Das AG Hamburg hat im Rahmen eines Ordnungsmittelbeschlusses darauf hingewiesen, dass nur die Durchführung eines Double-Single-Opt-In-Verfahrens geeignet ist sicherzustellen, dass der Empfänger von E-Mail-Werbung diese auch tatsächlich wollte. Die Versendung von Werbe-E-Mails auf der Grundlage einer Single-Opt-In-Anmeldung ist dagegen unzulässig.
Nachstehend der Beschluss im Volltext:
Amtsgericht Hamburg
Beschluss vom 05.05.2014 - Az.: 5 C 78/12
Tenor
1. Gegen die Schuldnerin wird wegen mehrfacher Zuwiderhandlung gegen die in dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 05.11.2012, Aktenzeichen 5 C 78/12 enthaltene Unterlassungsverfügung, nämlich es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines erstmaligen geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass die ausdrückliche Einwilligung des Klägers vorliegt, soweit nicht die Adresse
(...)
Entscheidungsgründe
I.
1.
Am 05.11.2012 hat das Amtsgericht Hamburg unter dem Az. 5 C 78/12 ein Versäumnisurteil gegen die jetzige Schuldnerin mit folgendem Inhalt erlassen:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte an deren Geschäftsführer zu vollziehen ist, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines erstmaligen geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass die ausdrückliche Einwilligung des Klägers vorliegt, soweit nicht die Adresse (...)@web.de betroffen ist.
Das Versäumnisurteil ist seit dem 21.02.2013 rechtskräftig.
2.
Die Schuldnerin betreibt die weltweit tätige Online-Partnervermittlung (...) unter der Domain (...). Auf dieser Plattform können sich Nutzer mit einer E-Mail-Adresse, einem Passwort und wahlweise unter Angabe ihres Namens für ein so genanntes kostenloses Basis-Profil registrieren. Dabei wird nach einem ca. 20 minütigem Persönlichkeitstest ein Benutzerprofil angelegt, über welches Partnervorschläge aus der Gruppe der registrierten Nutzern ermittelt und unterbreitet werden.
Registrierte Nutzer können über die Plattform in Kontakt treten und untereinander Nachrichten und Bilder austauschen. Dieser Dienst ist für Nutzer mit einem Basis-Profil in begrenztem Umfang nutzbar. Um die Dienste uneingeschränkt nutzen zu können, d.h. alle Nachrichten lesen oder freigegebene Bilder ansehen zu können, müssen die Nutzer eine kostenpflichtige Premium Mitgliedschaft erwerben.
Ab dem 22.01.2014 empfing der Gläubiger von der Schuldnerin unter seiner seit November 2012 neu eingerichteten E-Mail-Adresse
"Lieber Herr (...), dieses Mitglied ist neugierig auf Sie geworden und hat Ihr Profil besucht. Was fand sie wohl am spannendsten? Ihr Foto? Ihren Beruf? Ihre Interessen? Und was für ein Typ Frau ist sie überhaupt? Finden Sie es doch heraus und senden Sie ihrer Besucherin einfach eine Nachricht oder stellen Sie ihr Spaßfragen."
Der Gläubiger behauptet, die Schuldnerin habe an seine E-Mail-Adresse (...)@gmx.de in der Zeit vom 22.01.2014 bis zum 30.01.2014 ohne seine Einwilligung über 80 E-Mails versandt, mit denen die Schuldnerin versuche, aus Gratis-Mitgliedern zahlende Kunden zu machen.
Er ist der Ansicht, diese der Schuldnerin zuzurechnenden E-Mails seien Werbenachrichten. Durch deren Versand habe die Schuldnerin schuldhaft gegen die Unterlassungsverfügung aus dem gegen sie ergangenen Versäumnisurteil vom 05.11.2012 verstoßen, weil sie kein Double-Opt-In-System installiert oder andere geeignete Maßnahmen getroffen habe, mittels derer die Schuldnerin eine Zusendung dieser Nachrichten selbst bei einer missbräuchlichen Registrierung durch Dritte hätte vermeiden können.
