LG Köln: Unberechtigte Urheberrechtsbeschwerden (Copyright-Strikes)

Abspielen von YouTube-Videos auf einem Laptop

Das Landgericht Köln hat entschieden, dass eine unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde ("Copyright-Strike") gegenüber einer Streaming-Plattform mit dem Ziel der Sperrung von Inhalten einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Uploaders darstellt. Die BGH-Rechtsprechung zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung sei auf unberechtigte Urheberrechtsbeschwerden übertragbar. Der Uploader könne daher von dem Einreicher der unberechtigten Urheberrechtsbeschwerde Unterlassung verlangen.

Streaming-Plattformen und das Notice-and-Take-Down-Verfahren

Das sogenannte Notice-and-Take-Down-Verfahren ist ein wesentlicher Bestandteil des Plattformrechts. Es ermöglicht Rechteinhabern, rechtsverletzende Inhalte schnell von Plattformen wie YouTube oder TikTok entfernen zu lassen. Das Verfahren ist insbesondere für Urheberrechtsverletzungen relevant.

Notice-and-Take-Down-Verfahren auf YouTube

Im Falle einer Urheberrechtsbeschwerde auf YouTube läuft das Verfahren wie folgt ab:

  • Findet ein Rechteinhaber auf YouTube urheberrechtlich geschützte Inhalte, die ohne seine Erlaubnis genutzt werden, kann er bei YouTube eine Urheberrechtsbeschwerde mit dem Antrag auf Entfernung einreichen. Dabei sind bestimmte Formalien einzuhalten.
  • YouTube entfernt daraufhin das betreffende Video und erteilt dem Uploader eine Urheberrechtsverwarnung.
  • Der Uploader hat die Möglichkeit, eine Gegendarstellung einzureichen, wenn er die Entfernung für unberechtigt hält.
  • Erfüllt die Gegendarstellung alle rechtlichen Anforderungen, leitet YouTube sie an den ursprünglichen Beschwerdeführer weiter.
  • Der Beschwerdeführer hat dann 10 US-Werktage Zeit, um nachzuweisen, dass er rechtliche Schritte unternommen hat, um die Reaktivierung des Inhalts zu verhindern.
  • Wird dieser Nachweis nicht erbracht, wird das Video reaktiviert und die Urheberrechtsverwarnung vom Kanal des Uploaders gelöscht.

Mit diesem Verfahren soll ein Ausgleich zwischen dem Schutz des Urheberrechts und der Vermeidung ungerechtfertigter Löschungen mittels unberechtigter Urheberrechtsbeschwerden geschaffen werden.

Folgen von Urheberrechtsbeschwerdem für Uploader

Eine Urheberrechtsbeschwerde auf YouTube kann erhebliche Folgen für Uploader haben:

  • Das betroffene Video wird von YouTube entfernt und ist für Nutzer nicht mehr auffindbar.
  • Der Uploader erhält von YouTube eine Urheberrechtsverwarnung (sog. "Strike"), die in der Regel 90 Tage bestehen bleibt.
  • Bei der ersten Verwarnung muss der Uploader einen Urheberrechtskurs absolvieren.
  • Wird ein aktiver Livestream entfernt, wird der Zugang zum Livestream für 7 Tage eingeschränkt.
  • Urheberrechtliche Verwarnungen können dazu führen, dass der Uploader in Zukunft keine Videos mehr monetarisieren kann.
  • Bei drei Verwarnungen innerhalb von 90 Tagen wird der Account gesperrt, alle Videos gelöscht und das Anlegen neuer Channels verhindert.

Diese Maßnahmen sollen die Uploader dazu anhalten, das Urheberrecht zu respektieren und geschützte Inhalte nicht ohne Erlaubnis der Rechteinhaber zu verwenden.

Missbrauch durch unberechtigte Urheberrechtsbeschwerden

Allerdings sind Urheberrechtsbeschwerden nicht immer gerechtfertigt. Einige Akteure reichen auch absichtlich ungerechtfertigte Beschwerden ein, um Uploader zu schikanieren und ihnen zu schaden. Im Falle einer Beschwerde wird das betroffene Video sofort gelöscht, ohne dass zuvor die Berechtigung der Beschwerde geprüft wird. Durch das Löschen des Videos verliert der Uploader Einnahmen und Reichweite. Uploader können zwar eine Gegendarstellung einreichen, aber das Verfahren ist zeitaufwändig und kann frustrierend sein, insbesondere bei wiederholten falschen Beschwerden. Falsche Beschwerden führen zu Abmahnungen und gefährden damit den Kanal und die wirtschaftliche Existenz des Uploaders.

