Nahrungsergänzungsmittel: "Einschlaffördernd" irreführend

Nahrungsergänzungsmittel zum EinschlafenTisch

Das Landgericht Koblenz hatte zu entscheiden, ob Werbeaussagen wie "einschlaffördernd" und "durchschlaffördernd" für ein Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin, Vitaminen und anderen Inhaltsstoffen von der Health-Claims-Verordnung (HCVO) gedeckt oder irreführend sind. Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen die HCVO und verbot die Werbung wegen wettbewerbswidriger Irreführung.

Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel mit "einschlaffördernd"

Die gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Landgericht Koblenz betraf die Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel, das neben Melatonin auch Piperin, Vitamin B6, Vitamin D3 und verschiedene Pflanzenextrakte enthält. Auf der Produktverpackung und in der Werbung für das Nahrungsergänzungsmittel wurden verschiedene gesundheitsbezogene Angaben gemacht, wobei insbesondere die Angabe "einschlaffördernd" hervorgehoben wurde.

Der Kläger, ein qualifizierter Wirtschaftsverband, argumentierte, dass diese Aussagen als spezifische gesundheitsbezogene Angaben anzusehen seien. Solche Aussagen dürfen nur verwendet werden, wenn sie nach der Health-Claims-Verordnung (HCVO) zugelassen und in eine Liste der erlaubten Aussagen aufgenommen wordens sind, was jedoch nicht der Fall war. 

Urteil: Werbung mit "einschlaffördernd" verstößt gegen HCVO

Das Gericht musste also prüfen, ob es sich bei den beanstandeten Werbeaussagen um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCVO handelt. Die HCVO unterscheidet zwei Arten von gesundheitsbezogenen Angaben: spezifische gesundheitsbezogene Angaben (Art. 10 Abs. 1 HCVO) und sonstige gesundheitsbezogene Angaben (Art. 10 Abs. 3 HCVO).

Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und einer Funktion des menschlichen Organismus andererseits hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (dann handelt es sich um eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe) oder ob eine solche Überprüfung nicht möglich ist (dann liegt eine nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe vor).

Für spezifische gesundheitsbezogene Angaben ist ein höheres Maß an wissenschaftlicher Evidenz notwendig. Spezifische gesundheitsbezogene Angaben müssen durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft und zugelassen werden, bevor sie verwendet werden dürfen. Sonstige gesundheitsbezogene Angaben müssen von einer spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe gedeckt sein, die in einer Liste nach Artikel 13 oder Artikel 14 HCVO aufgeführt ist.

"Einschlaffördernd" = spezifische gesundheitsbezogene Angabe

Das Landgericht Koblenz kam zu dem Schluss, dass es sich bei den Werbeaussagen „einschlaffördernd“ und „durchschlaffördernd“ um "spezifische gesundheitsbezogene Angaben" handelt. Das Gericht stützte sich dabei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der diese Werbeaussage als Versprechen einer Verbesserung des Gesundheitszustandes interpretieren würde. Dabei sind die Vorerwartungen und Kenntnisse der Verbraucher entscheidend, die durch solche Aussagen beeinflusst werden können.

Die Werbeaussage „einschlaffördernd“ bzw. „durchschlaffördernd“ impliziere aus Sicht des Verbrauchers, dass der Konsum des Nahrungsergänzungsmittels zu einer Verbesserung von Schlafstörungen führen kann. Verbraucher würden annehmen, dass das Produkt bei Einnahme dazu beitrage, Symptome wie schlechtes Einschlafen oder häufiges Aufwachen zu verbessern oder gar zu beseitigen. Hierbei handele es sich um eine sehr konkrete Wirkung, die ohne Weiteres Gegenstand einer klinischen Studie sein und daher auch Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnte.

"spezifische gesundheitsbezogene Angaben" müssen genehmigt sein

Da kein wissenschaftlicher Nachweis über die behaupteten Wirkungen vorlag und die Aussagen nicht in der EU-Liste zugelassener Gesundheitsangaben geführt wurden, stufte das Gericht die beanstandeten Werbeaussagen als irreführend ein. Infolgedessen wurde der Verfügungsbeklagten untersagt, mit den beanstandeten gesundheitsbezogenen Angaben zu werben, solange diese nicht offiziell genehmigt sind.

OLG Koblenz, Urteil vom 28.06.2023, AZ 9 U 1947/22

Praxishinweis:

Gesundheitsbezogene Angaben sind häufig in der Werbung für Lebensmittel anzutreffen. Allerdings dürfen solche Angaben nur dann verwendet werden, wenn diese nach der Health Claims-Verordnung (HCVO) zulässig sind. Die HCVO legt europaweite einheitliche Anforderungen für die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben in der Lebensmittelwerbung fest. Auch Nahrungsergänzungsmittel fallen unter die HCVO.

Unternehmen dürfen nur Nahrungsergänzungsmittel mit gesundheitsbezogenen Aussagen bewerben, wenn sie die Vorgaben der HCVO einhalten. Die strengen Vorgaben sollen Verbraucher vor irreführenden Aussagen schützen und sicherstellen, dass nur bestätigte, realistische Gesundheitsinformationen in der Lebensmittelwerbung verwendet werden.

Zugelassen hat die EFSA überwiegend Werbung für Vitamine und Mineralstoffe. Hersteller, die bestimmte Mindestmengen zusetzen, dürfen zum Beispiel damit werben, dass Vitamin C zur normalen Funktion des Immunsystems beiträgt oder Calcium für die Erhaltung normaler Knochen benötigt wird. Das gilt für alle Arten von Lebensmitteln, also auch für Nahrungsergänzungsmittel. Auch auf die positive Wirkung von Ballaststoffen aus Roggen für die Verdauung darf beispielsweise hingewiesen werden.

Es ist daher unbedingt empfehlenswert, dass Unternehmen sich mit der HCVO auseinandersetzen. Die Einhaltung der HCVO ist nicht nur gesetzlich verpflichtend, sondern auch von essentieller Bedeutung, um das Vertrauen der Verbraucher zu wahren und teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Um rechtliche Risiken, insbesondere die Gefahr von Abmahnungen zu minimieren, sollten Unternehmen vor der Nutzung von Health-Claims rechtlichen Rat einholen.

Auch außerhalb des Lebensmittelbereichs darf nicht irreführend mit gesundheitsbezogenen Angaben geworben werden. Insbesondere im Fitnessbereich oder in der Ernährungsberatung wird häufig mit solchen Angaben geworben. Doch solche Angaben sind nur dann zulässig, wenn sie durch wissenschaftliche Studien belegt sind. Falls es umstritten ist, ob eine Angabe die behauptete Wirkung erzielt, muss explizit darauf hingewiesen werden.