Die Schuldnerin behauptet, in Folge der Unterlassungsverfügung vom 05.11.2012 habe sie unterschiedliche Maßnahmen getroffen, um die Aussendung von E-Mails an den Gläubiger zu unterbinden. So haben sie die frühere E-Mail-Adresse (...)@web.de auf eine Sperrliste gesetzt, mit welcher die bei der Registrierung eines Nutzers angegebene E-Mail-Adresse abgeglichen und bei einer Übereinstimmung mit gesperrten E-Mail-Adressen eine Neuanlage eines Nutzer-Profils versagt werde.
Als weitere Vorsichtsmaßnahme habe sie auch den Namen (...) systemseitig als Sperreintrag hinterlegt. Am 22.01.2014 sei dann unter der neuen E-Mail-Adresse des Gläubigers (...)@gmx.de eine Anmeldung ohne Angabe eines Namens auf ihrer Plattform erfolgt, aufgrund derer es zur Aussendung der streitigen E-Mails gekommen sei. Diese seien insofern von anderen Nutzern ihrer Plattform initiiert worden.
Sie ist der Ansicht, aufgrund dieser Maßnahmen treffe sie kein Verschulden. Vielmehr habe der Gläubiger durch die Änderung seiner E-Mail-Adresse verursacht, dass die von der Schuldnerin auf ihrer Plattform implementierten Sicherungssysteme nicht mehr hätten greifen können. Sie selbst habe weder gegen geltendes Datenschutzrecht noch gegen die Unterlassungsverfügung vom 05.11.2012 verstoßen, als eine dritte Partei missbräuchlich unter Angabe der E-Mail-Adresse des Gläubigers (...)@gmx.de sich auf ihrer Plattform registriert habe.
Schließlich habe der Gläubiger sich erst nach dem Erhalt einer Vielzahl von Nachrichten bei der Schuldnerin gemeldet, anstatt schon nach dem Empfang der ersten E-Mail eine Unterlassung zu begehren.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen.
II.
Der Ordnungsmittelantrag des Gläubigers hat Erfolg.
Gegen die Schuldnerin war gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsmittel zu verhängen, da sie der im Tenor des Versäumnisurteils vom 05.11.2012 auferlegten Unterlassungsverpflichtung zuwider gehandelt hat, indem sie dem Gläubiger ohne dessen Einverständnis mehrfach elektronische Werbung an dessen E-Mail-Adresse (...)@gmx.de übermittelte.
1.
Die Schuldnerin hat ab dem 22.01.2014 mehrfach per E-Mail an (...)@gmx.de Kontakt zum Gläubiger aufgenommen.
Der Einwand der Schuldnerin, die vom Gläubiger empfangenen E-Mails seien nicht von ihr, sondern von anderen Nutzern ihrer Plattform veranlasst worden, steht dem nicht entgegen. Aus den vom Gläubiger empfangenen E-Mails ergibt sich eindeutig, dass diese von der Domain (...), deren Inhaberin die Schuldnerin ist, versandt wurden; unabhängig davon, ob der Versand im Ausgangspunkt auf Kontaktanfragen anderer Nutzer ihrer Plattform zurückgeht, sind die E-Mails von dem Kundenservice der Schuldnerin und unter Verwendung des Firmenlogos der Schuldnerin von der Domain der Schuldnerin versandt wurden. Dies steht auch zwischen den Parteien außer Streit.
2.
Entgegen der Schuldnerin erfolgte der Versand dieser E-Mails zu Werbezwecken mit dem Ziel eines erstmaligen geschäftlichen Kontaktes, insbesondere weil diese Nachrichten ersichtlich den Gläubiger animieren sollten, Nachrichten mit anderen Nutzern der Plattform auszutauschen.
In Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung umfasst der Begriff Werbung sowohl unmittelbar produktbezogene als auch mittelbare Maßnahmen bzw. Äußerungen eines Unternehmens bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind (BGH, Urteil vom 12.09.2013, Az.: I ZR 208/12; Urteil vom 20.05.2009, Az.: I ZR 218/07).
