Das OLG Frankfurt a.M. hatte sich mit der Frage zu befassen, ob in einem Eilverfahren (dort wegen wettbewerbswidriger Werbung mit Garantien) dem Antragsgegner ausnahmsweise eine sog. Aufbrauchfrist gewährt werden kann. Diese Frage bejahte das Gericht, sofern die sofortige Umstellung für den Antragsgegner eine unbillige Härte darstellen würde.
Sachverhalt: Vertrieb von Elektroprodukten mit unvollständiger Garantie
Die Parteien sind Wettbewerber und verkaufen u.a. Elektroprodukte in den Bereichen Klima, Haarstyling und Staubsauger. Die Antragsgegnerin fügte ihren Verkaufsverpackungen Garantiebedingungen bei, in denen jedoch weder der Name noch Anschrift des Garantiegebers angeführt waren.
Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin daher wegen unlauterer Werbung mit Garantiebedingungen ab. Da die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung abgab, beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin.
OLG Frankfurt a.M.: Einstweilige Verfügung mit 4monatiger Aufbrauchfrist
Das OLG Frankfurt a.M. erließ wegen Verstoßes gegen § 479 BGB zwar eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin, gewährte dieser jedoch eine Umstellungsfrist von 4 Monaten.
Nutzung unvollständiger Garantiebedingungen ist Wettbewerbsverstoß
Das Gericht bejahte aufgrund Fehlens des Namens und der Anschrift des Garantiegebers einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Werbung mit Garantien.
Gem. § 479 BGB muss eine Garantieerklärung u.a. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers enthalten. Da es sich bei § 479 BGB um eine sog. Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3 a UWG handelt, stellt ein Verstoß gegen § 479 BGB zugleich einen Wettbewerbsverstoß dar, den Wettbewerber und Abmahnvereine wie IDO oft und gerne abmahnen.
"Aus den Anlagen … ergibt sich, dass in den Garantiebedingen selbst Anschrift und Name der Garantiegeberin nicht erkennbar sind. Es kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht davon ausgegangen werden, dem Verkehr sei klar, wer Garantiegeberin sei, weil nur eine Vertriebsgesellschaft in Deutschland existiere. Zum einen verlangt § 479 BGB eben die konkrete Bezeichnung des Garantiegebers. Dies dient dem Zweck, dem Verbraucher eine schnelle Geltendmachung der Garantie zu ermöglichen (…). Zudem ist auch nicht davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs Kenntnis von der Unternehmensstruktur im „Marke1“-Konzern hat. Dies hat zur Folge, dass in jedem Fall für den Verbraucher, der die Garantie in Anspruch nehmen will, Ermittlungstätigkeiten erforderlich sind. Dies will § 479 BGB gerade verhindern.“
Im Eilverfahren Aufbrauchfrist bei marginalen UWG Verstößen möglich
Das Gericht gewährte der Antragsgegnerin jedoch aufgrund des marginalen Verstoßes eine Aufbrauchfrist von 4 Monaten. Die Unterlassungsverfügung war daher nicht bereits ab Erlass, sondern erst nach 4 Monaten wirksam, d.h. von der Antragsgegnerin zu beachten.
Eine Aufbrauchfrist - so das Gericht - komme ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dem Schuldner durch ein sofortiges Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt würden.
Im vorliegenden Fall bejahte das Gericht solche besonderen Umstände. Denn bei der Nichtangabe des Namens und der Anschrift des Garantiegebers handele es sich um einen Verstoß an der "unteren Grenze der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeit". Zudem hatte die Antragsgegnerin dargelegt, dass ein Austausch der Garantiebedingungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre:
"(...) die Antragsgegnerin (hat) dargelegt und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht (…), dass aufgrund der Produktions- und Lieferbedingungen ein Zugriff auf die einzelnen Kartons zum Zwecke des Austauschs der in der Bedienungsanleitung enthaltenden Garantiebedingungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Danach werden die in Malaysia hergestellten Geräte dort fertig konfektioniert und in für ganz Europa identischer Aufmachung zum für Zentraleuropa zuständige externen Lager der Fa. X verschifft, von wo sie palettenweise weitergeliefert werden. Der Zugriff auf jeden einzelnen Karton (Entpacken der Paletten, Zugriff auf jeden einzelnen Karton, Entfernung der Zellophanierung, Öffnen des Kartons, Austausch der Bedienungsanleitung, Verschließen, Versiegeln, Zellophanieren) ist damit unverhältnismäßig. Unter diesen Umständen würde die Unterlassungsverpflichtung faktisch zu einem totalen Vertriebsstopp führen, der angesichts des geringen Verstoßes unverhältnismäßig wäre.
Die Antragsgegnerin hat zudem glaubhaft gemacht, dass aufgrund der dargestellten Lieferumstände eine Änderung der Bedienungsanleitung in Malaysia zu einer Bereitstellung auf dem deutschen Markt nach vier Monaten folgen würde. Da die Antragsgegnerin seit Ende November 2019 Kenntnis von der wettbewerbsrechtlichen Beanstandung durch die Antragstellerin hatte, bestand seit diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen, weshalb die Aufbrauchfrist bis 01.04.2020 angemessen erscheint.“
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.01.2020, Az.: 6 W 116/19
Praxistipp
Die Werbung mit Garantien ist seit jeher ein Einfallstor für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, da pauschale Angaben wie „2 Jahre Garantie“ nicht ausreichend sind. Vielmehr müssen nach § 479 BGB zahlreiche Hinweis- und Informationspflichten erfüllt werden. Eine gesetzeskonforme Werbung mit Garantien ist daher komplex und aufwendig.
Nicht nur Wettbewerber, sondern auch Abmahnvereine wie IDO & Co. durchsuchen systematisch Angebote auf eBay und Amazon, um Händler wegen unlauterer Werbung mit Garantien abzumahnen. Derzeit ist zudem noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob Onlinehändler auf eine bestehende Herstellergarantie hinweisen müssen.
Ist eine Abmahnung wegen unlauterer Werbung mit Garantien ins Haus getrudelt, kann und sollte versuchen, mit dem Abmahner eine angemessene Umstellungsfrist zu vereinbaren. Wie der Beschluss des OLG Frankfurt a.M. belegt, stehen die Chancen hierfür jedenfalls bei besonderen Umständen in der Liefer- und Verpackungskette nicht schlecht, so dass der Vertrieb nicht sofort eingestellt werden muss.