Jameda zur Löschung einer negativen Arztbewertung verurteilt

Jameda erneut zur Löschung negativer Arztbewertung verurteilt

Das LG Braunschweig hat mit Urteil vom 28.11.2018 entschieden, dass das Arztbewertungsportal Jameda den Verfasser einer negativen Arztbewertung auffordern muss, den (angeblichen) Behandlungskontakt zum Arzt zu belegen, z.B. durch Vorlage einer Krankenkassenbescheinigung. Bloße Praxisbeschreibungen des Verfassers genügen nicht.

Sachverhalt: Arzt geht gegen negative Bewertung auf Jameda vor

Der Kläger ist ein niedergelassener Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er wendet sich gegen nachfolgende Bewertung, die ein angeblicher Patient des Klägers auf Jameda eingestellt hat und an der Jameda auf Beanstandungen des Klägers hin Änderungen vornahm:

Note 5,0
„Das ist keine ärztliche Leistung
Ich habe 4 Monate auf den Termin gewartet.
Seit mehr als 6 Monaten habe ich Probleme im Bereich der HWS. Mein Orthopäde hat mir empfohlen mich von einem Neurologen checken zu lassen.
Dr. K. meinte nach meiner Erklärung, er kann da nichts machen und ich soll mich an meinen Orthopäden wenden und verabschiedete sich und ging wieder raus.
Ich habe 4 Monate gewartet um mir sowas anzusehen!?"
Notenbewertung dieses Patienten
Behandlung 4,0 Gesamtnote 5,0
Aufklärung 6,0
Vertrauensverhältnis 6,0
Genommene Zeit 6,0
Freundlichkeit 3,0
Wartezeit Termin 6,0
Wartezeit Praxis 2,0
Sprechstundenzeiten 3,0
Betreuung 2,0
Entertainment 1,0
alternative Heilmethoden 1,0
Kinderfreundlichkeit 1,0
Barrierefreiheit 1,0
Praxisausstattung 1,0

Der Kläger behauptet, der Verfasser der Bewertung sei bei ihm nicht in Behandlung gewesen. Er habe die Praxis-EDV für den betroffenen Zeitraum durchgesehen, aber keinen Patienten gefunden, auf den die ihm bekannt gewordenen Merkmale zuträfen (Behandlungszeitraum, Kassenpatient, männlich, HWS-Beschwerden).

Jameda nahm zwar Rückfragen beim Verfasser vor, der Kläger ist jedoch der Ansicht, Jameda habe ihren Prüf- und Verhaltenspflichten als Hostbetreiberin dennoch nicht genügt.

LG Braunschweig: Jameda muss vom Verfasser einer negativen Bewertung Belege für Behandlung verlangen

Das LG Braunschweig gab dem klagenden Arzt Recht und verurteilte Jameda zur Löschung der negativen Bewertung auf Jameda. Das Gericht schloss sich der Ansicht des Arztes an, dass Jameda der ihr obliegenden Prüfpflicht, ob der streitgegenständlichen Bewertung ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen sei:

„Die Beklagte ist […] mittelbare Störerin. (…)

Die Haftung als mittelbarer Störer setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (…). Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (…).

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt. (…)

Die Beklagte durfte die Angaben des Bewertenden nicht als wahr unterstellen und die Bewertung wieder veröffentlichen, weil der Kläger auf ihre per Email vom 07.02.2017 (…) gesetzte Frist, der Beklagten bis zum 01.03.2017 eine „substantiierte Stellungnahme“ zukommen zu lassen, zunächst nicht reagiert hat. Die Fristsetzung begründet keine Ausschlussfrist, weil sie fortbestehende Verstöße nicht ausräumen kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Prüfpflichten der Beklagten strenge Anforderungen zu stellen (…). Denn der Betrieb eines Ärztebewertungsportals bringt von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsverletzungen mit sich. Der Portalbetreiber muss daher auf entsprechende Beanstandungen eingerichtet sein. Die mit dem Portalbetrieb eröffneten Missbrauchsgefahren werden dadurch verstärkt, dass die Bewertungen - rechtlich zulässig - verdeckt abgegeben werden können, was es den betroffenen Ärzten zusätzlich erschwert, unmittelbar gegen den Bewertenden vorzugehen. Rein reaktive Prüfpflichten, um die es hier geht, gefährden den Betrieb der Beklagten weder wirtschaftlich noch erschweren sie ihn unverhältnismäßig. Die von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich gewünschte Funktion von Arztbewertungsportalen wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

Aus der vorzunehmenden Interessenabwägung folgt, dass der Hostbetreiber ohne Gefährdung der Anonymität des Bewertenden ernsthaft versuchen muss, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Dazu hat er den Bewertenden aufzufordern, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Belege zu übermitteln (…). Konkret hat der Bundesgerichtshof die bloße Bitte der Beklagten, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen, nicht ausreichen lassen (…). Der Portalbetreiber hat sich die Behandlung durch objektive Beweismittel in Form von Rechnungen, Terminkarten, Bonusheften, Rezepten o. ä. nachweisen zu lassen.

