OLG Frankfurt am Main: Abmahnkosten eines Fachverbandes

Fachverbände dürfen Anwalt mit UWG Abmahnung beauftragen

Das OLG Frankfurt hatte sich mit der vom BGH noch nicht entschiedenen Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen Fachverbände für Abmahnungen einen Anwalt beauftragen dürfen, mit der Folge, dass der Abgemahnte anwatliche Abmahnkosten zahlen muss. Im vorliegenden Fall bejahte das Gericht die Erstattungsfähigkeit der anwatlichen Abmahnkosten, ließ jedoch die Revision zum BGH zu, da dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Sachverhalt: Fachverband beauftragt Anwalt mit Abmahnung wegen Wettbewerbsverstoß

Geklagt hatte eine Vereinigung von Taxi-Unternehmen, die es sich satzungsgemäß zur Aufgabe gemacht hat, ihre Mitglieder in allen das Taxigewerbe betreffenden Belangen zu beraten und zu vertreten. In der Satzung ist die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen als Satzungszweck nicht genannt.

Der Kläger wirft dem Beklagten, einem angestellten Taxifahrer, vor, auf dem Frankfurter Flughafen einen Fahrauftrag angenommen und bei dieser Gelegenheit das von Taxi außerhalb behördlich gekennzeichneter Halteplätze bereitgehalten zu haben. Hierdurch habe der Beklagte zugleich wettbewerbswidrig gehandelt. Mit der Abmahnung wegen Wettbewerbsverstoßen beauftragte der klagende Fachverband einen Rechtsanwalt, der den Beklagten zur Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 571,44 EUR aufforderte.

Da der Beklagte weder eine Unterlassungserklärung abgab noch die Abmahnkosten zahlte, erhob der Fachverband eine entsprechende Klage.

Vorinstanz

Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beklagte sowohl zur Unterlassung als auch zur Zahlung der Abmahnkosten. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein.

OLG Frankfurt am Main: Fachverband durfte Anwalt mit Abmahnung beauftragen 

Die Berufung hatte keinen Erfolg, insbesondere bejahte auch das OLG Frankfurt, dass der Fachverband mit der UWG Abmahnung externe Anwälte beauftragen durfte. Insoweit führte er wie folgt aus:

"Dem Kläger steht weiter aus § 12 I 2 UWG der zuerkannte Anspruch auf Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu. Insbesondere beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang ohne Erfolg darauf, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien die Anwaltskosten nicht erstattungsfähig, weil der Kläger als Fachverband in der Lage sein müsse, Wettbewerbsverstöße der vorliegenden Art ohne anwaltliche Hilfe zu verfolgen.

a)
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann von einem gemäß § 8 III Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Verband nicht generell verlangt werden, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe durch eigene Organe oder Mitarbeiter auszusprechen. Die Anspruchsberechtigung des Verbandes ist nach dieser Vorschrift daran geknüpft, dass er die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern beabsichtigt. Der Verband muss zwar zur Wahrnehmung dieser allgemeinen Interessen seiner Mitglieder (auch personell) hinreichend ausgestattet sein; seine sich aus § 8 III Nr. 2 UWG ergebende Befugnis, daneben auch Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, hängt dagegen grundsätzlich nicht davon ab, dass er auch diese Aufgabe mit eigenem Personal erfüllen kann.

Nach der Entscheidung, auf die sich der Beklagte insoweit beruft (BGH GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung), gilt etwas anderes nur für Verbände, die es sich "zur Aufgabe gemacht" haben, in ihrem Gebiet auftretende Wettbewerbsverstöße zu verfolgen; denn derartige Verbände müssen sich zur Erfüllung dieses Verbandszwecks mit den hierfür notwendigen Mitteln versehen (...). Das bedeutet hingegen nicht, dass jeder nach § 8 III Nr. 2 UWG anspruchsberechtigte gewerbliche Interessenverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe macht" und daher mit eigenen Mitteln in der Lage sein muss, entsprechende Abmahnungen auszusprechen (...). Vielmehr ist insoweit auf die konkreten Umstände der Verbandstätigkeit abzustellen.

