Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass der Hersteller eines in Einzelteilen zur Selbstmontage gelieferten Produkts seinen Namen und seine Kontaktanschrift direkt auf dem Produkt anbringen muss – eine Kennzeichnung nur auf der Verpackung reicht nicht aus. Das Urteil hat insbesondere für die Möbelbranche und andere Hersteller von Bausatzprodukten weitreichende Konsequenzen.
Sachverhalt: Herstellerangabe nur auf Verpackung → Abmahnung → Klage
Im vorliegenden Fall stritten zwei Unternehmen, die beide im Bereich des Möbelvertriebs tätig sind. Die Antragstellerin führte einen Testkauf eines Gamingstuhls bei der Antragsgegnerin durch. Der Stuhl wurde in Einzelteilen zur Selbstmontage geliefert, und die Herstellerangaben befanden sich lediglich auf dem Karton, nicht aber auf den einzelnen Teilen des Stuhls. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin daraufhin ab und forderte, die Herstellerangaben gemäß den gesetzlichen Vorgaben nach § 6 Abs. 1 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) direkt auf dem Produkt anzubringen. Die Antragsgegnerin argumentierte, dass die Kennzeichnung auf der Verpackung ausreichend sei und sie als Händlerin ohnehin nicht die Pflichten eines Herstellers trage.
Entscheidung: Gericht bestätigt Pflicht zur Herstellerangabe auf dem Produkt
Das OLG Frankfurt entschied zugunsten der Antragstellerin. Auch bei einem in Einzelteilen zur Selbstmontage gelieferten Verbraucherprodukt muss der Name und die Kontaktanschrift des Hersellers unmittelbar auf dem Produkt und nicht nur auf der Umverpackung angebracht werden.
Auch Händler können Hersteller im Sinne des ProdSG sein
Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Antragsgegnerin als Herstellerin im Sinne des ProdSG anzusehen ist, da sie die Produkte unter ihrem eigenen Namen vertreibt:
"Hersteller ist nach § 2 Nr. 15 ProdSG jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet; als Hersteller gilt auch jeder, der a) geschäftsmäßig seinen Namen, seine Handelsmarke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen an einem Produkt anbringt und sich dadurch als Hersteller ausgibt (…).
Zwar hat die Antragsgegnerin in der Schutzschrift behauptet, den testweise erworbenen Gamingstuhl weder selbst hergestellt noch als Bevollmächtigte gehandelt zu haben (…). Durch Anbringen ihrer vollständigen Firma auf dem oben wiedergegebenen Etikett auf dem Karton hat sie sich aber jedenfalls als Hersteller ausgegeben. Eine weitere Herstellerkennzeichnung ist weder dargetan noch ersichtlich (…).“
Somit unterlag die Antragsgegnerin als Quasi-Herstellerin den Pflichten nach § 6 Abs. 1 ProdSG. Danach muss u.a. der Name und die Kontaktanschrift unmittelbar auf dem Verbraucherprodukt angebracht werden. Diese Pflicht gilt auch bei Produkten zur Selbstmontage, die in Einzelteilen geliefert werden.
Herstellerangaben bei Produkten zur Selbstmontage auf Verpackung ungenügend
Herstellerangaben befanden sich jedoch nur auf Etiketten auf der Verpackung bzw. dem Karton. Dies hielt das Gericht für nicht ausreichend, da diese häufig entsorgt werden und somit die Informationen für den Verbraucher verloren gingen:
"Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 ProdSG ist (…) eindeutig. Die Angaben nach Satz 1 Nr. 2 und 3 ProdSG sind danach auf dem Verbraucherprodukt oder, wenn dies nicht möglich ist, auf dessen Verpackung anzubringen. Insoweit ist (…) unstreitig, dass die Angaben ohne Weiteres auf einem der Einzelteile des von der Antragstellerin beanstandeten Gamingstuhls hätten angebracht werden können, etwa auf der Rückenlehne oder der Unterseite der Sitzfläche. Daneben hinaus sind Ausnahmen nach § 6 Abs. 1 Satz 3 ProdSG nur zulässig, wenn es vertretbar ist, diese Angaben wegzulassen, insbesondere, weil sie der Verbraucherin oder dem Verbraucher bereits bekannt sind, oder weil es mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, sie anzubringen. Ein solcher Sonderfall ist hier nicht substantiiert dargetan und auch nicht ersichtlich.“
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2024, Az.: 6 W 5/24
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Praxishinweis
📌 Nach § 6 Abs. 1 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) müssen Hersteller bestimmte Informationen zur Verfügung stellen, um die Sicherheit und Nachverfolgbarkeit der Produkte zu gewährleisten:
👉 Bereitstellung von Sicherheitsinformationen: Der Hersteller muss der Verbraucherin oder dem Verbraucher die Informationen zur Verfügung stellen, die nötig sind, um die mit dem Produkt verbundenen Risiken während der üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer zu erkennen und sich dagegen schützen zu können. Diese Informationen sollten alle potenziellen Gefahren abdecken, die ohne entsprechende Hinweise nicht sofort erkennbar sind.
👉 Kennzeichnungspflichten: Der Hersteller muss seinen Namen, seine Kontaktanschrift sowie eine Kennzeichnung, die das Produkt eindeutig identifiziert (z.B. Seriennummer oder Modellnummer), direkt auf dem Produkt anbringen. Nur wenn dies nicht möglich ist, dürfen die Informationen auf der Verpackung oder in der Gebrauchsanweisung angegeben werden. Diese Pflicht soll sicherstellen, das Produkt im Falle von Problemen oder Rückrufen schnell zu identifizieren und den Hersteller zu kontaktieren, falls es zu Sicherheitsproblemen kommt.
💡 Quasihersteller: Händler, die Produkte unter ihrem eigenen Namen vertreiben, gelten ebenfalls als Hersteller und müssen daher die Pflichten nach § 6 Abs. 1 ProdSG beachten, drohen andernfalls Abmahnungen und Klageverfahren.
📌Herstellerangabe auf Verpackung nicht ausreichend: Auch Hersteller bzw. Händler (Quasi-Hersteller), die Produkte zur Selbstmontage anbieten, müssen sicherstellen, dass die nach § 6 Abs. 1 ProdSG erforderlichen Angaben direkt auf den Einzelteilen angebracht werden. Eine bloße Angabe auf der Verpackung reicht auch bei Produkten zur Selbstmontage nicht aus, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.