Die vom Gläubiger empfangenen E-Mails sind Äußerungen der Schuldnerin im Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Dies ergibt sich schon daraus, dass die E-Mails von dem Kundenservice der Schuldnerin unter Verwendung ihres Firmenlogos versandt worden sind. Insbesondere in den Fällen, in denen die E-Mails auf eine Kontaktanfrage bzw. das Interesse anderer Nutzer der (...)-Plattform hin an die E-Mailadresse des Gläubigers übermittelt werden, erfolgt der Versand im geschäftlichen Verkehr der Schuldnerin, da diese Nachrichten die Tätigkeit als Online-Partnervermittlung direkt betreffen und damit für den Kernbereich ihres Geschäftsbetriebes von Belang sind.
Der Versand dieser E-Mails ist auch zu Werbezwecken erfolgt, da kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Schuldnerin beabsichtigte, damit zumindest mittelbar ihren Absatz durch den Abschluss kostenpflichtiger Premium-Mitgliedschaften zu fördern. Wie die Schuldnerin selber darstellt, können Nutzer ihrer Plattform mit einer Basis-Mitgliedschaft nur eingeschränkt mit anderen Nutzern in Kontakt treten. Um umfassend Nachrichten und Bilder mit anderen Nutzern auszutauschen zu können und damit ein Kennenlernen zu ermöglichen, bedarf es des Abschlusses einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Entsprechend enthalten die E-Mails der Schuldnerin suggestive Fragen und Aufforderungen, die ersichtlich den Empfänger dazu motivieren sollen, eine ausführlichere Kommunikation mit anderen Nutzern ihrer Plattform zu beginnen. So heißt es in den E-Mails der Schuldnerin:
"Was fand sie wohl am spannendsten? Ihr Foto? Ihren Beruf? Ihre Interessen? Und was für ein Typ Frau ist sie überhaupt? Finden Sie es doch heraus und senden Sie ihrer Besucherin einfach eine Nachricht oder stellen Sie ihr Spaßfragen"
Da eine auf mehrfachen Nachrichtenaustausch basierende Kommunikation jedoch nur durch Abschluss einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft möglich wird, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Schuldnerin jedenfalls mittelbar die Förderung des Absatzes ihrer Dienstleistungen beabsichtigte.
3.
Die Schuldnerin hat gegen die Unterlassungsverfügung vom 05.11.2012 verstoßen, da eine für die Zusendung dieser E-Mails erforderliche Einwilligung des Gläubigers (für welche der Schuldnerin die Darlegungs- und Beweislast obliegt, vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004, AZ.: I ZR 81/01) unstreitig nicht existierte.
4.
Die Schuldnerin hat auch schuldhaft gehandelt, indem sie den Versand der streitigen E-Mails auf die missbräuchliche Registrierung der E-Mail-Adresse des Gläubigers durch einen Dritten hin zuließ.
Zunächst durfte die Schuldnerin aus der Tatsache, dass die E-Mail-Adresse des Gläubigers (...)@gmx.de am 22.01.2014 bei der Registrierung eines neuen Nutzerprofils auf ihrer Plattform angegeben wurde, noch nicht auf das Einverständnis des Gläubigers zum Erhalt der streitigen E-Mails schließen. Denn es kann nicht im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass eine Eintragung tatsächlich vom Inhaber der eingetragenen E-Mail-Adresse stammt. Dazu fehlt es an einem entsprechenden Satz der Lebenserfahrung, da die missbräuchliche Verwendung von fremden E-Mail-Adressen durch Dritte, wie dieser Fall belegt, keine zu vernachlässigende Ausnahme darstellt (LG Essen, Urteil vom 20.04.2009, AZ.: 4 O 368/08).
Darüber hinaus hat die Schuldnerin geeignete Maßnahmen unterlassen, die ihr das Erkennen von tatsächlich nicht vorliegenden Einwilligungen ermöglicht hätten.
Der Versender werbender E-Mails muss durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die Einwilligung in den Empfang dieser Werbenachrichten in der Person des jeweiligen Empfängers vorliegt. Dass die Schuldnerin dies nicht erfüllte, muss sie sich jedenfalls als anlasten lassen (BGH, Urteil vom 11.03.2004, AZ.: I ZR 81/01; LG Heidelberg, Urteil vom 20.02.2006, AZ.: 4 O 67/05; AG Berlin-Wedding, Urteil vom 10.05.2010, AZ.: 22b C 243/09).