Ein "zur Aufgabe machen" in diesem Sinn ist zunächst zweifelsfrei gegeben bei "reinen" Wettbewerbsverbänden, deren satzungsmäßiger Zweck ausschließlich oder ganz überwiegend darin besteht, im Interesse seiner Mitglieder Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Ein solcher "Wettbewerbsverband" muss - unabhängig vom Umfang seiner Abmahntätigkeit - schon deshalb über juristisch geschultes Personal verfügen, weil er ansonsten das Erfordernis der personellen Ausstattung i.S.v. § 8 III Nr. 2 UWG zur Erreichung dieses speziellen Verbandszwecks nicht erfüllen könnte.

Diese Grundsätze lassen sich jedoch aus den bereits dargestellte Gründe auf sog. "Fachverbände" zur Förderung sonstiger gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen ihrer Mitglieder nicht übertragen. Gleichwohl ergibt sich aus der Entscheidung "Anwaltsabmahnung" (...), die einen "Fachverband" im dargestellten Sinn betraf, dass auch solche Verbände sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe machen" können mit der Folge, dass sie in der Lage sein müssen, durchschnittliche Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe auszusprechen. Die Frage, nach welchen Kriterien sich beurteilt, wann ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe macht", ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließen geklärt. Der erkennende Senat geht insoweit von folgenden allgemeinen Grundsätzen aus:

Ob die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in der Satzung als Verbandszweck ausdrücklich genannt ist, kann allenfalls ein gewisses Indiz, jedoch nicht das entscheidende Kriterium dafür sein, ob ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe gemacht" hat. Denn wenn die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen nach Art und Umfang tatsächlich nur eine "Nebenaufgabe" ist, kann es dem Verband nicht zum Nachteil geraten, wenn er - was für die Anspruchsberechtigung nach § 8 III Nr. 2 UWG gar nicht erforderlich ist - diese Aufgabe zur Verdeutlichung auch in die Satzung aufnimmt. Umgekehrt kann es einem Verband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen faktisch "zur Aufgabe gemacht" hat, nicht zugutekommen, wenn er diese Aufgabe in der Satzung unerwähnt gelassen hat.

Das für die Beurteilung entscheidende Kriterium kann daher letztlich nur sein, ob die Abmahntätigkeit des Fachverbands über eine gewisse Dauer einen Umfang angenommen hat, bei dem ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Verband aus Kostengründen - auch im Interesse möglicher Verletzer - zur Verfolgung dieser Aufgabe juristisch geschultes Personal einstellen würde. Dem Verband muss dabei durchaus ein Beurteilungsspielraum bleiben, wie er seine Abmahntätigkeit gestalten will. Eine andere Beurteilung würde im Übrigen solche Verbänden im Verhältnis zu Mitbewerbern unangemessen benachteiligen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich selbst dann einen Anwalt mit der Abmahnung beauftragen können, wenn sie über eine eigene Rechtsabteilung verfügen (...).

Wie die Klägerin mit Recht geltend macht, kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Verband, der die Abmahnungen selbst ausspricht, hierfür nach § 12 I 2 UWG jedenfalls eine Aufwandspauschale erstattet verlangen kann, deren anteilige Höhe für die einzelne Abmahnung desto höher ausfällt, je weniger Abmahnungen ausgesprochen werden; ob und wann die Beschäftigung eigenen juristischen Personals tatsächlich zu einer geringeren Kostenbelastung für den Verletzer führt, ist daher in Grenzfällen nicht unbedingt vorhersehbar.

b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Beauftragung eines Anwalts mit der Abmahnung durch den Kläger nicht zu beanstanden.