Fachanwältin bietet Soforthilfe

Ihr Video wurde entfernt? Sie wollen Videos auf YouTube sperren?
Ich helfe und finde eine Lösung - Kontaktieren Sie micht jetzt!

Sachverhalt: Musiker wehrt sich gegen Urheberrechtsbeschwerde

Ein Musiker hatte seinen Vertrag mit einer Plattenfirma wirksam gekündigt und ein neues Werk über ein anderes Label veröffentlicht. Kurz nach der Veröffentlichung wurde das Werk auf wichtigen Streaming-Plattformen blockiert, ohne dass der Grund dafür zunächst bekannt war. Später stellte sich heraus, dass die Sperre auf eine Urheberrechtsbeschwerde des ehemaligen Vertragspartners zurückzuführen war.

Der klagende Musiker warf dem ehemaligen Vertragspartner vor, die Urheberrechtsbeschwerde vorsätzlich erhoben zu haben, um die Veröffentlichung seines neuen Werkes in der wirtschaftlich relevanten Anfangsphase zu verhindern.

Der später verklagte Vertragspartner bestritt, die Blockade veranlasst zu haben und behauptete, der Vertrag sei nicht wirksam gekündigt worden; eine endgültige Klärung stehe noch aus. Im Übrigen bestehe keine Eilbedürftigkeit, da die Sperrung bereits ohne ihr Zutun aufgehoben worden sei.

LG Köln: Unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde = Eingriff in Gewerbebetrieb

Das Landgericht Köln gab dem klagenden Musiker Recht. Die Beklagte habe durch die unberechtigte urheberrechtliche Inanspruchnahme rechtswidrig in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Berufsmusiker eingegriffen. Dem Kläger stehe daher ein Unterlassungsanspruch zu. Das Gericht untersagte dem Beklagten daher im Wege der einstweiligen Verfügung, sich gegenüber Plattformen auf angebliche Schutzrechte an den Musikaufnahmen des Klägers zu berufen.

Unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde vergleichbar mit unberechtigter Schutzrechtsverwarnung

Eine unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde („Copyright-Strike“) gegen Streaming-Plattformen sei – so das Gericht - mit einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung vergleichbar. Urheberrechtsbeschwerden führten regelmäßig dazu, dass Inhalte vorsorglich gesperrt würden, da die Plattformen eine Haftung vermeiden wollten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Abmahnungen entfalten „Copyright-Strikes“ durch die automatische Sperrung unmittelbare und weitreichende Wirkung, die die wirtschaftliche Tätigkeit der betroffenen Kreativen erheblich beeinträchtigt:

"Diese „Copyright-Strikes“ sind deshalb noch erheblich effektiver als eine bloße Schutzrechtsverwarnung, weil sie durch die zu erwartende Sperrreaktion des Plattformbetreibers unmittelbar und ohne ein notwendiges Zutun der zu Unrecht abgemahnten Person Wirkungen entfalten. Demnach ist in einer unberechtigten, pauschalen und nicht nachvollziehbar begründeten Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Online-Plattform erst recht ein Verstoß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheber, Rechteinhaber bzw. Content-Creator anzunehmen.“

Unternehmen haftet für Urheberrechtsbeschwerden von Mitarbeitern

Das Gericht bejahte auch die Haftung der Beklagten. Zwar sei in der Beschwerde ein Mitarbeiter namentlich genannt worden. Da die Verfügungsbeklagte als juristische Person durch natürliche Personen handele, hafte sie auch für deren Handlungen im Rahmen ihrer Tätigkeit. Selbst wenn die Beschwerde ohne Abstimmung mit der Geschäftsführung erfolgt wäre, wäre die Verfügungsbeklagte als GmbH verantwortlich. Es sei auch nichts vorgetragen worden, was eine Entlastung rechtfertigen könnte.

Wiederholungsgefahr trotz Aufhebung der Sperre

Das Gericht bejahte die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr trotz der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Sperre. Das Gericht wies darauf hin, dass die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden könne, was die Beklagte jedoch ausdrücklich abgelehnt habe. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Beklagte eine vergleichbare Urheberrechtsbeschwerde auch gegen einen anderen Streaming-Dienst eingelegt habe, was darauf schließen lasse, dass sie auch in Zukunft derartige Beschwerden in Bezug auf andere Titel des Klägers oder auf anderen Plattformen einlegen könnte.

