Grafik-Klau: Schadensersatz bei Vertrieb über Stockarchive

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Das AG München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob für ein Werk, welches auch über billige Stockarchive angeboten wird, im Verletzungsfall ein über die Stocklizenzen liegender Schadensersatz verlangt werden könne. Zudem ging es um die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung eines Verletzerzuschlags wegen fehlender Urheberangabe. Die Schadensersatzklage des Rechteinhabers wurde vollumfänglich abgewiesen.

Sachverhalt: Unerlaubte Nutzung einer Grafik auf privater Webseite

Der Beklagte hatte eine Grafik (Illustration des Martinszug mit Sankt Martin auf einem Pferd) ohne Erlaubnis des Urhebers bzw. Rechteinhabers auf seiner privaten Homepage genutzt.

Der Kläger vermarktet diese Grafik auch über sog. Micro-Stock-Agenturen im Internet, wo sie je nach Art und Umfang der Lizenz innerhalb einer Preisspanne von 8,00 € bis 99,50 € erhältlich ist. Auf seiner eigenen Webseite hat der Kläger eine Preisliste veröffentlicht, die für ein zeitlich unbeschränktes Online-Nutzungsrecht eine Lizenz von 450 EUR netto zzgl. 100% Aufschlag für die Nutzung ohne Urhebernennung vorsieht. Eigene Lizenzvergaben der gegenständlichen Grafik auf dieser Basis konnte der Kläger nicht vorweisen. Für ähnliche Grafiken derselben Serie hat er in einigen Fällen Lizenzgebühren von 450,00 € netto in Rechnung gestellt und erhalten, wobei es sich hierbei jedoch um Nachlizenzierungen nach Rechtsverletzungen handelte.

Der Kläger bot dem Beklagten, nachdem er die Urheberrechtsverletzung festgestellt hatte, an, ihm eine nachträgliche Lizenz gegen Zahlung eines einmalig rabattierten Rechnungsbetrages von 481,50 EUR einzuräumen. 

Der Beklagte gab daraufhin eine vorbeugende Unterlassungserklärung ab und zahlte 31,50 EUR an den Kläger. Dieser forderte den Beklagten sodann mit anwaltlichem Schreiben zur Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von insgesamt 1.039,50 € auf (fiktive Lizenz: 450,00 EUR + 100% Zuschlag Fehlende Urheberangabe 450,00 EUR, zzgl. MwSt., abzgl. geleisteter Zahlung).

Der Beklagte zahlte im weiteren Verlauf zur Erledigung der Angelegenheit weitere 200,00 EUR an den Kläger.  Wegen des Differenzbetrags in Höhe von 1039,50 EUR erhob der Kläger vor dem AG München Klage - erfolglos.

AG München weist Klage auf Schadensersatz wegen Grafik-Klau ab

Das AG München wies die Klage ab, da dem Rechteinhaber kein über 200 EUR hinausgehender Schadensersatzanspruch und kein Anspruch auf Zahlung eines Verletzerzuschlags zusteht.

Berechnung Schadensersatz: eigene Lizenzpraxis maßgeblich

Das Gericht wies darauf hin, dass bei der Berechnung des Schadensersatzes nach der Rechtsprechung des BGH primär die eigene Lizenzpraxis maßgeblich sei. Insofern sei vorliegend zu beachten, dass die vom Beklagten genutzte Grafik mit Wissen und Wollen des Klägers auch über eine Micro-Stock-Agentur lizenzziert werden könne. Je nach Art und Umfang der Lizenz falle dort eine Lizenzgebühr bis zu 100 EUR an. Lediglich in dieser Höhe könne ein Schadensersatz in Betracht kommen:

"Entgegen der Ansicht des Klägers sind auch die auf dem Agenturmarkt für die streitgegenständliche Grafik verlangten Preise nicht außer Acht zu lassen. Letztlich handelt es sich auch hierbei um die „eigene Lizenzierungspraxis" des Klägers, der den zwischengeschalteten Agenturen die Weiterlizenzierung gestattet hat und an den Einkünften beteiligt wird.