Die Klägerin ist kein "reiner" Wettbewerbsverband, sondern ein typischer "Fachverband", dem es um die umfassende Wahrnehmung der gewerblichen Interessen der ihm angehörenden Taxiunternehmen geht; in § 2 seiner Satzung ist die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen als Aufgabe auch nicht genannt. Entscheidend für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten ist daher der Umfang der von der Klägerin entfalteten Abmahntätigkeit.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe im Jahr 2014 siebzehn und im Jahr 2015 (....) sechzehn anwaltliche Abmahnungen ausgesprochen; dies versichert die Klägervertreterin anwaltlich. Der Beklagte bestreitet die Richtigkeit dieser Zahl und behauptet, im Vereinsblatt "B-Journal" der Klägerin vom Oktober 2014 betreffend die Mitgliederversammlung 2014 heiße es:

"Bei der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs wurden große Erfolge erzielt. Hier haben wir im Berichtszeitraum 41 Fälle juristisch behandelt, die entweder mit einer strafbewehrten Unterlassung, einer gerichtlichen Verfügung oder einem Urteil zum Teil beendet wurden."

Der Beklagtenvertreter hat diesen Bericht nicht vorgelegt. Die Klägervertreter hat sich allerdings ihrerseits darauf beschränkt, dem Beklagtenvertreter anheimzustellen, "die entsprechenden Berichte, die er zitiert, richtig zu lesen" (...). Inwieweit das wiedergegebene Zitat unrichtig sein soll, hat sie allerdings nicht erläutert.

Die Frage kann jedoch für die Entscheidung dahinstehen. Denn selbst wenn man die vom Beklagten behauptete Zahl von 41 Abmahnungen pro Jahr als richtig unterstellt, liegt der Umfang der Abmahntätigkeit des Klägers noch deutlich unter der Grenze, ab der der Kläger bei Anwendung der oben genannten Grundsätze zur Durchführung von Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe juristisch geschultes Personal einstellen müsste. Denn wenn der Kläger im Durchschnitt mit nur einer erforderlichen Abmahnung pro Woche rechnen muss, erscheint es nicht sachgerecht, hierfür - selbst auf Teilzeitbasis - einen hinreichend qualifizierten juristischen Mitarbeiter zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere, weil der Kläger nicht sicher vorhersehen kann, ob und in welchem Umfang sich auch künftig die Erforderlichkeit von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ergeben wird. Im Übrigen ist bei einer Zahl von Abmahnungen in dem in Rede stehenden Bereich durchaus zweifelhaft, ob bei einer Einstellung eines juristisch geschulten Mitarbeiters die dann erstattungsfähige, aus den damit verbundenen Kosten errechnete Abmahnpauschale im Einzelfall überhaupt geringer wäre als die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung.

Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa bereits über rechtskundige Mitarbeiter verfügt, die die streitgegenständliche Abmahnung hätten aussprechen können. Allein der Umstand, dass der Kläger seinen Mitgliedern auf seiner Homepage auch "Rechtsberatung" anbietet, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Denn wie der Beklagte selbst vorträgt, beschränkt sich dieses Angebot der Sache nach auf die Nennung der für den Verein tätigen "Vereinsanwälte".

Das OLG Frankfurt hat die Revision zum BGH zugelassen, da diese höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage, unter welchen Voraussetzungen Fachverbände für Abmahnungen einen Anwalt beauftragen dürfen, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

OLG Frankfurt am Main Urt. v. 04.02.2016, Az.: 6 U 150/15

Fazit:

Hat ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe gemacht", darf er zwar dennoch externe Anwälte mit Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstöße beauftragen, in diesem Fall steht dem Fachverband jedoch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu.

Wann ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen "zur Aufgabe gemacht" hat, hängt nicht allein davon ab, ob die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in der Satzung als Aufgabe des Fachverbandes erwähnt ist.

Entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächliche Abmahntätigkeit des Fachverbandes über eine gewisse Dauer einen Umfang angenommen hat, bei dem ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Verband aus Kostengründen zur Erfüllung dieser Aufgabe juristisch geschultes Personal einstellen würde; dabei ist dem Verband ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen.

41 Abmahnungen pro Jahr genügen jedenfalls noch nicht.