Eilbedürftigkeit gegeben, Abwarten Hauptsacheverfahren unzumutbar

Schließlich bejahte das Gericht auch die für einen Eilantrag erforderliche Eilbedürftigkeit, da der Kläger die Sache nach Kenntnis der relevanten Tatsachen zügig betrieben habe. Er habe den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der Verantwortlichkeit der Beklagten gestellt. Ein Zuwarten bis zum Hauptsacheverfahren sei für den Verfügungskläger unzumutbar, da die Beklagte durch unberechtigte Beanstandungen gezielt die wirtschaftlich wichtige Anfangsphase der Verwertung des Werkes gestört habe. Zudem zeige das Verhalten der Beklagten, einschließlich der Missachtung früherer Gerichtsentscheidungen und der Weigerung, eine Unterlassungserklärung abzugeben, eine Gleichgültigkeit, die eine weitere Behinderung des Klägers befürchten lasse. Das Interesse des Klägers an einer ungestörten Nutzung seiner Werke überwiege daher das Interesse der Beklagten deutlich.

Landgericht Köln, Urteil vom 09.01.2025, AZ. 14 O 387/24

Fazit: Klares Signal gegen missbräuchliche Urheberrechtsbeschwerden

👉 Dieses Urteil stärkt die Position von Content Creators gegenüber ungerechtfertigten Urheberrechtsbeschwerden und erhöht das Risiko für Beschwerdeführer, die das System missbrauchen könnten.
👉 Das Gericht wendet die Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auf Urheberrechtsbeschwerden bei Plattformen an. Dies erweitert den Schutz für Content-Creator erheblich.
👉 Das Urteil bedeutet eine erhöhte Sorgfaltspflicht für Beschwerdeführer. Sie müssen vor Einreichung einer Beschwerde sorgfältig prüfen, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.
👉 Betroffene Urheber können unberechtigte Beschwerdeführer auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Den Beschwerdeführern drohen zudem Schadenersatzforderungen.

📢 Handlungsempfehlungen für Rechteinhaber

Rechte prüfen: ✅ Prüfen Sie vor Einreichung einer Beschwerde, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Dokumentieren Sie Ihre Rechte, um im Streitfall eine eindeutige Beweisführung zu gewährleisten.
Missbrauch vermeiden: 🚫 Nutzen Sie das Beschwerdeverfahren nicht, um andere gezielt zu behindern. Dies kann zu erheblichen Schadensersatzansprüchen  führen.
Außergerichtliche Klärung: 🤝 Ziehen Sie eine außergerichtliche Kontaktaufnahme oder eine förmliche Abmahnung in Betracht, bevor Sie eine Plattformbeschwerde einreichen.

📢 Handlungsempfehlungen für Uploader

Reagieren Sie schnell! ⏱️ Je schneller Sie handeln, desto größer sind Ihre Chancen, sich effektiv zur Wehr zu setzen und wirtschaftliche Einbußen zu minimieren. Die Verfahrensfristen im einstweiligen Rechtsschutz sind kurz.
Beschwerde prüfen: 🔍 Überprüfen Sie, ob die Beschwerde berechtigt ist, und sichern Sie Beweise, die Ihre Rechte belegen.
Vorgang dokumentieren: 🗂️ Notieren Sie, wann die Beschwerde eingereicht wurde und wann der Inhalt gesperrt wurde.
Plattform kontaktieren: 📧 Melden Sie sich bei der Plattform, um den Sachverhalt zu klären, und legen Sie gegebenenfalls Widerspruch ein.
Beschwerdeführer kontaktieren: ☎️ Falls bekannt, wenden Sie sich direkt an den Beschwerdeführer mit der Bitte um Widerruf der Beschwerde.
Abmahnung einreichen: 📜 Reagiert der Beschwerdeführer nicht oder lehnt er die Rücknahme ab, fordern Sie ihn mit einer anwaltlichen Abmahnung auf, die Beschwerde zurückzunehmen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Einstweilige Verfügung beantragen: 🚨 Reagiert er auch dann nicht, sollten Sie den Unterlassungsanspruch im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gerichtlich geltend machen, um schnell einen Unterlassungstitel zu erhalten.
Schaden dokumentieren und fordern: 💰 Ist Ihnen durch die Beschwerde ein Schaden entstanden, dokumentieren Sie diesen sorgfältig und fordern Sie den Beschwerdeführer zum Schadensersatz auf.