Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Buch geschrieben und plötzlich behauptet jemand, er sei der wahre Autor. Diese Person äußert diese Behauptung jedoch nur Ihnen gegenüber und nicht öffentlich. Kann auch diese privat geäußerte Anmaßung Ihr Recht auf Anerkennung als Urheber verletzen? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil beschäftigt.
Was sind Urheberpersönlichkeitsrechte?
Urheberpersönlichkeitsrechte sind ein wesentlicher Bestandteil des Urheberrechts und schützen die persönliche und geistige Beziehung des Urhebers zu seinem Werk. Zu abstrakt?
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Bild gemalt oder ein Lied komponiert. Dieses Werk ist nicht nur ein Objekt, sondern ein Teil von Ihnen - es spiegelt Ihre Gedanken, Gefühle und Kreativität wider. Urheberpersönlichkeitsrechte sind wie ein "Schutzschild" für diese persönliche Verbindung zwischen Ihnen und Ihrem Werk.
Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten gehören unter anderem das Erstveröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG), der Entstellungsschutz (§ 14 UrhG) und das Zugangsrecht (§ 25 UrhG).
Werden Urheberpersönlichkeitsrechte verletzt, z.B. durch die Nutzung eines Werkes ohne Urheberangabe oder durch Veränderungen des Werkes, liegt eine Urheberrechtsverletzung vor, die rechtliche Konsequenzen wie Abmahnungen und Klagen, inbesondere wegen Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG) nach sich ziehen kann.
§ 13 UrhG: Anspruch auf Anerkennung der Urheberschaft
Nach § 13 Satz 1 UrhG hat der Urheber das Recht, als Urheber anerkannt zu werden. Das bedeutet, dass allein der Urheber bestimmen kann, ob und wie er als Urheber genannt wird. So kann der Urheber bestimmen, dass er nie oder nur bei bestimmten Werken nicht als Urheber genannt wird oder dass Werke nicht unter seinem bürgerlichen Namen, sondern nur unter einem Pseudonym veröffentlicht werden.
§ 13 UrhG schützt den Urheber auch davor, dass andere seine Urheberschaft, sei es direkt oder indirekt, bestreiten oder sich als Urheber seines Werkes ausgeben, sich also mit fremden Federn schmücken.
Der BGH-Fall: Ein Autor und seine Lektorin
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Autor, der 2014 im Selbstverlag ein Buch mit dem Titel „Der verratene Himmel“ veröffentlicht hatte. Jahre später beanspruchte seine damalige Lektorin in einem Schreiben an ihn die Urheberschaft für sich und forderte ihn auf, sich nicht mehr als Autor des Buches zu bezeichnen. Wörtlich hieß es in dem Schreiben der Lektorin:
"... hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich mein gesetzliches Urheberrecht am Werk ›Der verratene Himmel‹ mit sofortiger Wirkung für mich beanspruche. Da ich mit Ihnen weder einen schriftlichen Vertrag noch eine sonstige abschließende Vereinbarung getroffen habe, werde ich meine bestehenden Ansprüche vollumfänglich geltend machen. Dazu zählen insbesondere mir zustehende Lizenzzahlungen sowie meine Autorenschaft. ... Ich fordere Sie zudem auf, sich nicht mehr weiter als Autor des Werkes zu bezeichnen."
Am selben Tag erhielt der Kläger per E-Mail von Herrn T., der als Systemadministrator im Verlag des Klägers tätig war, eine Stellungnahme der Beklagten, in der diese ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Buch beschrieb. Diese Stellungnahme war Herrn T. zuvor von der Beklagten zugesandt worden.
Der Autor sah darin eine Verletzung seines Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft und forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben auf, es zu unterlassen, gegenüber Dritten wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, der Kläger sei nicht der Autor des Werkes "Der verratene Himmel" und/oder sich gegenüber Dritten als Autor oder Ghostwriter des Buches zu bezeichnen.
Vorinstanzen: Kein öffentliches Bestreiten, kein Verstoß gegen § 13 UrhG?
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Sie argumentierten, dass das Bestreiten der Urheberschaft nur dann einen Verstoß gegen § 13 UrhG darstelle, wenn es gegenüber Dritten oder öffentlich erfolge. Da die Lektorin ihre Ansprüche nur gegenüber dem Autor selbst geltend gemacht hatte, sahen die Gerichte keine Verletzung des Anerkennungsrechts nach § 13 UrhG.
