Klägerin auf das Urheber- und Medienrecht sowie den gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert ist. Der Verkehr wird somit über eine wesentliche Tatsache, nämlich das Tätigkeitsfeld der Klägerin, in die Irre geführt. Potentielle Mandanten im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und im Urheber- und Medienrecht können davon abgehalten werden, die Mandatierung der Klägerin in Betracht zu ziehen, wenn als Tätigkeitsgebiet nur Arbeitsrecht angegeben ist.“
Eingriff durch automatisch generierte Facebook Profile auch rechtswidrig
Schießlich sei der Eingriff in den Gewerbebetrieb auch rechtswidrig, da ihre Ìnteressen höher zu bewerten seien als die von Facebook:
"Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (…). Die danach vorzunehmende Interessen- und Güterabwägung fällt im Streitfall zugunsten der Klägerin aus. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt auch das Interesse des Unternehmers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden (…). Dieses Interesse der Klägerin ist in mehrfacher Hinsicht betroffen, ohne dass dem schutzwürdige Interessen der Beklagten oder Dritter gegenüber stehen.
Inhaltlich unrichtige Darstellung auf Facebook
„Wie oben dargelegt, können potentielle Mandanten aufgrund der unzutreffenden Tätigkeitsbeschreibung davon absehen, die Klägerin zu kontaktieren.“
Missachtung der bewussten Entscheidung gegen Facebook Präsenz
„Außerdem wird die Klägerin von bestehenden oder potentiellen Mandanten durch die unzureichende Kennzeichnung als inoffizielle Seite gegen ihren Willen mit der Beklagten in Verbindung gebracht. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auf diverse datenschutzrechtliche Verfehlungen des F. Konzerns hingewiesen (…) und hat erklärt, dass sie sich deshalb bewusst gegen eine Präsenz bei F. entschieden habe. Da es sich bei F. nicht um einen Suchdienst oder ein Branchenverzeichnis handelt, sondern in erster Linie um ein soziales Netzwerk, das in der Öffentlichkeit u.a. wegen des Umgangs mit Nutzerdaten umstritten ist, besteht bei einer Rechtsanwaltskanzlei, für deren Tätigkeit Vertraulichkeit, Seriosität und Schutz von Mandantendaten von wesentlicher Bedeutung sind, ein erhebliches Interesse, von bestehenden oder potentiellen Mandanten nicht gegen ihren Willen mit einem solchen Netzwerk in Verbindung gebracht zu werden. Daran vermag der Umstand, dass inzwischen manche Kanzleien und die Bundesregierung das F.-Netzwerk benutzen, nichts zu ändern.“
Facebook könnte besser auf inoffizielle Profilseiten hinweisen
"Es kann offenbleiben, ob allgemein ein schützenswertes Interesse der Beklagten an der Schaffung nicht-verwalteter Profilseiten anzuerkennen ist, denen es - anders als bei den Gelben Seiten und bei Google - bereits an grundlegenden Informationen wie Adresse und Kontaktdaten fehlt. Denn jedenfalls ist ein schützenswertes Interesse der Beklagten und der Nutzer an der streitgegenständlichen irreführenden Darstellung nicht anzuerkennen, zumal es neben der Löschung vielfältige und leicht umzusetzende Möglichkeiten gibt, um den unzutreffenden Eindruck eines von der Klägerin erstellten unvollständigen Profils zu vermeiden.“
LG Hamburg, Urteil vom 13.02.2020, Az.: 312 O 372/18
Praxistipp
Aufgrund dieses Urteils können Unternehmen nunmehr gegen automatisch generierte Facebook Profils vorgehen, sofern dieses unvollständig ist bzw. sie darlegen, dass sie sich bewusst gegen eine Präsenz auf Facebook entschieden haben.
Ob die Interessenabwägung anders ausginge, wenn Facebook durch geeignete Maßnahme offenlegt, dass es sich um eine inoffizielle Facebook Fanpage handelt, bleibt abzuwarten.