Werbung für Frischzellentherapie wettbewerbswidrig

Werbung für Frischzellentherapie wettbewerbswidrig

Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 27.11.2020 einem Unternehmen die Herstellung, Anwendung und Bewerbung von Frischzellen tierischer Herkunft für eine sog. „Frischzellentherapie“ wegen Verstoßes gegen Vorschriften im Heilmittelbereich verboten.

Sachverhalt: Werbung für Frischzellentherapie für diverse Indikikationen

Die Beklagte warb am 21.06.2019 auf ihrer Website für eine sog. „Frischzellentherapie“ zur Anwendung am Menschen. Unter anderem sollte diese Zelltherapie sich in der Praxis der Beklagten u.a. zur Behandlung bei folgenden Beschwerden bewährt haben:

  • Altersbeschwerden mit körperlicher und geistiger Erschöpfung
  • vegetative und nervöse Symptome bei chronischer Stressbelastung
  • Reizbarkeit, Konzentrationsmangel und Schlafstörungen
  • funktionelle und organische Herz-Kreislauf- und Gefäßkrankheiten
  • Diabetes
  • Verschleißerscheinungen am Bewegungsapparat
  • Krankheiten innerer Organe
  • Stoffwechselkrankheiten
  • Hormonstörungen
  • neurologische Erkrankungen
  • Immunschwäche
  • allergische Erkrankungen.

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. hielt die Werbung der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Arzneigesetz für wettbewerbswidrig und verklagte die Beklagte daher auf Unterlassung.

Urteil: Frischzellentherapie ist bedenkliches Arzneimittel

Das LG München stufte aufgrund mehrerer gutachterlicher Stellungnahmen das von der Beklagten vertriebene Produkt als bedenkliches Arzneimittel i.S.d. § 5 Arzneimittelgesetz * ein. Die Frischzellen hätten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkung, die über ein nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, so das LG München I.

Es gebe hier zwei wesentliche Risiken, nämlich das Risiko der Übertragung von Infektionserregern sowie das Risiko immunologischer und allergischer Ereignisse, die durch Verabreichung eines Fremdproteins prinzipiell bestünden. Im konkreten Fall sei darüber hinaus eine Wirksamkeit für die von der Beklagtenseite beworbenen Anwendungsbereiche nicht wissenschaftlich erwiesen. Zudem wirke sich bei der Kosten-Risiko-Analyse zu Ungunsten aus, dass die Beklagte nicht konkret dargelegt habe, in welcher Menge das Produkt jeweils verabreicht werde.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass sie alle Maßnahmen bei der Herstellung ergreife, um sterile Bedingungen zu gewährleisten sowie eventuelle Viren und Bakterien inaktiv werden zu lassen, bleibe immer noch das nicht auszuschaltende Risiko der immunologischen bzw. allergischen Nebenwirkungen.

Das Risiko, dass es bei solchen Reaktionen zu möglicherweise irreversiblen Schäden bei Patienten komme, sei unvertretbar groß im Hinblick auf den wissenschaftlich nicht belegten Nutzen der Anwendung, zumal auch zugelassene und gut verträgliche Therapiealternativen zur Verfügung stünden, so die Kammer.

LG München, Urteil vom 27.11.2020, Az.: 1 HK O 18008/19 (noch nicht rechtskräftig)

Quelle: PM des LG München I vom 27.11.2020

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§ 5 Arzneimittelgesetz*

Verbot bedenklicher Arzneimittel

(1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden.
(2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Ge-brauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.