OLG München I: Buchhändler haftet erst ab Kenntnis für urheberrechtswidrige Buchinhalte

Das LG München I hat mit Urteil vom 24.10.2013 entschieden, dass ein Buchhändler wegen einer Urheberrechtsverletzung in einem von ihm vertriebenen E-Book nur dann auf Unterlassung haftet, wenn der Verstoß begangen wurde, nachdem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden war.

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Enkelin des 1948 verstorbenen Künstlers Karl Valentin, der das Werk "Buchbinder Wanninger" verfasst hat.

Die Beklagte und mit ihr verbundene Unternehmen bieten im Internet, etwa unter der Domain amazon.de, u.a. E-Books an.

Schließt ein Verlag mit der Beklagten einen Vertrag über die Verwertung seiner elektronischen Verlagsprodukte als E-Book, so räumt ihm die Bekl. in ihrem System ein eigenes Verlagsbenutzerkonto ein, für das vollautomatisch auf einem systembezogenen Server ein Speicherplatz zur Verfügung gestellt wird, auf welchem der Verlag die zu veröffentlichenden Werke nebst Metadaten und Bilddateien selbstständig und ohne Zutun der Beklagten ablegen kann. Haben diese Dateien die Validitätsprüfung positiv durchlaufen, werden sie vollautomatisch in ein Portal eingespielt, das es dem Verlag erlaubt, seine Produkte selbstständig und ohne Zutun der Beklagten zu verwalten. Ist ein Buch so im Portal zur Veröffentlichung eingestellt worden, wird es in einem weiteren Routine-Suchlauf des Systems automatisiert auf die Verkaufsplattform eingespielt. Der Verlag trifft die Veröffentlichungsentscheidung selbstständig und kann im Portal jederzeit den Titel zum Verkauf deaktivieren und wieder aktivieren.

Der Unternehmensverbund der Beklagten vertreibt zudem unter der Bezeichnung "Amazon Kindle“ ein Lesegerät, mit dem E-Books über amazon-Domains heruntergeladen und gelesen werden können.

Eiin Verlag lieferte an die Beklagte ein E-Book, welches einen Auszug aus dem Werk Buchbinder Wanninger von Karl Valentin enthielt. Dieses E-Book wurde von der Beklagten in dem von ihr betriebenen Kindle-Shop unter www.amazon.de zum Kauf angeboten und jedenfalls einmal verkauft.

Entscheidung LG München

Das Landgericht hat die gegen die Beklagte eingereichte Unterlassungsklage abgewiesen, da sie für die Urheberrechtsverletzung nicht hafte.

Entscheidung OLG München

Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein, diese blieb jedoch erfolglos. Auch das OLG München lehnte eine Haftung der Beklagte als Täter ab, obwpohl sie das E-Book in den Verkehr gebracht hatte. Das Gericht wies aber daraufhin, dass eine Haftung des Buchändlers ohne Kennntnis von rechtswidrigen Buchinhalten zu ungewollten Ergebnissen führen würde und deshalb einer an den inmitten stehenden Grundrechten orientierten Anpassung bedarf:

"Diese verschuldensunabhängige Unterlassungshaftung hätte zur Folge, dass Buchhändler in unabsehbarer Weise der Gefahr von Abmahnungen wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen und der damit verbundenen Kostenbelastung ausgesetzt wären, die sich wegen des damit verbundenen immensen Aufwands (...) nicht in zumutbarer Weise durch eine Prüfung der angebotenen Bücher eingrenzen ließe und deshalb das Geschäftsmodell des breitgefächerten Angebots von Büchern jeder Art in Frage stellen könnte."

Die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen (Urheberrechte - Pressefreiheit) führt - so das Gericht - vorliegend dazu, dass der Buchhändler erst ab Kenntnis von urheberrechtswidrigen Buchinhalten haftet:

"So wird die Position des Inhabers von urheberrechtlich geschützten Rechten nicht über Gebühr beeinträchtigt. Schadensersatzansprüche erwachsen ihm aus der Verletzungshandlung ohnehin meist nicht, weil der Buchhändler regelmäßig keine Kenntnis von den Verletzungsumständen hatte oder auch nur haben konnte und daher schuldlos handelte. Künftigen Vertriebshandlungen steht entgegen, dass den Buchhändler ab dem Zeitpunkt, in dem er durch den Rechteinhaber auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, Prüfpflichten treffen, bei deren Nichteinhaltung er zumindest als Unterlassungsschuldner haftet. Auskunft über Lieferanten, Liefermengen und Ähnliches (vgl. § 101 Absatz III UrhG) muss der Buchhändler regelmäßig auch dann erteilen, wenn er selbst nicht Verletzer ist, weil er dem Verleger für dessen rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat (vgl. § 101 Absatz II Nr. 3 UrhG).

Wirtschaftlich gesehen beschränkt sich die Privilegierung deshalb darauf, dass Buchhändler die Kosten für einen abmahnungsähnlichen ersten Hinweis auf die Rechtsverletzung nicht zu tragen haben, es ihnen aber im Anschluss daran obliegt, dem Hinweis entsprechende Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden. Dieses Ergebnis trägt sowohl der grundrechtlichen Eigentumsschutz genießenden Stellung der Werknutzungsberechtigten als auch der durch die Medienfreiheit geschützten Position der Buchhändler angemessen Rechnung."

LG München I, Urteil vom 24.10.2013, Az.: 29 U 885/13