Sie handelte zumindest fahrlässig, da das Verfahren der Schuldnerin zur Anmeldung für ihre Dienste auch trotz des für eine Registrierung zu absolvierenden ca. 20 minütigen Persönlichkeitstests keinen effektiven Schutz vor irrtümlichen oder missbräuchlichen Falschangaben durch Dritte bietet.
Die von der Schuldnerin vorgetragenen Maßnahmen, welche sie ergriffen habe, um zu verhindern, dass ihr Service von Dritten missbraucht werde und der Gläubiger unerwünschte E-Mails von ihr erhalte, waren vorliegend offenkundig ineffektiv. Sie haben nicht verhindern können, dass dem Gläubiger entgegen der Unterlassungsverfügung vom 05.11.2012 auf andere E-Mail-Adressen unerwünschte Werbenachrichten zugestellt werden konnten. Vielmehr zeigt die Darstellung der Schuldnerin, wie fehleranfällig ihre Maßnahmen sind, da ihre Sicherheitssysteme durch die Angabe eines anderen Namens bzw. die Nichtangabe eines Namens, umgangen werden können. Dies ist der Schuldnerin auch vorwertbar. Es hätten ihr nämlich durchaus Sicherungssysteme zur Verfügung gestanden, die eine zuverlässige Feststellung fehlender Einwilligungen ermöglicht hätten.
Um sicherzustellen, dass der Empfänger mit dem Empfang von Werbenachrichten einverstanden ist, reicht das von der Schuldnerin im Rahmen des Registrierungsprozesses auf ihrer Plattform genutzte Single-Opt-In-Verfahren in Kombination mit den eingerichteten systemseitigen Sperrmechanismen nicht aus. Vielmehr wäre es der Schuldnerin zumutbar gewesen (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 20.02.2006, Az.: 4 O 67/05; LG Essen, Urteil vom 20.04.2009, Az.: 4 O 368/08), ein sog. Double-Opt-In oder ein entsprechendes Verfahren einzurichten, bei welchem der Inhaber einer E-Mail-Adresse nach der Anmeldung dieser beim Dienst der Schuldnerin eine erste Nachricht mit der Aufforderung erhält, die Anmeldung durch das Öffnen der in dieser E-Mail enthaltenen Internetadresse zu bestätigen (Check-Mail).
Erst durch ein Aufrufen dieses Links stimmt der Inhaber dieser E-Mail-Adresse dem Empfang von elektronischen Werbenachrichten zu. Auf diese Weise wird verhindert, dass die E-Mail-Adresse ohne das Einverständnis verwendet wird, da eine ausbleibende Reaktion auf diese Check-Mail als Ablehnung wirkt (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 11.06.2008, Az.: 21 C 43/08).
5.
Das Gericht hat das beantragte Ordnungsgeld auf € 3.000,00 festgesetzt. Es hat hierbei sowohl die Schwere der fortgesetzten Zuwiderhandlung berücksichtigt, als auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schuldnerin durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO.
6.
Der Antrag auf Verurteilung der Schuldnerin zu einer Sicherheitsleistung ist nach § 890 Abs. 3 ZPO gerechtfertigt. Im Hinblick auf die festgestellte Zuwiderhandlung und die in diesem Verfahren zu Tage getretene uneinsichtige Rechtsansicht der Schuldnerin, ausreichend für den Schutz des Gläubigers Sorge zu tragen, obwohl sie kein Double-Opt-In System auf ihrer Plattform installiert hat, besteht die Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen und damit eines Schadens für den Gläubiger. Das Gericht hält es für erforderlich und angemessen zunächst die Sicherheitsleistung für ein Jahr anzuordnen. Dabei schätzt das Gericht den voraussichtlichen Schaden auf monatlich € 150,00, so dass eine Sicherheitsleistung von € 2.000,00 anzuordnen war.
(...)