BGH: Auch Bestreiten der Urheberschaft gegenüber Urheber verletzt § 13 UrhG!
Die Revision des Klägers vor dem Bundesgerichtshof blieb im Ergebnis erfolglos. Der BGH stellte jedoch klar, dass die Begründung der Vorinstanzen, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG sei nur dann verletzt, wenn das Bestreiten oder die Anmaßung der Urheberschaft öffentlich werde (was nicht der Fall war), rechtsfehlerhaft sei. (Das Berufungsurteil war aber aus anderen Gründen im Ergebnis richtig.)
§ 13 UrhG dient dem umfassenden Schutz des Urhebers
Der BGH betonte, dass der Gesetzgeber dem Urheber ein umfassendes Abwehrrecht einräumen wollte, das sich gegen jede Form der Bestreitung oder Anmaßung der Urheberschaft richtet. In der Urteilsbegründung heißt es
"Gemäß § 13 S. 1 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Dieses Recht verleiht dem Urheber die Befugnis, gegen jeden vorzugehen, der ihm seine Urheberschaft streitig macht (…). Ein Eingriff in das Anerkennungsrecht liegt sowohl bei einem ausdrücklichen oder konkludenten Bestreiten als auch bei einer eigenen Anmaßung der Urheberschaft an einem Werk vor. (…) Der Gesetzgeber wollte dem Urheber damit ein umfassendes, gegen jegliche Form des Bestreitens und der Anmaßung der Urheberschaft und gegen jede bestreitende oder anmaßende Person gerichtetes Abwehrrecht einräumen. (...)“
§ 13 UrhG verbietet Bestreiten und Anmaßung der Urheberschaft auch gegenüber Urheber
Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 Satz 1 UrhG setze voraus, dass das Bestreiten oder die Anmaßung der Urheberschaft gegenüber Dritten oder öffentlich erfolgt, lehnte der BGH ab.
Entscheidend sei, dass der Urheber in seinem persönlichen Verhältnis zum Werk beeinträchtigt werde. Dies sei auch dann der Fall, wenn ein Dritter dem Urheber gegenüber die Urheberschaft bestreitet und/oder sich die Urheberschaft anmaßt:
"Im Wortlaut des § 13 UrhG findet sich für eine solche einschränkende Auslegung des Anerkennungsrechts des Urhebers kein Anhaltspunkt. (...). Die durch § 13 S. 1 UrhG geschützte Anerkennung der Rechtsposition als Werkschöpfer wird nach dem gebotenen umfassenden Verständnis unabhängig davon beeinträchtigt, ob das Bestreiten oder die Anmaßung der Urheberschaft lediglich gegenüber dem Urheber selbst zum Ausdruck gebracht wird oder ob die bestreitende oder anmaßende Äußerung auch gegenüber Dritten verbreitet wird."
Damit ist nunmehr höchstrichterlich geklärt: Das urheberrechtliche Anerkennungsrecht gilt (ebenso wie der persönlichkeitsrechtliche Schutz der Ehre gegen Beleidigungen und die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen) auch im Zweipersonenverhältnis zwischen dem Äußernden und dem betroffenen Rechtsträger (hier: Urheber).
BGH, Urteil vom 27.6.2024, I ZR 102/23 - Der verratene Himmel
Praxishinweis:
Das Urteil des BGH stärkt die Rechte der Urheber und zeigt auf, dass diese sich nicht nur gegen eine öffentliche Anmaßung oder Bestreitung ihrer Urheberschaft wehren können. Auch wenn eine Anmaßung oder Bestreitung der Urheberschaft nur gegenüber dem Urheber selbst erfolgt, ist das durch § 13 UrhG geschützte Recht auf Anerkennung der Urheberschaft verletzt, gegen die Urheber vorgehen können.
Urheber sollten sich dieser umfassenden Schutzwirkung des § 13 UrhG bewusst sein: Wird Ihre Urheberschaft bestritten oder sich zu Unrecht angemaßt - sei es öffentlich, gegenüber Dritten oder nur Ihnen gegenüber - müssen sie dies hinnehmen, sondern können Unterlassungsansprüche und (ggf.) Schadensersatzansprüche geltend machen.
Rechtsanwältin I Fachanwältin Denise Himburg - Ihre Expertin für Urheberrecht mit 20 Jahren Erfahrung
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