BGH: Webseitenbetreiber haftet auch für fremde Inhalte, die er selbst online stellt

Der BGH hat entschieden, dass sich ein Webseitenbetreiber bei urheberrechtswidrigen fremden Inhalten auf den von ihm betriebenen Webseiten nicht auf die Haftungsprivilegierung für fremde Inhalte berufen kann. Als Webseitenbetreiber ist er für sämtlichen Inhalt auf seinen Webseiten verantwortlich.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an einem Kartenausschnitt. Dieser war in einem Einladungsschreiben zu einer Veranstaltung angeführt. Dieses Einladungsschreiben war von den Veranstaltern erstellt und unterzeichnet.

Der Beklagte ist Leiter einer Stiftung und Inhaber der Domain, unter der die Stiftung ihren Webauftritt betrieb; im Impressum ist er als Verantwortlicher angeführt.

Auf Wunsch der Veranstalter veröffentlichten Mitarbeiter der Stiftung das Einladungsschreiben als PDF-Datei im Download-Center auf den Stiftungswebseiten, das über einen Link im Terminkalender für die Nutzer der Webseiten zum Abruf bereitgehalten wurde. Der Link führte zu einem Speicherort auf dem Server der Stiftung. Nach Abschluss der Veranstaltung konnte das Einladungsschreiben über den Link im Terminkalender nicht mehr aufgefunden werden. Die Datei mit der Einladung verblieb jedoch auf dem Server der Stiftung.

Die Klägerin mahnte die Stiftung wegen unberechtigter Nutzung des Kartenausschnitts ab. Diese gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch die Zahlung von Schadensersatz und Abmahngebühren ab. Daher erhob die Klägerin Klage wegen Schadensersatz von 300 EUR und Abmahnkosten von 273,50 EUR sowie Erstattung von Ermittlungskosten von 95 EUR.

Entscheidung Vorinstanzen

Sowohl AG als auch LG wiesen die Klage ab. Das LG nahm an, dass der Beklagte nicht für das öffentiche Zugänglichmachen des auf einem erkennbar fremden Einladungsschreiben wiedergegebenen Kartenausschnitts hafte, da es sich weder um einen eigenen Inhalt noch um einen fremden Inhalt handele, den er sich zu eigen gemacht habe. Gegen das Urteil des LG legte der Rechteinhaber Revision beim BGH ein.

Entscheidung BGH

Die Revison hatte Erfolg, der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Da der Beklagte ausweislich des Impressums verantwortlich für die Stiftungs-Webseiten war und Mitarbeiter der Stiftung das Einladungsschreiben auf den Webseiten veröffentlicht hatten, hafte der Beklagte für die vorliegende Urheberrechtsverletzung. Hieran ändere - so der BGH - nichts, dass das Einladungsschreiben einschließlich Kartenausschnitt erkennbar von Dritten erstellt worden ist. So der BGH:

"Die Verantwortlichkeit des Beklagten für die Zugänglichmachung des Kartenausschnitts entfällt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht deshalb, weil er nach den §§ 8 bis 10 TMG (...) grundsätzlich nur eingeschränkt für fremde Inhalte haftet. (...)

a) Es liegt weder eine bloße Durchleitung fremder Informationen (§ 8 TMG) noch eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung (§ 9 TMG) vor. (...)

b) Der Beklagte kann sich auch nicht auf das Haftungsprivileg des § 10 Nr. 1 TMG berufen. Nach dieser Bestimmung sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, unter bestimmten Voraussetzungen nicht verantwortlich. Bei dem Einladungsschreiben nebst Kartenausschnitt handelt es sich jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um fremde Informationen. (...)

bb) Im Streitfall wurde das Einladungsschreiben mit dem Kartenausschnitt nicht durch den Nutzer eines Dienstes der Stiftung eingegeben. Die Stiftung bietet nicht die Speicherung von Informationen an, die Nutzer eingeben können (...). Vielmehr handelt es sich bei dem Einladungsschreiben um eine durch einen Nutzer bereitgestellte Information, die erst durch Mitarbeiter der Stiftung auf deren Website eingestellt worden ist. (...)

Demgegenüber musste im Streitfall der handelnde Mitarbeiter der Stiftung von dem Einladungsschreiben Kenntnis nehmen, bevor er es als PDF-Dokument im Download-Center ablegen und einen entsprechenden Terminhinweis mit Link im Terminkalender anlegen konnte. Dabei bestand für den Mitarbeiter auch Kontrolle über den Speichervorgang. (...)

Da eine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG schon deshalb ausscheidet, weil es sich bei dem abrufbaren Einladungsschreiben mit Kartenausschnitt nicht um eine fremde Information im Sinne dieser Bestimmung handelte, stellt sich die vom Berufungsgericht behandelte Frage des Zueigenmachens fremder Informationen nicht. Auf die vom Berufungsgericht herangezogene Senatsentscheidung "marionskochbuch.de" (...) kommt es deshalb nicht an. Zur Abgrenzung ist aber darauf hinzuweisen, dass Gegenstand jenes Falls Inhalte (Rezepte) waren, die Nutzer eines Internetportals eingegeben hatten. Deshalb setzte eine Haftung der dortigen Beklagten voraus, dass sie sich diese Inhalte zu eigen gemacht hatte."

BGH, Urteil vom 04.07.2013, I ZR 39/12 - Terminhinweis mit Kartenausschnitt -