OLG Köln: Urheberrechtsschutz einer "Kussmund"-Grafik

Druckgrafik eines Kussmundes kann als Werk der freien Kunst dem Urheberrechtsschutz unterliegen

Das OLG Köln hat entschieden, dass die Druckgrafik eines Kussmundes als Werk der freien Kunst dem Urheberrechtsschutz unterliegt.

Sachverhalt

Der Kläger, der als Künstler im Bereich von Grafik und Fotodesign tätig ist, macht Rechte an einer Druckgrafik, die einen weiblichen Kussmund zeigt, gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte, die eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte insbesondere aus dem Bereich Geschenkartikel, herstellt und vertreibt, verwendet diese Grafik als Dekoration auf zahlreichen ihrer Produkte.

Der Kläger trug vor, dass er die Kussmundgrafik 2001 geschaffen habe, um sie als Kunstdruck über die von ihm betriebene Internetseite "arte domo", auf der er eine Online-Galerie betreibt, zu verkaufen. Hierzu habe er ein weibliches Modell Serien solcher Kussmund-Abdrückevornehmen lassen. Von diesen Abdrücken habe er einen ausgewählt, diesen am Computer eingescannt und anschließend die eingescannte Kussmundgrafhik retuschiert und coloriert. Die Grafik verwendete der Kläger auf der von ihm betriebenen Seite "knutschfleck.org", auf der er gewerblich anbietet, aus ihm zugesandten Kussmundabdrücken individuelle Kunstdrucke herzustellen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Verwendung dieser Grafik zu unterlassen, und machte ferner Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Feststellung von Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten geltend.

Vorinstanz LG Köln

Das LG Köln wies die Klage des Fotografen ab. Zu Unrecht - so nun das Berufungsgericht OLG Köln.

Entscheidung OLG Köln

Anders als die Vorsinstanz schloss sich das OLG Köln der Ansicht des Klägers an, dass es sich bei der Kussmund-Grafik um ein Werk der freien Kunst handelt, das die nach dem Urhebergesetz erforderliche geistige Schöpfungshöhe aufweise.

Zur Begründung führte das OLG aus:

"Der Kläger hat nicht lediglich einen - wie die Beklagte formuliert - "Stempeldruck" eines Kussmundes ausgewählt, sondern er hat bereits die Herstellung der Muster initiiert und angeleitet und sich dabei der Zeugin T als menschliches Werkzeug bedient. Aus den nach seinen Vorgaben angefertigten Abdrücken hat er nicht nur ein Muster ausgesucht, sondern den Abdruck weiter bearbeitet. Dass diese Bearbeitung mittels eines Computers geschehen ist, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass dem Kläger bei allen diesen Arbeitsschritten ein Gestaltungsspielraum zustand und er diesen ausgenutzt hat. Dies betrifft bei der weiteren Bearbeitung sowohl die Farb- als auch die Formgebung. So hat der Kläger die äußeren Konturen des Mundes, insbesondere im mittleren Bereich der Oberlippe, frei geschaffen, wie sich aus der Gegenüberstellung des Abdrucks mit dem Kunstdruck (...) ergibt. Dabei ist es ihm gelungen, einerseits durch Aussparungen an den Rändern den Eindruck eines natürlichen Abdrucks zu erhalten und andererseits den Kuss plastisch und vollständig erscheinen zu lassen. Dadurch hebt sich seine Graphik von den meisten anderen der von der Beklagten vorgelegten Kussmunddarstellungen ab. Dass sich sämtliche Graphiken ähneln, ist, da es sich um eine Naturnachbildung handelt, nicht verwunderlich, steht der Annahme einer schöpferischen Gestaltung jedoch nicht entgegen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1253 - Silberdistel)."

Demzufolge verurteilte das OLG Köln die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten.

OLG Köln, Urteil vom 09.03.2012, Az. 6 U 62/11