Das Landgericht München I hatte sich mit der Frage zu befassen, ob das sog. iFraming unter den Begriff der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG fällt und ob auch kurze Texte mit nur 60 Wörtern ("Teaser") Urheberechtsschutz genießen können. Beide Fragen bejahte das LG München in seinem Urteil vom 24.07.2012 (Az.: 33 O 9655/12)
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Berechtigung der Antragsgegnerin, im Rahmen ihres entgeltlichen "Online-Medienbeobachtungsdienstes" Artikel bzw. Artikelausschnitte aus der von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitung zu verwenden.
Die Antragstellerin gibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung heraus; sie stellt ihren Lesern eine Vielzahl von verschiedenen Medienformaten - etwa über das Online-Portal www.faz.net oder die E-Paper-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - zur Verfügung. Weiter bietet sie eine kostenpflichtige Nutzung des faz-Archivs für Privat- und Geschäftskunden an und vermarktet die bei ihr erscheinenden Artikel u.a. über die Presse-Monitor Gesellschaft (PMG). Zur Kennzeichnung ihrer Produkte nutzt sie das Logo "Frankfurter Allgemeine", das als Wort-Bildmarke beim DPMA mit Schutz u. a. für "Druckerzeugnisse (...); Telekommunikation (insbesondere Bereitstellung von Informationen, Portalen und Plattformen im Internet; E-Mail-Dienste) eingetragen ist.
Die Antragsgegnerin betreibt einen entgeltlichen "Online-Medienbeobachtungsdienst". Ihre Tätigkeit beschreibt sie wie folgt: "Der E. findet zuverlässig alle für Sie relevanten Artikel und Meinungen aus Nachrichtenseiten, Blogs, Presseportalen und sozialen Medien wie Twitter & Facebook. Das Ergebnis zeigt auch die jeweils erreichte Leser-Reichweite und kann mit nur zwei Klicks in einen fertigen PDF-Pressespiegel verwandelt werden." Sie wirb u.a. mit folgender Aussage: "Aktuell befinden sich über 12.000 redaktionelle Internetseiten in ständiger Beobachtung durch unseren Dienst".
Ihre Kunden können im Rahmen ihrer Recherche zwischen verschiedenen Artikelansichten wählen, und zwar: "Original", "Text-Extraktion-extern", "Volltext PDF-extern". Die Anzahl der einzelnen Treffer erfolgt dergestalt, dass zunächst die Überschrift des gefundenen Artikels und ein Textauszug von jeweils rund 60 Wörtern angezeigt wird.
Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen der Nutzung ihrer Artikel und ihrer Marke im Rahmen des Medienbeobachtungsdienstes ab. Da die Antragsgegnerin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, beantragte die Antragstellerin beim LG München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin.
Entscheidung LG München I
Das LG München I gab dem Antrag statt und verurteilte die Antragsgegnerin zur Unterlassung der Nutzung von Artikeln und der Marke der Antragstellerin im Rahmen des Medienbeobachtungsdienstes. Insbesondere bejahte das Gericht eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19 a UrhG durch das iFraming der Antragsgegnerin:
"Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne des § 19 a UrhG ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. (...) Vorliegend ist das Merkmal der Öffentlichkeit zu bejahen. Die Antragstellerin stellt ihre Online-Plattform einer unbestimmten Vielzahl von Personen zur Verfügung, indem ihre Kunden nach Eingabe eines Passwortes die Suchfunktion betätigen können. Dabei ist es einer unbestimmten Vielzahl von Nutzern möglich, gleichzeitig unter Eingabe desselben Suchbegriffs, beispielsweise "faz", Zugriff auf die entsprechenden Trefferartikel zu erhalten.(...)"
Den Einwand der Antragsgegnerin, sie stelle keine Kopien der Webseiten her, sondern stelle die Webseiten lediglich über einen sog. iFrame zum Abruf bereit, wies das Gericht als unerheblich zurück:
"An der Bejahung des öffentlich Zugänglichmachens im Sinne des § 19 a UrhG ändert auch der Vortrag der Antragsgegnerin nichts, wonach sie keine Kopien der Originalwebseiten herstelle, sondern lediglich die Herkunftswebseite über einen sogenannten iFrame zum Aufruf bereitstelle. § 19 a UrhG setzt die Fertigung einer physikalischen Kopie als Vorstufe des Zugänglichmachens ebenso wenig voraus wie (...). Maßgeblich ist vielmehr, ob sich der Ersteller der Webseite den fremden Inhalt in einer Weise zu eigen macht, dass für die angesprochenen Nutzer auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, dass die Seite von einem anderen Server zugeliefert wird (...). Hierin liegt der Unterschied zum grundsätzlich zulässigen Verlinken einer Seite (...).
Die Antragsgegnerin macht sich durch die (...) Ausgestaltung ihres Dienstes die von ihr zur Verfügung gestellten Inhalte dergestalt zu eigen, dass aus Sicht der angesprochenen Kunden der Eindruck entsteht, die Inhalte würden von ihr selbst - ggf. sogar mit Wissen und Wollen der jeweiligen Rechteinhaber - zur Verfügung gestellt.
(1) Dies folgt zunächst aus der Darstellung, insbesondere der Einbindung der Texte in die eigene Webseite. Wie (...) ersichtlich, sind die Artikelfenster in den übrigen Internetauftritt der Antragsgegnerin optisch derart eingebettet, dass sie in Schriftbild und Formatierung dem übrigen Text der Internetseite entsprechen.
(2) Der Eindruck, dass die Antragsgegnerin sich die Inhalte der Webseite der Antragstellerin zu eigen macht, wird außerdem durch die Werbeaussagen der Antragsgegnerin verstärkt. So wird in der Firmenbroschüre der Antragsgegnerin unter anderem mit einer "rückwirkenden Suche über das komplette Archiv mit über 40 Millionen Artikeln seit März 2011" geworben. Hiermit wird suggeriert, die Antragsgegnerin habe die Artikel der Antragstellerin in einem umfassenden Archiv gespeichert.
(3) Des Weiteren ist festzustellen, dass sich die URL in der Framing-Ansicht nicht dergestalt ändert, wie es bei Anklicken eines Deep-Links der Fall wäre, nämlich sich nicht in die URL der Antragstellerin umwandelt.
(4) Unerheblich ist dagegen, ob es sich bei den Artikelansichtsmöglichkeiten "Text-Extraktion" und "Volltext-Pdf" um externe Dienste handelt, die nach dem Vortrag der Antragsgegnerin von den Nutzern aktiv aktiviert werden. Maßgeblich ist aus den vorgenannten Gründen vielmehr, dass die Artikel in der im Verfügungstenor wiedergegebenen Darstellung erscheinen, die den Eindruck erweckt, die Zurverfügungstellung erfolge durch die Antragsgegnerin.
(5) Schließlich zieht die Antragsgegnerin aus der Zurverfügungstellung gegenüber den Kunden einen wirtschaftlichen Nutzen."
Den Urheberrechtsschutz der Artikelauszüge ("Teaser") als Sprachwerke bejahte das Gericht wie folgt:
"Die streitgegenständlichen Artikelauszüge (»Teaser«) sind urheberrechtsschutzfähig gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 UrhG. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können auch kleine Teile eines Werkes Urheberrechtsschutz genießen, sofern sie für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG darstellen (...). Die hier streitgegenständlichen Artikelauszüge ("Teaser") bestehen aus rund 60 Worten und übernehmen aus den vollständigen Artikeln Auszüge, die eigenschöpferische individuelle Elemente aufweisen (...)"