Zwar ist es richtig, dass bei der Bemessung des Lizenzschadens darauf abzustellen ist, was die Parteien selbst als Vertragspartner ohne Zwischenschaltung einer Agentur vernünftigerweise vereinbart hätten; die Marktpreise von Drittanbietern würden jedoch nach Auffassung des Gerichts in die Preisgestaltung und -verhandlung von vernünftigen Vertragspartnern sehr wohl einfließen, zumindest dergestalt, dass ein redlicher Anbieter keine Vergütung verlangen würde, die weit oberhalb des teuersten Angebots einer Agentur liegt.

Andererseits gibt es jedoch auch keinen Erfahrungssatz, dass ein redlicher Kaufmann, der seine Produkte zu einem bestimmten Preis anbietet, einen interessierten Kunden an einen anderen Anbieter verweist, bei dem das Produkt zu einem günstigeren Preis erhältlich ist.

Demnach wäre es dem Kläger grundsätzlich vernünftigerweise auch nicht verwehrt, höhere Preise zu vereinbaren als diejenigen, die Agenturen verlangen. Ein vernünftiger Interessent dürfte sich auch nicht darauf zurückziehen, eine Leistung kostenfrei oder zum günstigsten Tarif zu erhalten. Ohnehin ist es dem Beklagten entgegen dessen Ansicht von Vornherein verwehrt, sich auf das günstigste oder gar ein kostenloses Angebot zu berufen, da wie ausgeführt der objektive Wert der Berechtigung maßgeblich ist.

Das Gericht geht daher grundsätzlich davon aus, dass eine Direktlizenzierung bei einem Rechteinhaber durchaus auch höhere Vergütungssätze als bei Drittanbietern rechtfertigen kann, da diese Vorgehensweise auch für den Lizenznehmer weitergehende Vorteile mit sich bringen kann (unmittelbarer Ansprechpartner im Inland, Vermeidung von Registrierungsprozessen, Laufzeitverträgen oder Erwerb von „Credits" etc.)."

Da der Beklagte bereits 200 EUR gezahlt hatte, stand dem Kläger kein weitergehender Schadensersatz mehr zu.

Verletzerzuschlag wegen fehlender Urheberangabe steht nur Urheber zu

Einen Anspruch auf Zahlung eines Verletzerzuschlags verneinte das Gericht ebenfalls. Zwar bestehe bei fehlender Angabe des Urhebers grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung eines Verletzerzuschlags in Höhe von 100 %. Ein solcher Anspruch stehe jedoch nur dem Urheber, nicht dem Rechteinhaber:

"Zwar führt nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung die fehlende Urhebernennung grundsätzlich zu einem pauschalen 100%igen Zuschlag des für die jeweilige Nutzung üblichen Honorars (...).

Der Vortrag des Klägers im Hinblick auf den von ihm verlangten Zuschlag bleibt jedoch bereits nebulös. In seinen eigenen Nutzungsbedingungen (…) verlangt er für alle von ihm bezogenen Bilder eine Nennung seines eigenen Namens als Urheber.

Im vorliegenden Fall ist er jedoch unstreitig nicht selbst Urheber der Grafik, so dass er die Nennung seines eigenen Namens jedenfalls vor dem Hintergrund des §13 UrhG nicht verlangen kann."

AG München, Urteil vom 15.10.2021, Az.: 142 C 1511/21

Praxishinweis:

Dieses Urteil belegt einmal mehr, dass selbst wenn eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, die Forderungen von Rechteinhabern nicht immer berechtigt sind, sei es dem Grunde oder in der Höhe nach.

Haben auch Sie eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung erhalten, sollten Sie den darin geltend gemachten Zahlungsforderungen daher nicht, jedenfalls nicht vorschnell nachkommen.  Auch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sollte wohlüberlegt sein, drohen bei Verstößen hohe Vertragsstrafen.

Ich habe bereits zahlreiche Mandanten außergerichtlich und gerichtlich vertreten, die wegen Urheberrechtsverletzung abgemaht und zur Zahlung von hohen Schadensersatzbeträgen aufgefordert wurden. Überhöhte Zahlungsforderungen weise ich regelmäßig zurück.

Auch gut zu wissen: Im Fall einer unberechtigten oder unwirksamen Abmahnung muss Ihnen der Abmahner die Ihnen zur Abwehr der Abmahnung entstandenen Anwaltskosten erstatten.