Vorliegend kann dahinstehen, ob das Prüfverfahren so abgelaufen ist, wie es die Beklagte vorträgt. Denn selbst wenn die Kammer das mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom [...] geschilderte Vorgehen als wahr unterstellt, hat die Beklagte nicht das Erforderliche unternommen, um einen hinreichenden Nachweis über den Behandlungskontakt zu erlangen. Die Beklagte durfte sich nicht mit der Antwort des Bewertenden zufriedengeben, dass die Krankenkasse keine Arztbesuche registriere. Denn es ist schlechterdings nicht denkbar, dass kassenärztliche Leistungen ohne Registrierung der Behandlungsdaten abgerechnet werden. Ohne Angaben zu Zeit und Ort der Behandlung wäre es der Krankenkasse unmöglich, den Vergütungsanspruch des Arztes zu überprüfen und die von dem Behandler abgerechneten Leistungen korrekt zuzuordnen. Als angeblicher Kassenpatient hat der Verfasser der Bewertung auch einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse, den er hätte geltend machen können. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 305 SGB V. Hierauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung […] ausdrücklich hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch erörtert worden, dass die Behandlungsdaten infolge des Abrechnungsverfahrens erst zeitversetzt bei der Krankenkasse eingehen und welche Auswirkungen das auf den Auskunftsanspruch des Versicherten haben könnte. Gleichwohl ist die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom […] an keiner Stelle auf den Auskunftsanspruch des Patienten eingegangen.

Neben der Möglichkeit, die Krankenkasse zu konsultieren, hätte die Beklagte dem Bewertenden auch vorschlagen können, einen Beleg über den Arztbesuch direkt in der Praxis anzufordern. Das hat sie nicht getan. Es dürfte nicht ungewöhnlich sein, dass Patienten derartige Nachweise z. B. für ihren Arbeitgeber benötigen, so dass eine dahingehende Bitte des Patienten die Anonymität der Bewertung nicht gefährden dürfte.

Soweit die Beklagte argumentiert, der Patient habe anstelle eines Behandlungsbelegs die in das Verfahren eingeführte Praxisbeschreibung geliefert, war diese Angabe erkennbar nicht geeignet, einen Behandlungsnachweis zu ersetzen. Denn der Portalnutzer teilt keine Kenntnisse mit, die nur ein Patient des Klägers haben kann. Die Wegbeschreibung zur Praxis lässt sich von der Homepage der Praxis abrufen oder der Bewertende könnte die Örtlichkeiten als Begleitperson eines Patienten kennengelernt haben. Die Beschreibung des Empfangsbereichs ist nichtssagend, weil die Angaben auf eine unbestimmte Vielzahl von Praxen zutreffen.

Dass die Beklagte den Tag der Behandlung mit der Anwesenheit des Klägers in seiner Praxis abgeglichen habe, reicht ebenfalls als Bemühen um einen geeigneten Behandlungsnachweis nicht aus. Denn dem Kläger ist es aufgrund des Geheimhaltungsanspruchs des Portalnutzers aus § 12 Abs. 1 TMG unmöglich, diese Angabe zu widerlegen."

LG Braunschweig, Urteil vom 28.11.2018, Az.: 9 O 2616/17

Praxishinweis:

Auch bereits zahlreiche andere Gerichte haben Jameda zur Löschung von negativen Arztbewertungen verurteilt, weil Jameda die ihr nach der Rechtsprechung des BGH obliegenden Prüfungspflichten nicht eingehalten hat (z. B. OLG Dresden, Urteil vom 06.03.2018, Az.: 4 U 1403/07; OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2018, Az. 26 U 4/18). Der BGH hat bereits 2016 entschieden, dass Jameda den Verfasser einer negativen Arztbewertung zur umfassenden Stellungnahme und Vorlage von Unterlagen auffordern muss (BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15).

Wir haben bereits zahlreiche von negativen Bewertungen betroffene Mandanten erfoglreich gegenüber den jeweiligen Plattformbetreiber vertreten. Egal ob es sich um negative Bewertungen auf Jameda oder auf Google oder auf anderen Bewertungsplattformen handelt: Gegen falsche negative Bewertungen kann man sich wehren.