Bedeutung und Reichweite der sozialen Netzwerke haben mittlerweile auch staatliche Stellen erkannt. So nutzt auch die Polizei Twitter als Informationskanal für aktuelle Pressemeldungen. Selbstverständlich muss die Polizei dabei „Recht und Gesetz“ beachten. Unsachliche Äußerungen oder Verstöße gegen das Recht am eigenen Bild sind daher auch in Tweets der Polizei tabu. Ein Gericht hatte sich jüngst mit einem Tweet der Duisburger Polizei zu befassen, die anlässlich eines Fußballspiels im Februar 2017 veröffentlicht wurde. Der Tweet enthielt ein Foto, auf dem Fußballfans abgebildet waren. Die Klägerin fühlte sich durch diesen Tweet in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte vor Gericht - mit Erfolg.
Sachverhalt: Polizei twittert Warnung mit Foto aus Anlass eines Fußballspiels
Am 24.02.2017 fand in Duisburg das Meisterschaftsspiel der 3. Liga zwischen dem MSV Duisburg und dem 1. FC Magdeburg statt. Im Rahmen der am 16.02.2017 stattfindenden Sicherheitsbesprechung zu diesem Spiel wurde die Begegnung als Spiel mit erhöhtem Risiko eingestuft. Das Verhältnis der beiden Fanlager wurde als feindschaftlich eingeschätzt. Vor dem Hintergrund der Gesamtbewertung wurden Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um die zu erwartenden Störungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern.
Am Spieltag zogen ungefähr 100 Gästefans vor der Einlasskontrolle Regencapes über. Der Anführer („Capo“) der Fangruppierung hatte sie per Megafon dazu aufgefordert und die Regencapes verteilen lassen. Laut der Ansage sollte dies Teil einer Fan-Choreographie im Stadion sein. Die Polizeikräfte verhinderten den Zutritt der mit Regencapes bekleideten Fans zum Stadion, weil sie das Einschmuggeln von verbotenen Gegenständen (insbesondere Feuerwerkskörpern) befürchteten. In der Folge kam es zu einem Rückstau an der Einlasskontrolle.
Die Polizei Duisburg veröffentlichte hierzu über ihren Twitter-Account die mit einem Foto versehene Meldung:
„#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“
Die in Brandenburg lebende Klägerin fühlte sich durch den Tweet mit dem Foto in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte gegen die Polizei Duisburg vor dem VG Düsseldorf.
Klägerin in Vorinstanz noch erfolglos
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage mit Urteil vom 06.09.2019 ab. Es sei schon zweifelhaft, ob der Klägerin überhaupt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns zustehe. Die Klägerin sei durch die polizeiliche Maßnahme weder stigmatisiert noch habe sie vorgetragen, dass sie einen Schadensersatzprozess führen wolle.
Jedenfalls sei die Klägerin auf dem Foto nicht erkennbar. Sowohl die von ihr eingereichten Fotos der Bildschirmansicht des Tweets wie auch der vergrößerte Bildausschnitt einer Person im weißen Regencape, bei der es sich nach dem Vortrag der Klägerin um sie selbst handelt, ließen keinen Schluss auf ihre Person zu. Sämtliche Fotos enthielten nur unscharfe Konturen; selbst durch das Heranzoomen seien weder Gesichtszüge noch sonstige nur der Klägerin zukommende Merkmale erkennbar geworden. Mit Sicherheit ließe sich nicht einmal bei dem vergrößerten Bildausschnitt sagen, ob es sich bei der durch einen roten Kreis gekennzeichneten Person um einen Mann oder eine Frau handelt.
Berufung der Klägerin erfolgreich
Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung beim OVG ein. Dieses änderte das Urteil der 1. Instanz und stellte die Rechtswidrigkeit des polizeilichen Twitter Tweets fest.
Klägerin erkennbar auf Twitter Foto
Nach Ansicht des OVG ist die Klägerin auf dem auf Twitter veröffentlichten Foto zu erkennen gewesen. Ein Abgleich der vorgelegten Ausdrucke des Tweets mit Fotos der Klägerin aus dem maßgeblichen Zeitraum spräche dafür. Ob die Ausdrucke der Original-Auflösung des Bildes bei Twitter entsprochen haben, war nicht mehr aufzuklären.
Zweifel an Erkennbarkeit gehen zu Lasten der Polizei
Die verbleibende Unsicherheit gehe zu Lasten der Polizei, weil diese nicht nur den Tweet nachträglich (wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit) gelöscht hatte, sondern auch die Original-Fotodatei dort nicht mehr auffindbar war.
Polizei Tweet verstößt auch gegen Gebot der inhaltlichen Richtigkeit
Unabhängig von der Frage, ob eine Verwaltungsbehörde für die in Rechte Dritter eingreifende Öffentlichkeitsarbeit eine gesetzliche Grundlage benötigt, genügt der Tweet nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an Veröffentlichungen des Staates stellt, die Rechte Dritter beeinträchtigen. Insbesondere müssen die mitgeteilten Tatsachen zutreffend sein.
Zudem darf die Veröffentlichung nicht über den damit verfolgten Zweck hinausgehen. Dies ist beides nicht eingehalten. Dass die Fußballfans und damit auch die Klägerin ein Regencape zu dem Zweck übergezogen haben, die Durchsuchung zu verhindern, kann nicht belegt werden. Die von der Polizei selbst dokumentierte Aussage des „Capo“ deutet in eine andere Richtung, nämlich die Gestaltung einer Fanchoreografie. Dass dies nur vorgeschoben gewesen ist, ist allenfalls eine polizeiliche Vermutung, die nicht belegt ist.
Jedenfalls hätte die Polizei in einem solchen Fall die verbleibende Unsicherheit kenntlich machen müssen. Zudem hätte die Polizei den angeführten Zweck, die übrigen Fans über den Grund des Rückstaus zu informieren, auch mit dem Verweis auf Fans, die sich Regencapes anziehen, aber ohne die Angabe einer inneren Motivation, erreichen können.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
OVG NRW, Urteil vom 28.11.2022, AZ 5 A 2808/19 (Vorinstanz: VG Düsseldorf 18 K 16606/17)
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster vom 28.11.2022
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