Spitzenstellungswerbung mit "Top" ("Top-Mediziner") irreführend

Arzt
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Unlautere Werbung ist verboten und kann abgemahnt werden. Unlauter ist insbesondere irreführende Werbung. Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen. Hierunter fällt auch eine Werbung mit einer Spitzenstellung, obwohl tatsächlich keine Spitzenstellung besteht. Eine Spitzenstellungswerbung liegt nicht nur bei der Werbung mit „Nr. 1“, sondern auch mit Begriffen wie „Top“ vor. Das LG München entschied, dass die Werbung mit „Top-Mediziner“ irreführend ist, wenn diese Angabe durch auf einer neutralen und fachgerechten Prüfung, sondern auf einer Lizenzzahlung basiert.

Sachverhalt: Siegelverleihung "TOP-Mediziner" gegen Entgelt

Hintergrund ist eine Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale (Klägerin) gegen den FOCUS-Verlag (Beklagte) wegen der Verleihung und Publizierung sog. „Ärzte-Siegel".

Die Beklagte verleiht gegen Entgelt an ÄrztInnen Siegel, die sie als „Top Mediziner" bzw. „Focus Empfehlung" auszeichnen. Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin „FOCUS Gesundheit" unter dem Titel „Ärzteliste". Gegen Zahlung einer Lizenz von ca. 2.000 EUR netto erhalten ÄrztInnen ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG", das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun.

Die Wettbewerbszentrale war der Ansicht, dass die Werbung mit „Top-Mediziner“ unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“ irreführend und daher unlauter ist.

Gericht: Vergabe „Top“-Siegel gegen Entgelt ist wettbewerbswidrig

Das Gericht gab der Zentrale Recht. Die Beklagte verstoße durch die Vergabe der Siegel „TOP-Mediziner“, die von Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot.

Bezeichnung als „Top-Mediziner“ setzt fachliche Spitzenstellung voraus

Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner" bezeichnet bzw. als „FOCUS-Empfehlung" angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Spitzenstellung setzt neutrale & sachgerechte Prüfung voraus

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet.

Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung.

Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse.

Empfehlungen von Kollegen oder Patentenzufriedenheit ungeeignete Kriterien

Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

LG München, Urteil vom 13.02.2023, AZ 4 HKO 14545/21
Quelle: PM des LG München I vom 13.02.2023

Praxishinweis:

Eine Alleinstellungswerbung oder Spitzenstellungswerbung ist unlauter, wenn das so werbende Unternehmen nicht darlegen und beweisen kann, dass es in Bezug auf die so beworbenen Fakten (z.B. Preis, Alter, Größe, Umsatz) tatsächlich eine Alleinstellung oder Spitzenstellung einnimmt. Eine Alleinstellungswerbung oder Spitzenstellungswerbung ist nur zulässig, wenn die behauptete Allein- oder Spitzenstellung tatsächlich besteht und der Werbende diesbezüglich gegenüber den Wettbewerbern einen deutlichen und dauerhaften Vorsprung hat.

Um eine Alleinstellung handelt es sich nicht nur, wenn der Werbende behauptet, überhaupt keinen Mitbewerber zu haben, sondern auch, wenn er zum Ausdruck bringt, er übertreffe seine Mitbewerber, seien es alle oder jedenfalls eine größere Gruppe.  Eine Spitzengruppenwerbung liegt vor, wenn ein Unternehmer für sich in Anspruch nimmt, in Bezug auf alle oder einzelne Merkmale seines Unternehmens oder seiner Ware oder Leistung zu einer Gruppe von Wettbewerbern zu gehören, die gegenüber den übrigen Wettbewerbern überlegen ist.

Eine Alleinstellungsbehauptung oder Spitzenstellungsbehauptung kann auf vielfältige Art und Weise, in Wort oder Bild erfolgen. Der Superlativ ist eine typische Ausdrucksform für die Alleinstellung ("Der Größte", "Der Billigste", "Das beste Netz"). Aber auch Angaben wie "Die Nr. 1" oder "konkurrenzlos" sind Alleinstellungsbehauptungen. Eine Spitzenstellungswerbung erfordert nicht stets die Verwendung eines Superlativs. Entscheidend ist insoweit nicht die sprachliche oder grammatikalische Form, sondern der Sinngehalt einer Angabe.

Ob eine Alleinstellungs- bzw. Spitzenstellungswerbung oder Spitzengruppenwerbung vorliegt, beurteilt sich danach, wie die angesprochenen Verkehrskreise die jeweilige Werbung verstehen. Deren Sicht entscheidet auch darüber, ob es sich bei der Werbung nicht vielleicht auch nur um eine reklamehafte Übertreibung handelt, die vom Publikum nicht ernst genommen wird und daher nicht zur Irreführung geeignet ist.

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