KG: Voraussetzungen des Urheberrechtsschutzes von Gutachten über Verkehrswerte

Das KG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen Gutachten über Verkehrswerte für Grundstücke urheberrechtlich geschützt sind.

Das KG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen Gutachten über Verkehrswerte für Grundstücke urheberrechtlich geschützt sind (Beschluss vom 11. Mai 2011 - 24 U 28/11).

Der dortige Berufungskläger hatte sich darauf berufen, dass die von ihm erstellten Gutachten als Sprachwerke gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt sind; diesem folgte das KG - ebenso wie das LG - nicht.

Das KG wies zunächst darauf hin, dass Gutachten über Verkehrswerte für Grundstücke grundsätzlich nicht dem literarischen, sondern dem wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen sind. Ferner wies es darauf hin, dass bei wissenschaftlichen Schriftwerken die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe nicht mit dem wissenschaftlichen oder technischen Inhalt der Darstellung begründet werden kann. Dies folge - so das KG - aus dem Wesen des Urheberrechtsschutzes und seiner Abgrenzung gegenüber den technischen Schutzrechten:

„Bei einem urheberrechtlichen Schutz der technischen Lehre würde in das bestehende Ordnungssystem der technischen Schutzrechte mit ihren anders gearteten formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen und ihrer wesentlich kürzeren Schutzdauer eingegriffen werden. Das technische Gedankengut eines Werkes - die technische Lehre als solche - kann danach nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und kann daher auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken, die die technische Lehre enthalten, herangezogen werden.“

Bei Schriftwerken wissenschaftlicher oder technischer Art findet - so das KG weiter - der für einen Urheberrechtsschutz erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs und nicht ohne weiteres auch - wie meist bei literarischen Werken - in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Anders als bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 UrhG sind bei wissenschaftlichen und technischen Schriftwerken keine geringeren Anforderungen an die Schutzfähigkeit zu stellen.

Sodann erläutert das KG, unter welchen Voraussetzungen bei wissenschaftlichen oder technischen Texten die erforderliche Schöpfungshöhe zu bejahen oder zu verneinen ist, und zwar einerseits unter dem Blickwinkel der Form und Art der Darstellung und andererseits unter dem Blickwinkel der Gedankenformung und-führung:

„Unter dem Aspekt der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs liegt die erforderliche Schöpfungshöhe bei Schriftwerken wissenschaftlicher oder technischer Art vor, wenn das Material unter individuellen Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien ausgewählt, angeordnet und in das Einzel- und Gesamtgeschehen eingeordnet wird; sie fehlt indes, wenn Aufbau und Einordnung aus Sachgründen zwingend geboten, insbesondere durch die Gesetze der Zweckmäßigkeit vorgegeben sind und keinen Spielraum für eine individuelle Gestaltung lassen (…).


Ob ein wissenschaftlicher oder technischer Text unter dem Blickwinkel der Gedankenformung und -führung den nötigen geistig-schöpferischen Gehalt hat, beurteilt sich danach, ob sich der betreffende Text durch eine sprachliche Gestaltungskunst auszeichnet, die eine tiefe Durchdringung des Stoffes und eine souveräne Beherrschung der Sprach- und Stilmittel erkennen lässt, und ob es - im Falle der Komplexität des Darzustellenden - dem Verfasser gelingt, eine einfache und leicht verständliche Darstellung zu liefern (…).“


Schließlich weist das KG darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast, dass die erforderliche Schöpfungshöhe vorliegt, demjenigen obliegt, der sich auf den Urheberrechtsschutz beruft, hier also dem Kläger und Verfasser der Gutachten:

„So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung »Stahlrohrstuhl II« weiter ausgeführt, dass dann, wenn sich der Beklagte - gegenüber einem grundsätzlich als urheberrechtsschutzfähig angesehenen Werk - mit dem Einwand verteidigt, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen habe, es seine Sache ist, das Aussehen des älteren Werks darzulegen und zu beweisen (…).“


Diesen Beweis hat - so das KG - der Kläger nicht erbracht, insbesondere hat er nicht ausreichend aufgezeigt, dass die streitgegenständlichen gutachterlichen Schriftwerke die für ein Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 notwendige Schöpfungshöhe erreichen.

„Der Kläger hat (…) nicht ausreichend dargelegt, aus welchen Merkmalen und Umständen sich ein hinreichender schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad seiner Gutachten ergeben soll (…). Das Vorbringen des Klägers, seine Gutachten wiesen Gestaltungsmerkmale wie „strukturierte Gedankenführung, sprachliche Gestaltung, Verständlichkeit für den Laien sowie fachlichen Input“ auf, stellt eine bloße eigene zusammenfassende Bewertung dar, der es indes an der erforderlichen Unterlegung mit konkreten Tatsachenangaben fehlt. (…)

Zutreffend hat das Landgericht diese [die Gutachten] als zwar übersichtliche und gelungene Darstellungen der den Wert bestimmenden Faktoren der einzelnen Immobilien angesehen, in ihnen aber keine solche Eigentümlichkeit, Originalität oder Besonderheit zu erkennen vermocht, dass sie als Sprachwerke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes anzusehen wären. Ausgehend davon, dass die dem Kläger jeweils gesetzte Aufgabenstellung, den Wert von zu versteigernden Immobilien unter Berücksichtigung der insoweit bestehenden Vorschriften festzustellen, eine die Möglichkeiten des Urheberrechtsschutzes einschränkende Gliederung und Fachsprache vorgab, weisen die streitgegenständlichen Gutachten des Klägers nach ihrem geistig-schöpferischen Gesamteindruck weder unter dem Blickwinkel der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs noch unter dem Aspekt der Gedankenformung und -führung den nötigen geistig-schöpferischen Gehalt auf. Der Kläger hat, die vom den Auftrag jeweils erteilenden Gericht vorgegebene Anleitung beachtend, einen den Geboten der Zweckmäßigkeit gehorchenden Aufbau seiner Gutachten gewählt, die nach dem Zweck der Gutachten erforderlichen Daten festgestellt und diese sowie das von ihm geförderte Ergebnis in für derartige Gutachten üblicher Weise und ohne eigene Individualität erkennen lassenden Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien angeordnet und dargestellt.


Die in - dem jeweiligen Auftrag angemessener - sachlicher Sprache unter Verwendung der durch den Auftrag vorgegebenen Terminologie einschließlich der entsprechenden Fachbegriffe gehaltenen Gutachten können auch nicht für sich in Anspruch nehmen, sich durch eine sprachliche Gestaltungskunst auszuzeichnen, eine souveräne Beherrschung der Sprach- und Stilmittel erkennen zu lassen und die Voraussetzungen und die Durchführung der Verkehrswertermittlung einfach und leicht verständlich darzustellen. Es fehlt den Gutachten an schöpferischen Eigenheiten, an ausreichender individueller Gestaltung; der Kläger hat bei Erstellung der betreffenden Texte nicht die für die Annahme urheberrechtlich geschützter Sprachwerke erforderliche schöpferische Phantasie und Gestaltungskraft offenbart (…).“

KG, Bschluss vom 11. Mai 2011, Az.: 24 U 28/11