Missbrauch bei Vorenthaltung Stellungnahme auf Abmahnung

Verschweigen Antwort auf Abmahnung rechtsmissbräuchlich

Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Beschluss vom 3.12.2020, dass rechtmissbräuchlich handelt, wer ein Gericht in einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung über die Reaktion des Antragsgegners auf eine Abmahnung falsch informiert.

 Sachverhalt: Abmahner verschweigt im Eilantrag Stellungnahme auf Abmahung

Die Beschwerdeführerin stellt Nahrungsergänzungsmittel her. Ein Wettbewerbsverein mahnte die Beschwerdeführerin wegen unlauteren Anbietens und Vertreibens eines Nahrungsergänzungsmittels ab und setzte eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Die Beschwerdeführerin wies die Abmahnung schriftlich zurück. Die Erwiderung übersandte sie dem Wettbewerbsverein per Telefax.

Der Wettbewerbsverein beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beschwerdeführerin. In der Antragsschrift führte er aus:

"Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. September 2020 ab (…). Diese reagierte hierauf nicht, gab insbesondere nicht die von ihr geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ist somit erforderlich."

Das Landgericht erließ daraufhin die einstweilige Verfügung gegen die Beschwerdeführerin. Nach Zustellung der Eilverfügung legte die Beschwerdeführerin Widerspruch gegen diese ein und erhob zugleich Verfassungsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde zwar nicht an. Interessant sind jedoch die Ausführungen des Gerichts zu einem etwaigen Rechtsmissbrauch des abmahnenden Wettbewerbsvereins:

"Erwiese sich der von der Beschwerdeführerin dargestellte Sachverhalt im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens als zutreffend, so bildete dies jedenfalls ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG (in der Fassung bis zum 1. Dezember 2020; jetzt § 8c UWG in der Fassung vom 2. Dezember 2020) und § 242 BGB.

Dem Verfügungsantrag stünde dann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Bei Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG (in der Fassung bis zum 1. Dezember 2020; jetzt § 8c UWG in der Fassung vom 2. Dezember 2020) entfällt die Klagebefugnis, und die auf Unterlassung oder Beseitigung gerichtete Klage ist als unzulässig abzuweisen (…). Dies gilt für einen Verfügungsantrag gleichermaßen. Die angegriffene Entscheidung wäre bereits aus diesem Grunde aufzuheben.

Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen kann darin gesehen werden, dass der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt. Die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet den Antragsteller zu vollständiger Erklärung über die tatsächlichen Umstände (…). Kann dem Antragsteller eine planmäßig gezielte Gehörsvereitelung zur Erschleichung eines Titels vorgeworfen werden, kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein (…).

Auf Grundlage des Sachvortrags der Beschwerdeführerin kommt hier - vorbehaltlich einer umfassenden Tatsachenfeststellung und Gesamtwürdigung der Umstände - ein Fall des Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG (in der Fassung bis zum 1. Dezember 2020; jetzt § 8c UWG in der Fassung vom 2. Dezember 2020) in Betracht, da der Gegner des Ausgangsverfahrens die ihm ausweislich des Sendeberichts unter zutreffender Telefaxnummer und innerhalb der vom ihm gesetzten Frist am 14. September 2020 übersandte Erwiderungsschreiben auf die Abmahnung dem Landgericht nicht vorgelegt hat, sondern vielmehr angab, eine Reaktion sei nicht erfolgt.

Erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist eine ausreichende Sachaufklärung, die eine zur Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit erforderliche Betrachtung der Gesamtumstände einschließt, möglich.

BVerfG, Beschluss vom 3.12.2020, 1 BvR 2575/20

Praxishinweis

Wer abmahnt und eine Antwort auf die Abmahung erhält, muss diese Antwort im Rahmen eines Eilantrags erwähnen und dem Gericht vorlegen.

Wer abmahnt, darauf eine Antwort erhält, und diese Reaktion im Rahmen eines Eilantrags nicht erwähnt, oder sogar wahrheitswidrig behauptet, der Abgemahnte habe nicht geantwortet, handelt rechtsmissbräuchlich. In diesem Fall steht dem Abmahner kein Unterlassungsanspruch mehr zu, auch wenn er in der Sache Recht hatte.