Das Landgericht Frankfurt am Main hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Zeichnung urheberrechtlich geschützt ist, wenn es sich hierbei lediglich um eine Abzeichnung einer Fotografie (von einem Kleckerlatz) mittels Bleistift handelt. Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht den Urheberrechtsschutz, da es an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehlt.
Sachverhalt: Künstler malt Fotografie mehr oder weniger naturgetreu ab
Die Klägerin vertreibt Produkte mit regionalem Bezug, darunter sog. Kleckerlätze. Die Beklagte vertreibt ebenfalls Kleckerlätze. Dabei verwendete sie eine Zeichnung eines Kleckerlatzes.
Die Klägerin behauptete, sie habe 2011 einen Künstler mit der Erstellung verschiedener Zeichnungen beauftragt, wobei Grundlage jeweils Fotografien waren. Unter diesen Zeichnungen habe sich auch die von der Beklagten genutzte Zeichnung befunden. Diese Zeichnung genieße Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 UrhG, alternativ bestehe Schutz als Lichtbild nach § 72 UrhG.
Wegen der Nutzung der Zeichnung ließ die Klägerin die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgab, beantragte die Klägerin den Erlass einer Eilverfügung.
Diese wurde zunächst wie beantragt erlassen, auf den Widerspruch der Beklagten aber wieder aufgehoben.
Entscheidung: Nachzeichnung einer Fotografie nicht urheberrechtlich geschützt
Im Widerspruchsverfahren schloss sich das Gericht der Ansicht der Beklagten an, dass die Zeichnung nicht als Werk der bildenden Künste nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt ist, da es an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehle. Das Gericht verwies zunächst auf die Grundsätze zur erforderlichen Schöpfungshöhe:
"Zeichnungen, Gemälde, Stiche oder Plastiken sind in der Regel urheberrechtlich geschützt. Es gelten insoweit geringe Anforderungen nach den Grundsätzen der sogenannten "kleinen Münze". Danach ist ausreichend, dass die Zeichnung über ein gewisses Mindestmaß an Individualität verfügt (…). Erforderlich ist, dass das Werk eine Gestaltungshöhe erreicht, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer "künstlerischen Leistung" zu sprechen (…). Der Stil eines Werks an sich ist insoweit nicht schutzfähig. An der menschlich-gestalterischen Tätigkeit kann es auch bei maschinell oder durch Computer geschaffenen Kunstwerken fehlen (…)."
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze verneinte das Gericht den Werkschutz für die Zeichnung des Kleckerlatzes.
"Nach diesen Grundsätzen fehlt es bei der streitgegenständlichen Zeichnung aus Sicht der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise ...an der "künstlerischen Leistung". Insoweit war hier zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag dem Künstler Z eine Fotografie eines ihrer Kleckerlätze zur Verfügung gestellt hat (…). Den auf dieser Fotografie abgebildeten Kleckerlatz hat Herr Z nach dem Vortrag der Klägerin in Photoshop in die streitgegenständliche Zeichnung umgesetzt. Bei Betrachtung der Fotografie und der Zeichnung ist zu erkennen, dass Herr Z - neben der außer Betracht zu lassenden Entscheidung für den Stil einer Bleistift- oder Kohlezeichnung - im Wesentlichen nur den Umriss des Kleckerlatzes nachgezeichnet hat und dies im Detail bis zu den Verdrehungen der Schnüre und teilweise des Faltenwurfs. Insoweit ist die vorgetragene Tätigkeit des Nachzeichnens einem automatischen Vorgang zumindest angenähert, eine individuelle oder künstlerische Leistung ist nicht ersichtlich. Hieran ändert nach Auffassung der Kammer auch nichts, dass bei der Fotografie die Schnüre oben teilweise abgeschnitten sind und Herr Z diese - insoweit ohne Vorbild in der Fotografie - fortgeführt hat."
Auch einen Schutz als Lichtbildwerk lehnte das Gericht ab:
"Die streitgegenständliche Zeichnung ist kein Lichtbildwerk, es handelt sich insbesondere nicht um eine Fotografie, sondern vielmehr um eine Zeichnung. Sie ist auch nicht "ähnlich wie Lichtbildwerke" geschaffen worden. Durch diese Begrifflichkeit wird klargestellt, dass der Begriff des Lichtbildwerks grundsätzlich weit zu fassen ist. Es kommt insoweit darauf an, ob ein fotografieähnliches Verfahren genutzt wird. Charakteristisch für das fotografische Schaffen ist insoweit die Abbildung von etwas in der Natur Vorgegebenem mit den Mitteln der Bildgestaltung durch Motivwahl, Bildausschnitt, Licht- und Schattenverteilung und dergleichen (…). Hier hat Herr … nach dem Vortrag der Klägerin auf Grundlage einer Fotografie eine Zeichnung erstellt. Dieser Vorgang ist nach den genannten Grundsätzen nicht als "fotografieähnlich" anzusehen.“
Konsequenterweise verneinte das Gericht schließlich auch einen Schutz der Zeichnung als Lichtbild:
"Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG berufen. Durch § 72 Abs. 1 UrhG entsteht ein Leistungsschutzrecht an "Lichtbildern und Erzeugnissen, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden". Wie oben dargestellt, liegen diese Voraussetzungen für die hier streitgegenständliche Zeichnung nicht vor.“
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.09.2017, Az.: 2-03 O 416/16