Das OLG Zweibrücken hat mit Urteil vom 19.11.2015 entschieden, dass ein Gericht im Rahmen einer urheberrechtlichen Auseinandersetzung sich nur auf die eigene Sachkunde berufen kann, wenn es über besondere Kenntnisse verfügt und es daher keiner Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf. Allgemeine Schulkenntnisse reichen nicht.
Sachverhalt
Der Kläger ist selbstständiger Musiker, Komponist, Arrangeur und Autor von Piano-Lehrbüchern. Die Beklagten sind teilweise ebenfalls als Arrangeure und Autoren von Piano-Spielbüchern tätig bzw. betreiben einen Musikverlag, der u.a. Spielbücher veröffentlicht.
Der Kläger erstellte für ein geplantes Spielbuch zahlreiche Klavierarrangements bekannter Musikstücke. Da es zwischen dem Musikverlag und dem Kläger jedoch zu Unstimmigkeiten kam, beauftragte der Musikverlag die als Arrangeure und Autoren tätigen weiteren Beklagten mit der Erstellung des Spielbuches.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hätten in den Spielbüchern Arrangements verwendet, die er erstellt und dem Musikverlag übersandt habe. Die Beklagten hätten daher seine Urheberrechte an diesen Stücken verletzt. Er verlangte daher von den Beklagten u.a. Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Entscheidung Landgericht Frankenthal
Das Landgericht wies die Klage ab. Zwar genössen die Arrangements des Klägers jedenfalls nach den Grundsätzen der sog. kleinen Münze urheberrechtlichen Schutz. Die Beklagten hätten jedoch die Urheberrechte des Klägers nicht verletzt, da die Arrangements der Beklagten sich trotz gewisser Ähnlichkeiten mit den Arrangements des Klägers von diesen deutlich unterschieden. Davon habe sich das Gericht durch das Abspielen und Anhören der Stücke überzeugt.
Einen Sachverständigen zog das Gericht nicht hinzu, da es meinte, über die erforderliche Sachkunde selbst zu verfügen. Hierbei verwies es zum einen darauf, dass die Ausbildung in theoretischen und praktischen Grundlagen der Musik zur allgemeinen und schulischen Ausbildung gehöre. Zum anderen handle es sich bei den in dieser Sache zuständigen Richtern um langjährige Mitglieder einer auf Urheberrecht spezialisierten Kammer.
Entscheidung Oberlandesgericht Zweibrücken
Auf die Berufung des Klägers hob das OLG das Urteil des LG auf, da die Richter nicht über besondere Sachkunde verfügten. Sie hätten daher für die Beantwortung der Frage, ob die Arrangements der Beklagten einen ausreichenden Abstand zu den Arrangements des Klägers aufwiesen, einen Sachverständigen hinzuziehen müssen. Ein Richter könne auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen nur verzichten, wenn er über einschlägige eigene, besondere Sachkunde verfüge.
Eine solche besondere Sachkunde der Richter in der Vorinstanz sei jedoch nicht ersichtlich. Die allgemeine Schulausbildung oder eigene hobbymäßig betriebene Musiktätigkeiten reichen nicht zur Belegung einer besonderen Sachkunde. Auch der Hinweis, dass die Richter der Vorinstanz sich seit langem mit Urheberrechtsverletzungen beschäftigen, genüge nicht, um ein besonderes musikalisches Fachwissen zu begründen.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.11.2015, Az.: 4 U 186/14
Fazit
Auch Spezialkammern wie die an den Landgerichten eingerichteten Kammern für Urheberrecht sind nicht allwissend und dürfen nicht ihre eigene Meinung als Sachkunde missverstehen. Es lohnt sich daher stets darüber nachzudenken, ob das Gericht tatsächlich über die oft in Urteilen erwähnte eigene Sachkunde verfügt.