Der EuGH hat am 12.10.2016 entschieden, dass gebrauchte Software zwar an Dritte weiterverkauft werden darf, jedoch nur mit dem vom Hersteller gelieferten Originaldatenträger. Ist der Originaldatenträger beschädigt oder zerstört worden oder verloren gegangen, darf eine Sicherungskopie nicht ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers übergeben werden. Die Weitergabe ohne Zustimmung ist eine Urheberrechtsverletzung.
Sachverhalt: Weiterverkauf gebrauchter Software mit Sicherungskopie
Die beiden Angeklagten werden in Lettland u.a. wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum widerrechtlichen Verkauf urheberrechtlich geschützter Gegenstände und der vorsätzlichen widerrechtlichen Benutzung einer fremden Marke strafrechtlich verfolgt. Sie sollen im Jahr 2004 auf einem Online-Marktplatz Sicherungskopien verschiedener von Microsoft herausgegebener, urheberrechtlich geschützter Computerprogramme (darunter Versionen des Programms Microsoft Windows und des Microsoft-Office-Pakets) verkauft haben. Die Zahl der von ihnen verkauften Exemplare wird auf mehr als 3.000 geschätzt, und der Microsoft durch ihre Tätigkeiten entstandene Vermögensschaden soll rd. 270.000 € betragen.
In diesem Zusammenhang fragt das mit dem Verfahren befasste Regionalgericht Riga in Lettland (Strafkammer) den EuGH, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass der Erwerber der auf einem körperlichen Datenträger, der nicht der Originaldatenträger ist, gespeicherten Sicherungskopie eines Computerprogramms nach der in der Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vorgesehenen Regel der Erschöpfung des Verbreitungsrechts eine solche Kopie weiterverkaufen kann, wenn der dem Ersterwerber gelieferte körperliche Originaldatenträger des Programms beschädigt wurde und der Ersterwerber sein Exemplar der Kopie gelöscht hat oder es nicht mehr verwendet.
EuGH: gebrauchte Software darf nur mit Originaldatenträger weiterverkauft werden
Der EuGH beantwortet die Frage dahingehend, dass der Ersterwerber der mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundenen Kopie eines Computerprogramms zwar berechtigt ist, die benutzte Kopie und seine Lizenz an einen Zweiterwerber zu verkaufen, doch darf er, wenn der körperliche Originaldatenträger der ihm ursprünglich gelieferten Kopie beschädigt oder zerstört wurde oder verloren gegangen ist, seine Sicherungskopie dieses Programms dem Zweiterwerber nicht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers übergeben.
Sicherungskopie ist nicht vom Erschöpfungsgrundsatz erfasst
Grundsätzlich kann nach der Regel der Erschöpfung des Verbreitungsrechts der Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm (hier: Microsoft), der in der EU die mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundene Kopie dieses Programms auf einem körperlichen Datenträger (z.B. CD- oder DVD-ROM) verkauft hat, späteren Weiterverkäufen dieser Kopie durch den Ersterwerber oder anschließende Erwerber nicht mehr widersprechen, ungeachtet vertraglicher Bestimmungen, die jede Weiterveräußerung verbieten. Allerdings bezieht sich die Vorlagefrage auf den Fall des Weiterverkaufs einer auf einem körperlichen Datenträger, der nicht der Originaldatenträger ist, gespeicherten benutzten Kopie eines Computerprogramms ("Sicherungskopie") durch eine Person, die die Kopie vom Ersterwerber oder von einem späteren Erwerber erworben hat.
Die Richtlinie räumt dem Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm - vorbehaltlich der vorgesehenen Ausnahmen - das ausschließliche Recht ein, die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, des Programms mit jedem Mittel und in jeder Form vorzunehmen und zu gestatten. Der rechtmäßige Erwerber der durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebrachten Kopie eines Computerprogramms darf diese Kopie folglich gebraucht weiterverkaufen, sofern ein solcher Verkauf nicht das dem Rechtsinhaber zustehende ausschließliche Vervielfältigungsrecht beeinträchtigt und jede Vervielfältigung des Programms vom Rechtsinhaber gestattet wird oder unter die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen fällt. Die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung eines Computerprogramms berechtigt ist, darf demnach nicht vertraglich untersagt werden, wenn eine solche Kopie für die Benutzung erforderlich ist. Vertragliche Bestimmungen, die hierzu im Widerspruch stehen, sind unwirksam.
Erstellung von Sicherungskopien nur durch berechtigte Person für Benutzungszwecke zulässig
Die Erstellung einer Sicherungskopie eines Computerprogramms ist demzufolge an zwei Bedingungen geknüpft. Sie muss zum einen von einer Person erstellt werden, die zur Benutzung dieses Programms berechtigt ist, und zum anderen für die Benutzung erforderlich sein. Diese Bestimmung, die eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Inhabers des Urheberrechts an einem Computerprogramm vorsieht, ist eng auszulegen.
Weitergabe von Sicherungskopien an Dritte keine zulässige Benutzung durch Ersterweber
Daraus folgt, dass eine Sicherungskopie eines Computerprogramms nur für den Bedarf der zur Benutzung dieses Programms berechtigten Person erstellt und benutzt werden darf, so dass die betreffende Person diese Kopie, auch wenn sie den körperlichen Originaldatenträger des Programms beschädigt, zerstört oder verloren hat, nicht zum Zweck des Weiterverkaufs des gebrauchten Programms an einen Dritten verwenden darf.
EuGH, Urteil vom 12.10.2016, Az.: C-166/15
Quelle: PM des EuGH vom 12.10.2016